Protokoll der Sitzung vom 07.04.2017

Ich habe gestern betont, dass mich der Umgang hier im Parlament manchmal bekümmert. Aber der heutige Tag hat gezeigt: Es geht doch. Im Plenum werden manche Verbalinjurien vorgebracht, in den Ausschüssen schon weniger. In den Enquetekommissionen und in den Parlamentariergruppen herrscht eine andere Zusammenarbeit. Ich kann das nur für die Parlamentariergruppen NRW-China oder NRWTürkei sagen. Da gehen wir doch eigentlich sehr vernünftig und respektvoll miteinander um.

Man muss den politischen Mitdiskutanten nicht als Gegner und schon gar nicht als Feind sehen. Wir sollten mehr das Gemeinsame in den Vordergrund stellen, müssen dann allerdings Alternativen aufzeigen. Diese müssen sehr deutlich sein; denn wenn ich einen Kompromiss finden will, muss ich einen Maßstab haben, an dem ich ihn messe. Das können nur die Grundsatzpositionen sein.

Meine Damen und Herren, mit Blick auf die Regierungsfraktionen: Stark zu sein heißt, Schwäche zeigen zu können. – Deswegen wäre es ganz gut, wenn die Regierungsfraktionen auf die Opposition zugingen, um das Gemeinsame zu betonen und auch deren Gedanken aufzunehmen.

Ich möchte mich für die Zusammenarbeit und die Diskussionen bedanken. Das habe ich gestern gemacht, aber eines haben wir meiner Meinung nach vergessen. Ich kenne aufgrund meines Berufsweges zahlreiche Verwaltungen. Ich habe noch keine Verwaltung kennengelernt, die so kundenorientiert ist, die so hilfsbereit und kompetent ist und für uns Abgeordnete manches Unmögliche möglich macht. Das fängt beim Pfortendienst an und geht über den Hausdienst, das Catering, den Stenografischen Dienst und die Beihilfestelle bis in die Leitungsebenen. Wenn man Fragen und Bitten hatte, wurden sie immer aufgegriffen und möglichst erfüllt. Ich möchte persönlich herzlichen Dank dafür sagen, dass das alles so gut geklappt hat.

(Beifall von der FDP, der SPD, der CDU, den GRÜNEN und Dietmar Schulz [fraktionslos])

Für mich selbst fasse ich das so zusammen: Wer mit dieser Landtagsverwaltung Probleme hat oder nicht klarkommt, der muss sich fragen, ob er nicht selbst etwas falsch macht.

Deswegen möchte ich den Kolleginnen und Kollegen wirklich herzlichen Dank für die Mitarbeit und auch für die Streitgespräche sagen. Ich wünsche, dass wir in Nordrhein-Westfalen weiter ein lebendiges Parlament haben. Aber gehen Sie mehr aufeinander zu und greifen Sie weniger zu Verbalinjurien. – Schönen Dank.

(Vereinzelt Beifall von der FDP)

Jetzt habe ich noch etwas dabei; Frau Beer, Sie fragten, was das ist. Ich habe einmal im Ministerium in der Arbeitsgruppe „Leitentscheidung Garzweiler II“ mitgearbeitet. Ich habe in meinen Akten nachgesehen und den Kollegen van den Berg und Dr. Hachen die Leitentscheidung aus dem Jahr 1991 kopiert, 125 Seiten. Wenn man das liest, stellt man fest: Das ist eine runde Sache. – Viele Fragen, die heute emotional gestellt werden, sind damals angedacht worden. Die Kollegen Wittmann, Maatz, der spätere Staatssekretär Dr. Ritter, Klaus Matthiesen und Herr Baedeker – wir haben uns wirklich viel Mühe gemacht.

Deswegen ist es mir schwergefallen, festzustellen, mit welcher Nonchalance man locker sagt: Wir nehmen hier soundso viele Vorräte mal eben weg. – Das hat diese Leitentscheidung so nicht verdient. Ich habe eigentlich erwartet, Klaus Matthiesen macht den Deckel auf und kommt heraus. Das hat er nicht gemacht, das ist zu spät. So eine Sache hätte es damals nicht gegeben. Deswegen habe ich für Sie, Herr van den Berg und Herr Dr. Hachen, je ein Exemplar mitgebracht.

Schönen Dank für die Zusammenarbeit. Alles Gute Ihnen persönlich! Ich wünsche mir ein Wahlergebnis, das gut für Nordrhein-Westfalen ist. – Danke schön.

(Beifall von allen Fraktionen)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. Er verteilt, wie man ihn kennt, immer noch eifrig seine Schriftstücke. Mit Holger Ellerbrock, liebe Kolleginnen und Kollegen, scheidet ein Abgeordneter aus, der sich – das weiß jeder, der mit ihm zu tun hatte – mit Sachverstand, Engagement und unverwechselbarer Originalität in die Arbeit des Parlaments eingebracht hat. Dafür, lieber Holger, gebührt dir unser aller Dank.

(Beifall von allen Fraktionen)

Und ich kann mir die Bemerkung nicht verkneifen: Die Ausfallwahrscheinlichkeit der Mikrofonanlage wird in Zukunft eher geringer sein, weil der übliche Funktionstest bei Anfragen an wen auch immer möglicherweise unterbleibt.

(Heiterkeit)

Alles Gute, Holger Ellerbrock, im Namen des gesamten Hohen Hauses.

(Beifall von allen Fraktionen)

Jetzt hat für die Landesregierung Frau Ministerin Schulze das Wort. – Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Rund um Garzweiler im Rheinischen Revier hat der städtebauliche Wandel, wie Sie wissen, eine jahrzehntelange Tradition. Hier werden seit jeher Orte neu geplant und gebaut, weil der Tagebau die alten verdrängt hat. Nirgendwo, außer vielleicht in den Niederlanden, hat man mehr Erfahrung mit der Verwirklichung von Städtebauprojekten nach jeweils neuestem Stand als in der Gegend westlich von Köln und Düsseldorf.

Deshalb ist der Vorschlag der Piraten – eine smartgerechte Großstadt soll bei Garzweiler entstehen – nicht besonders neu. Schon vor Monaten hat die Fraktion der SPD einen ähnlichen, allerdings deutlich anspruchsvolleren Vorschlag gemacht: die Planung

einer Stadt nach neuesten energetischen, städtebaulichen und infrastrukturellen Standards, eine Idee ganz in der Tradition des Rheinischen Reviers. Diesen Vorschlag der SPD-Fraktion halten der Wirtschaftsminister, den ich heute vertrete, und die Landesregierung für deutlich weitreichender und zielgerichteter als den vorliegenden Antrag der Piraten.

Im Übrigen arbeiten wir längst in engem Schulterschluss mit den Verantwortlichen im Rheinischen Revier an konkreten Zukunftsperspektiven. Ich nenne nur einige wenige Beispiele:

Vor wenigen Tagen hat die Frau Ministerpräsidentin den Startschuss für das Projekt „Quirinus“ in Elsdorf gegeben. Bei diesem anspruchsvollen, bereits jetzt europaweit beachteten Vorhaben geht es um das regionale Energiemanagement, eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende. Es ist gerade schon von diesem virtuellen Kraftwerk die Rede gewesen.

Mit dem Campus Merscher Höhe und der „Klimahülle“ wollen Investoren und Kommunen im Rheinischen Revier weitere zukunftsweisende Akzente zur Energiewende setzen. Zurzeit werden die Planungs- und Bewilligungsunterlagen aufbereitet.

Wir unterstützen zusammen mit der Innovationsregion Rheinisches Revier GmbH rund 20 Gebietskörperschaften unter anderem bei der Planung von Gewerbe- und Industrieflächen, um Raum für zukunftsfeste Beschäftigung und Strukturanpassung zu schaffen. Das gilt für die Tagebauränder Inden, Garzweiler und Hambach genauso wie für das Industriedrehkreuz Weisweiler, wo das Konzept der Werkstattgespräche zur Entwicklung des Standorts vor drei Wochen den Verantwortlichen vor Ort vorgestellt wurde. Übrigens geschieht all dies vorbildlich interkommunal, zum Teil über Grenzen von Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken hinweg.

Sie haben gerade schon gehört, dass das Rheinische Revier auch eine der bedeutendsten Wissenschaftsregionen ist, mit besonders hervorragenden Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

Meine Damen und Herren, eine letzte Anmerkung zu Ihrem Vorschlag, eine Sonderwirtschaftszone in der Region einzurichten: Das ist weder neu noch originell. Es ist zudem europarechtlich schlicht unzulässig. Die Gründe liegen auf der Hand: Eine Sonderwirtschaftszone führt zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU, der Bundesrepublik Deutschland und Nordrhein-Westfalens. Das kann niemand ernsthaft wollen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Jetzt hat sich noch einmal Herr Kollege Bayer zu Wort gemeldet.

(Zurufe von der CDU: Oh, nein! – Torsten Sommer [PIRATEN]: Jetzt genießt es doch noch einmal!)

Was immer Sie uns sagen wollen, Herr Kollege, es sollte nicht länger als 45 Sekunden dauern.

Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Glauben Sie mir, ich weiß durchaus Bescheid, was in der Innovationsregion Rheinisches Revier diskutiert wird und kenne Idealstädte sowohl aus der Theorie als auch aus der Praxis!

Ich habe daran das aufgehängt, was der Psychologe Christian Kohlross folgendermaßen beschrieb: Die Symptome von Utopielosigkeit sind die gleichen wie die einer agitierten Depression: „ängstliche Unruhe, ein gesteigertes mediales Mitteilungsbedürfnis, eine notorische Unzufrieden- und eben Hoffnungslosigkeit.“ Wir bemerken diese Symptome in NRW. Aber das hat NRW gar nicht verdient.

Lassen Sie uns also dieses Mantra der Alternativlosigkeiten abstreifen, lassen Sie uns die Utopielosigkeit der Politik in NRW beenden, …

Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Kollege.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

… Neues wagen, Risiken erlauben und die heraufbeschworene Kultur des Scheiterns ernst nehmen – gerade in der Politik. Wir haben ja gerade gesehen …

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende. Einen Satz bitte noch.

Okay. – Ich werde Ihnen das alles am besten nachher noch aufschreiben.

Vielen Dank, das war der Satz.

(Heiterkeit – Vereinzelt Beifall von der SPD und der CDU)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende, und Sie haben nicht mehr das Wort.

(Oliver Bayer [PIRATEN]: Leben in NRW braucht Utopie! Vielen herzlichen Dank! – Bei- fall von den PIRATEN)

So weit Herr Kollege Bayer mit seinem Beitrag. – Frau Kollegin Beer zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist zugegebenermaßen geschäftsordnungsmäßig vielleicht nicht richtig, wie ich mich jetzt gemeldet habe. Aber eines darf auch nicht passieren: Ich habe mitbekommen, dass der Vizepräsident Herr Dr. Papke dem nächsten Parlament nicht mehr angehören wird. Darum möchte ich mich ganz herzlich bedanken für Ihre Arbeit, die Diskussionen und Kontroversen und auch Ihre faire Amtsführung hier. – Ich dachte, dass sollte das letzte Wort heute sein. – Danke!

(Allgemeiner Beifall)

Vielen lieben Dank, Frau Kollegin Beer und Ihnen allen, meine Kolleginnen und Kollegen! Sie haben mich manches Mal sprachlos gemacht, Frau Kollegin Beer,

(Heiterkeit)

aber dieses Mal wird es mir in besonders netter Erinnerung bleiben – vielen herzlichen Dank!

Aber noch sind wir nicht ganz am Ende. Wir sind am Ende der Aussprache, aber wir haben ja noch eine Abstimmung – die wollen wir nicht unter den Tisch fallen lassen – über den gerade debattierten Antrag der Piraten.