Wir haben Akten nach zehn Tagen bekommen. Wir haben binnen 14 Tagen erste Zeugen gehört. Ich glaube, dass das ein sehr ambitioniertes Programm gewesen ist, das wir hier abgearbeitet haben.
Deshalb möchte ich bei aller Streiterei zwischen den Fraktionen und Parteien, was den Wahlkampf angeht, noch einmal klarmachen: Ich habe hohen Respekt vor der Arbeit des Vorsitzenden und der Schwierigkeit, als Löwendompteur in diesem Untersuchungsausschuss mitten im Wahlkampf seine Arbeit machen zu müssen. Ich habe hohen Respekt vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, des Stenografischen Dienstes, den Referenten der Fraktionen, aber auch den Kolleginnen und Kollegen im Untersuchungsausschuss. Ich kenne nämlich keinen PUA, der unter solchen Bedingungen arbeiten musste und sich – durchaus auch fraktionsübergreifend – so sehr bemüht hat, dem sehr komplizierten und schwierigen Anspruch gerecht zu werden, den das Parlament an uns formuliert hat.
Es gibt ein Zitat von Pierre Abélard, einem französischen Philosophen und Theologen, das ich mit Erlaubnis des Präsidenten gerne bringen möchte:
„Durch Zweifeln kommen wir nämlich zur Untersuchung; in der Untersuchung erfassen wir die Wahrheit.“
Ich glaube, Zweifel haben fraktionsübergreifend alle, die in diesem Untersuchungsausschuss arbeiten. Untersuchen wollen wir alle eigentlich umfassend, aber wir wissen bereits heute, dass wir diesen Anspruch in dieser Legislaturperiode nicht erfüllen können. Die Wahrheit werden wir daher nicht erfassen.
Diese unbefriedigende Feststellung, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte jemand formulieren, der bei dem Versuch, die Wahrheit in der nächsten Legislaturperiode herauszufinden, nicht dabei sein kann. Ich wünsche aber allen Kolleginnen und Kollegen die Kraft dafür, die Muße und vielleicht auch den überfraktionellen Zusammenhalt, um die Arbeit dieses Untersuchungsausschusses fortzusetzen und zu klaren Schlussfolgerungen zu kommen. – Insoweit danke ich für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Stotko. Insofern, als das möglicherweise Ihre letzte Rede im Hohen Hause war, wünsche ich Ihnen auch vom Präsidium aus alles Gute für die weitere Zukunft. – Als nächsten Redner darf ich für die CDUFraktion Herrn Sieveke aufrufen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor über drei Monaten passierte der größte islamistische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zwölf unschuldige Menschen – auch aus Nordrhein-Westfalen – mussten ihr Leben lassen. Die Öffentlichkeit und die Opfer haben immer noch an dem zu knacken, was damals geschehen ist, und erwarten zu Recht eine Aufklärung durch die Politik oder durch wen auch immer.
Sie stellen die Fragen: Wie konnte es dazu kommen? Wie hätte man den Täter Anis Amri – es war ein behördenbekannter Gefährder aus Nordrhein-Westfalen – stoppen können? Hätte man damit den Anschlag verhindern können?
Diese Fragen stellen auch wir im Ausschuss. Um diese Fragen aufzuklären, arbeiten wir bis zu zwölf Stunden am Stück.
Ja, Herr Wolf, die Sicherheitsbehörden haben sich diese Fragen gestellt, auch nach Anis Amri. Aber bei aller Gemeinsamkeit, die heute durch große Worte vorgetragen wurde und die Herr Stotko eben ein wenig zu glätten versuchte, bleibt eines festzuhalten: Sie wollten diesen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht. Sie wollten die Klärung dieser Fragen durch das Parlament nicht. Sie haben nicht zugestimmt.
Sie haben eben gesagt, die Frage der Schuld sollte nicht gestellt werden. Ja, sie sollte nicht gestellt werden, weil andere – die Landesregierung, die Staatskanzlei – die Fragen bereits für sich geklärt hatten:
Es gab in Nordrhein-Westfalen Mitte Januar keine Fehler irgendeiner Behördenabteilung. Es gab keine Schuld in Nordrhein-Westfalen, keine Zweifel. – So stelle ich persönlich mir, so stellen wir uns Aufklärung nicht vor. Wir wollen die Aufklärung durch den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben krampfhaft nach einem anderen Mittel der Aufklärung gesucht. Sie haben sich für einen Regierungsgutachter, für ein Gutachten auf Vorschlag der Landesregierung entschieden, ein in meinen Augen mittlerweile offenkundig falscher Weg der Aufklärung, den auch der Gutachter in der Form beschreibt, dass ihm bestimmte Mittel – Zeugenbefragungen – gar nicht zur Verfügung standen und damit wichtige Erkenntnisse nicht in sein Gutachten einfließen konnten.
Wir haben von Anfang an für einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gekämpft, übrigens nicht nur im Land Nordrhein-Westfalen, sondern auch auf der Bundesebene. Das war am Mittwoch ja auch Thema hier im Hohen Hause.
Sie, Herr Mostofizadeh, haben damals gesagt, die CDU hätte es allein durchdrücken können. Aber die CDU ist im Bund in einer Koalition, und auch dort wollte es die SPD nicht. Deswegen können wir nur sagen: Auch andere Ebenen sollten sich der parlamentarischen Untersuchung dieses Themas stellen.
Aber noch einmal: CDU, FDP und Piraten haben sich dieser Herausforderung gestellt und den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gefordert. Nach sechs Wochen und zwölf Sitzungen können wir mit Fug und Recht sagen, dass wir zahlreiche Erkenntnisse gewinnen durften, dass wir heute über Themen sprechen können, die im Januar scheinbar abgeräumt werden sollten.
In zentralen Punkten wissen wir heute mehr als nach vielen Stunden Befragungen und Antworten, die der Innenminister im Innenausschuss, auch in Sondersitzungen, vorzutragen versucht hat. Die Ministerpräsidentin und der Innenminister haben uns und der Öffentlichkeit nach dem Anschlag zu Amri gesagt: Da lagen uns keine Beweise vor, es gab nur Informationen vom Hörensagen.
Jetzt wissen wir, auch durch öffentliche Verlautbarungen in Zeitungen, dass es konkrete Anhaltspunkte, konkrete Informationen gab, die auch Ihnen bereits Anfang Januar vorlagen. Daraufhin wollten Sie uns und der Öffentlichkeit weismachen – in öffentlichen Sitzungen im Innenausschuss, auch in Sondersitzungen –, man hätte den Abschiebeerlass nicht machen können, und zwar mit dem Hinweis auf den Generalbundesanwalt – von der Ministerpräsidentin in Pressekonferenzen –, dass bestimmte Daten und Fakten nicht freigegeben worden wären.
Die Zeugenbefragung des Generalbundesanwalts lässt zumindest einen anderen Blick auf die Sache werfen. Deswegen war der Parlamentarische Untersuchungsausschuss auch an der Stelle ein wichtiger Ort der Aufklärung, um Zahlen, Daten, Fakten zu erhalten.
Selbst Ihr eigener Gutachter sagt: Mit diesen Erkenntnissen und gesammelten Verdachtsmomenten hätte eine Abschiebeanordnung durchaus erfolgreich sein können. – Er konnte es wohl nicht besser wissen, weil ihm Informationen nicht vorlagen.
Noch eine der Öffentlichkeit vorgetragene Information war, alle wesentlichen Entscheidungen zu Amri seien im GTAZ getroffen worden. Was ist überhaupt das GTAZ? Werden dort Entscheidungen getroffen? Wie viele Behörden sind dort beteiligt? Wie oft sind sie beteiligt, und wie läuft es im GTAZ ab? Das war ein wichtiger Bestandteil der Fragen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, die zu dem Ergebnis geführt haben, dass im GTAZ nicht die Entscheidungen getroffen wurden, sondern diese am Ende des Tages, wenn die Ebene Nordrhein-Westfalen angesprochen wurde, durch das Ministerium in Nordrhein-Westfalen getroffen wurden und von dort der Abschiebeerlass abgelehnt wurde.
Heute wird uns ein Zwischenergebnis, ein Zwischenbericht vorgelegt. Sie haben eben gesagt: keine Beweiswürdigung. – Wir sagen das heute auch. Wenn von über 800 Seiten Zeugenbefragungen heute 60 bis 70 Seiten vorgelegt werden,
dann ist das für uns keine Beweiswürdigung. Denn Informationen, die auf den anderen Seiten gegeben wurden, werden weggelassen. Die Anzahl der Fragen, die an eine Person bis zu einer Antwort gerichtet wurden, wird weggelassen.
Sie legen einen Zwischenbericht vor, der für Sie unter bestimmte Zeugenbefragungen quasi schon einen Schlussstrich ziehen soll, ohne an die entscheidende Ebene heranzureichen, ohne beispielsweise die Ausländerbehörde Kleve – immer wieder in aller Munde – überhaupt einmal gehört zu haben.
Sie werfen der Opposition vor, dass dieser Parlamentarische Untersuchungsausschuss nur aus wahlkampftechnischen Gründen eingesetzt wurde. Sie haben eben aus nichtöffentlichen Teilen das Abstimmungsverhalten zu dem Punkt zitiert, bestimmte Zeugen zu befragen oder nicht zu befragen. Hier darf man die Frage stellen, ob Sie das tun durften. Daran mache ich es aber gar nicht fest.
Was Sie verschweigen, ist: Uns ging es um den chronologischen, den sinnvollen Aufbau von Zeugenbefragungen, abzuschichten, normal vorzugehen wie jeder andere Parlamentarische Untersuchungsausschuss auch. Das sind wir den Opfern, das sind wir der Öffentlichkeit schuldig.
Sie machen es hier ähnlich wie beim Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Silvesternacht. Sie versuchen, Ihre Deutung hineinzugeben, letztendlich Ihre Sicht der Dinge in der Öffentlichkeit darzustellen.
Sie beantragen das sogar? Wir haben darüber gesprochen, wie wir uns einen Zwischenbericht vorstellen können. Dabei ging es darum, die Protokolle zu veröffentlichen, auf die Zeugen hinzuwirken und zu fragen: Musst du die zehn Tage wirklich in Anspruch nehmen, oder können wir sie schneller veröffentlichen?
Dann haben Sie und der Vorsitzende erklärt: Im Hinblick auf die weiteren Zeugenbefragungen, im Hinblick darauf, dass der Parlamentarische Untersuchungsausschuss am Ende der Legislaturperiode nicht beendet werden kann, sollten wir darüber nachdenken, diese Informationen nicht zu veröffentlichen, um anderen Zeugen nicht die Möglichkeit zu geben, hineinzuschauen.
Letztendlich haben Sie unseren Vorschlag abgelehnt, und heute sagen Sie: Wir wollen so vorgehen. – Wenn das Kollegialität ist, wenn das wirklich ehrliche Aufarbeitung ist, dann haben Sie der Aufklärung heute einen Bärendienst erwiesen.
Besten Dank, Herr Vorsitzender. – Besten Dank, Herr Sieveke. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass zumindest ich in meiner Person nicht gesagt habe – ich glaube, auch die SPD nicht –, dass es um Zeugen geht, sondern seitens der Verwaltung durch den Vorsitzenden ist der Versuch gemacht worden, der Verpflichtung nachzukommen, alle Protokolle gegenzulesen, um festzustellen, ob aus vertraulichen Akten zitiert wird, und dass die Protokolle erst veröffentlicht werden können, wenn diese Durchsicht möglich war? Uns ist signalisiert worden: Bis zum heutigen Tag, bis zum Zwischenbericht, ist das aus Ressourcengründen – wegen der wenigen Mitarbeiter – nicht möglich.