Herr Kollege Stotko, wir nehmen zur Kenntnis, dass Sie den Zwischenbericht so darstellen wollten, wie Sie ihn uns vorgelegt haben, und dass Sie mit wohlfeilen Worten der Öffentlichkeit und diesem Hohen Hause suggerieren, als ob Sie an einer wirklichen Aufklärung interessiert seien.
Ob etwas, was ich hier vortrage, unverschämt ist oder nicht, haben nicht Sie zu beurteilen, sondern am Ende des Tages die Öffentlichkeit.
Sie, Frau Ministerpräsidentin, können Rede und Antwort stehen. Genau darum ging es auch in der Zwischenfrage des Kollegen Stotko.
Sie haben Anfang/Mitte Januar die Operation „Licht aus, Deckel drauf“ gestartet. Sie haben von Anfang an gesagt: In Nordrhein-Westfalen ist alles richtiggemacht worden. Es gibt keine Zweifel an den Verantwortlichen in Nordrhein-Westfalen. Wir haben alles richtiggemacht. – Heute werden Sie durch die Erkenntnislagen Ihrer eigenen Sicherheitsbehörden eines Besseren belehrt. Deswegen sind Sie so nervös.
Das wird in den nächsten Tagen durch die intensive Beratung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, den Sie persönlich auch nicht wollten, weiter vorangetrieben. Es zieht sich wie ein roter Faden durch Ihre Politik und durch die Politik des Innenministers: Sie wollen nicht aufklären, Sie kleben an Ihrem Stuhl. – Die Öffentlichkeit wird es Ihnen beweisen.
Daran sind wir nicht nur interessiert, sondern wir kämpfen dafür, dass die Wahrheit ans Licht kommt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Zwischenbericht, die Pressekonferenzen der Ministerpräsidentin und die Antworten unseres Innenministers im Ausschuss haben gezeigt: Sie haben eine voreilige Bewertung vorgenommen. – Durch den Regierungsgutachter wollten Sie den Deckel draufmachen. Das haben Sie nicht geschafft. Die ehrliche Aufklärung fällt Ihnen vor die Füße, und das ist gut so.
Dienst für die öffentliche Aufklärung geleistet. Das war bis heute so, und das wird in den nächsten Wochen und über diese Legislaturperiode hinaus weitergehen. Dafür bin ich dankbar, und daran werden wir intensiv und in vielen Sitzungen weiterarbeiten. – Vielen Dank.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! In der Sitzung des sogenannten GTAZ, des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums, am 2. November stellte man gemeinsam Folgendes fest – ich zitiere aus der Chronik, die auch veröffentlicht wurde –:
Das war sechs Wochen vor der Tat. Die Menschen fragen sich zu Recht: Warum wurde noch am 2. November eine solche Fehleinschätzung vorgenommen? – Es war im Nachhinein ein fataler Fehler, Amri so zu unterschätzen. Genau der Frage gehen wir im Untersuchungsausschuss nach – auch alle meine Vorredner haben sie gestellt –: Warum konnte das passieren?
Herr Sieveke, um die Geschichtsklitterung, die Sie hier betreiben, nicht im Raum stehen zu lassen: Wir haben uns zum Einsetzungsbeschluss enthalten, weil die CDU-Fraktion es einfach abgelehnt hat – wo ist er? –,
die meisten unserer Änderungsanträge, die den Blickwinkel erweitern, in den Einsetzungsbeschluss aufzunehmen. Zum Beispiel haben Sie die Erwähnung des Landes Berlin in der Zuständigkeit – nur in
der Sachverhaltsdarstellung, noch nicht mal im Untersuchungsauftrag – abgelehnt. Außerdem enthielt Ihr Einsetzungsbeschluss massive Vorverurteilungen und Spekulationen. Daher die Enthaltung.
Das hat nichts damit zu tun – das haben wir im Ausschuss und im Plenum mehrfach deutlich gemacht –, dass ich für meine Fraktion sagen kann, dass wir uns sehr ernsthaft und sehr wohl konstruktiv an der Aufklärung beteiligen.
Zur Überschrift „Scheinheiligkeit“: Herr Sieveke, Sie machen uns hier den Vorwurf einer vorgezogenen Beweiswürdigung allein aus der Tatsache heraus, dass wir einen Zwischenbericht beschlossen haben, der heute vorgelegt wird. Ihre Rede, Herr Sieveke, war eine Aneinanderreihung von Schuldzuweisungen. Sie sind es, der hier permanent Schlussstriche zieht und sagt, wer schuld ist, und das auch noch während laufender Zeugenvernehmungen.
Über die These, dass eine reine Zusammenfassung der Zeugenbefragung per se eine Wertung darstellt, kann man auf der ganz abstrakt-juristischen Ebene wahrscheinlich tagelang in juristischen Seminaren streiten. Aber wenn man das zu Ende denkt, diese Frage bejahen und sagen würde, ja, das ist per se schon einen Wertung, würde doch die Rechtsgrundlage für einen Zwischenbericht nach § 24 Abs. 5 Untersuchungsausschussgesetz faktisch ins Leere laufen. Politisch gesprochen hat sich Gesetzgeber doch etwas dabei gedacht. Dort heißt es:
„Der Landtag kann vom Untersuchungsausschuss jederzeit bei Vorliegen eines allgemeinen öffentlichen Interesses oder wenn ein Schlußbericht vor Ablauf der Wahlperiode nicht erstellt werden kann,“
Der Gesetzgeber hat sich doch irgendetwas dabei gedacht. Er hat sicher nicht gewollt, dass ein solcher Zwischenbericht bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses – das haben wir doch nun einmal – aus einer Zeugen- und Terminliste, vielleicht noch einem Aktenverzeichnis und dem Einsetzungsbeschluss besteht. Das öffentliche Interesse besteht doch darin, auch inhaltlich über die Arbeit des PUA informiert zu werden. Das möchten wir ausdrücklich. Ja, das möchten wir in der letzten Sitzung dieser Legislaturperiode dieses Landtags tun. Genau das macht der Zwischenbericht jetzt. Genau das hat der Landtag beschlossen.
Herr Sieveke, nach Abschluss der Untersuchung werden natürlich auch alle Protokolle veröffentlicht. Wir werden das heute noch einmal in den Untersuchungsausschuss einbringen und ausdrücklich
durch einen Antrag bekräftigen. Sie wissen genauso gut wie alle anderen, die schon Untersuchungsausschussarbeit geleistet haben, dass solch eine Veröffentlichung immer nach Abschluss der Untersuchung erfolgt, weil dieser Vorlauf benötigt wird, um Persönlichkeitsrechte und Datenschutzaspekte zu würdigen. Selbstverständlich wird die Öffentlichkeit all diese Protokolle bekommen. Sie verschwinden eben nicht, wie Sie es darstellen, in irgendwelchen geheimen Stahlschränken des Landtages.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich nenne zwei Beispiele, an denen deutlich wird, dass der immer wieder in den Raum gestellte Vorwurf eben nicht zutrifft. Gleich spricht Herr Dr. Stamp und wird sagen: Tricksen, Täuschen, Vertuschen. – Mögliche Widersprüche und unterschiedliche Einschätzungen werden sehr wohl transparent dargestellt und dokumentiert, aber nicht – wie Sie es permanent tun, Herr Sieveke – abschließend bewertet.
Erstens. Der Generalbundesanwalt hat gesagt, es wurde keine förmliche Anfrage zur Freigabe von Informationen zur Durchsetzung einer Abschiebungsanordnung nach § 58a gestellt. Der vermeintliche Widerspruch liegt darin, dass der Zeuge Kretschmer – den Sie das im Übrigen gar nicht gefragt haben, aber das sei dahingestellt – danach gesagt hat, nach seinen Aktenkenntnissen habe sich die Siko sehr wohl entschieden, diese Freigabe zu beantragen. Das hat er sich nicht ausgedacht, sondern das weiß er aus Akten. Er geht davon aus, dass sie es auch gemacht hat.
Das steht erst einmal im Raum. Das haben wir dokumentiert. Diesen Fragen werden wir selbstverständlich weiter nachgehen.
Zweitens. Wo da die Wertung ist, frage ich Sie. Sie sind während der Zeugenbefragung hinausgegangen und haben gesagt: Dieses Gutachten ist diskreditiert, weil der Generalbundesanwalt das gesagt hat. Dieser hat recht und jener hat unrecht. Ich, Sieveke, ziehe einen Schlussstrich und fälle einen Schuldspruch. – Sie haben Vorfestlegungen gemacht, nicht wir.
Wir haben uns konstruktiv an der Zeugenbefragung beteiligt, statt draußen in den Kameras Schuldsprüche zu veröffentlichen.
Der aus meiner Sicht nächste Beleg dafür, warum wir sehr transparent auch widersprüchliche Rechtseinschätzungen dokumentiert haben, ist § 62 Sicherungshaft, besser bekannt als Abschiebungshaft. Auch hierzu haben wir zwei unterschiedliche Einschätzungen. Ich möchte hier nicht rechtlich in der
Tiefe würdigen, mit welchen Begründungen sie vorgetragen wurden. Dafür reicht die Zeit nicht. Aber nach intensiven Befragungen sagen das Landesinnenministerium und der Gutachter, dass Abschiebungshaft hier nicht hätte beantragt werden können, weil die Voraussetzungen schlicht und einfach nicht vorlagen.
Ich meine, eine Behörde darf das dann auch nicht tun. Herr Dr. Stamp meint ja, wir bräuchten solche Probierbehörden, wie der Zeuge Freier sie genannt hat. Ich möchte ausdrücklich nicht, dass Behörden, die ganz klar zu der Auffassung kommen, es gibt keine Rechtsgrundlage für einen Fall, es trotzdem einmal versuchen.
Nein, hier hat eine Behörde entschieden. Ich möchte keinen Rechtsstaat, der aus Probierbehörden besteht. Aber da haben wir vielleicht unterschiedliche Rechtsstaatsauffassungen, Herr Dr. Stamp.
Das Landesinnenministerium sagt: Wir sahen die Rechtsgrundlage nicht. Also gab es diesen Antrag auch nicht. – Der Bundesinnenminister sagt das Gegenteil. Ja, genau das steht auch in dem Bericht. Er sagt, man hätte eine Abschiebung beantragen können, weil man Amri hätte zurechnen können, dass er sich nicht selbst an seiner Abschiebung beteiligt. Deswegen entsteht aufgrund dieser Kausalität erst gar nicht diese Dreimonatsfrist. Der Bundesinnenminister bezieht sich ausdrücklich auf diesen Kausalitätsgrundsatz.
Ich möchte das nicht vertiefen. Zwei Rechtsauffassungen wurden genannt. Wir schreiben sie in den Bericht. Herr Dr. Stamp, wir sind nicht an der Stelle, jetzt zu sagen: Dieser hat recht und jener hat unrecht. – Herr Sieveke, ich finde es nicht in Ordnung, dass Sie hinausgehen und sagen: Okay, wir haben die eine Rechtsauffassung gehört. Abschiebungshaft hätte beantragt werden können. Punkt. Der Innenminister ist schuld. – Nein, an dieser Stelle sind wir nicht.
Deswegen wird noch einmal ausdrücklich an diesen zwei Beispielen belegt: Wir geben hier einen Zwischenbericht – nicht mehr und nicht weniger –, der transparent deutlich macht, an welcher Stelle der Untersuchung wir sind. Da gibt es Widersprüche. Da gibt es unterschiedliche Bewertungen. Diese dokumentieren wir hier, damit die Öffentlichkeit informiert wird; denn sie hat ein Recht darauf, über unsere Arbeit informiert zu werden.
Die Legislaturperiode endet für mich und für uns nicht am 14. Mai, sondern am 31. Mai. Bis dahin werden wir objektiv, transparent und konstruktiv den Auftrag weiterverfolgen, an der Aufarbeitung dieses Anschlags mitzuwirken. – Danke schön.