Protokoll der Sitzung vom 07.04.2017

(Beifall von der FDP)

Zweitens. Herr Remmel, Sie haben das Ziel der Gebäudesanierungsrate angesprochen. Da sind wir uns beim Ziel absolut einig; hier schlummert ein großes, großes Potenzial. Das Problem ist: Reden und Handeln passen bei dieser Landesregierung nicht zusammen.

(Beifall von der FDP)

Denken wir einmal kurz zurück an die Entscheidung im Bundesrat im Dezember 2012. Es gab Vorschläge von der damaligen Bundesregierung, steuerliche Anreize ergänzend zu KfW-Förderprogrammen zur energetischen Gebäudesanierung zu setzen, damit wir zum Ziel einer zweiprozentigen Sanierungsquote kommen. Diese Landesregierung hat aus parteitaktischen Überlegungen zum damaligen Zeitpunkt eine Einigung verhindert und blockiert.

Vorher haben Sie hier, Herr Remmel, immer im Plenum gesagt, es sei alles an Bayern gescheitert. Später mussten Sie in einer Kleinen Anfrage – ich habe sie eben herausgesucht; die Antwort finden wir in Drucksache 16/11485 – zugeben, dass NordrheinWestfalen auch dagegen gestimmt hat. Heute fordern Sie die höhere Gebäudesanierung; 2012 haben Sie einen wichtigen Schritt in diese Richtung verhindert.

Der bundesweite Anstieg der Treibhausgas-Emissionen im vergangenen Jahr ist nämlich nicht auf die Kohleverstromung zurückzuführen. Sie ist insbesondere zurückzuführen auf eine kühle Witterung und eben auf eine zu geringe Gebäudesanierungsrate.

(Beifall von der FDP)

40 % der Endenergie, die in Deutschland verbraucht wird, landet in den Gebäuden.

Mit Blick auf die Bundesebene will ich ergänzend sagen: Es ist weiterhin auch falsch, mit der neuen Energieeinsparverordnung 2016 eine Konzentration auf Neubauten fortzusetzen. Dazu haben wir in den letzten Plenarwochen auch Debatten geführt. Die neueste Stufe der EnEV führt laut Bauexperten zu weiteren Baukostensteigerungen von 7 bis 8 % in einem Bereich, wo wir schon ein weltweit führendes Niveau erreicht haben.

Warum konzentrieren wir uns nicht viel, viel mehr auf die Sanierung im Bestand? Und wo, Herr Minister Remmel – Nordrhein-Westfalen hat dieser EnergieEinsparverordnung im Bundesrat zugestimmt –, waren denn in dem Zusammenhang eigentlich Ihre Initiativen konkret zu einer Konzentration, zu einem Fokus hin zu einer höheren Sanierungsrate?

(Beifall von der FDP)

Von der Wirtschaft, von den Verbrauchern, von allen Akteuren verlangt diese Landesregierung gerne viel, gerade im Bereich Klimaschutz. Da können die Anstrengungen gar nicht gut genug sein, die Daumenschrauben können gar nicht fest genug sein – entweder es ist unerreichbar, oder es ist absurd. Es gab ja tolle Vorschläge, die wir auch oft genug diskutiert haben, im Klimaschutzplan – denken Sie an solche Kampagnenideen wie den Verzicht auf einen Trockner zugunsten einer Leine.

Aber wo diese Landesregierung es selber in der Hand hat – und da komme ich wieder zurück zum Thema Gebäude –, da versagen Sie. So deutlich muss man das sagen. Ich spreche über das Thema der klimaneutralen Landesverwaltung: § 7 des Klimaschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen, das ja mit den Stimmen von Rot-Grün und Piraten beschlossen wurde – umso erstaunlicher, dass von deren Seite gar nicht nachgefragt wird –, besagt, dass das Land bis 2030 eine klimaneutrale Landesverwaltung sicherstellen muss. Das Gesetz schreibt im gleichen Paragrafen auch vor, dass das Konzept, wie diese

klimaneutrale Landesverwaltung zu erreichen ist, als Teil des Klimaschutzplans vorzulegen ist. Dieser Plan hätte 2013 vorgelegt werden sollen. Vorgelegt wurde er 2015 – gesetzeswidrig.

Nun könnte man sagen: Na ja, zwei Jahre Verspätung, aber vielleicht befindet sich immerhin das Konzept zur klimaneutralen Landesverwaltung darin. Aber weit gefehlt! Abschnitt II.6 stellt auch nur fest, dass sich der BLB in der Zukunft darum kümmern solle. Bis Ende 2016 sollte es ein Konzept geben. Anfang 2017 stellen wir fest: Die Geschäftsstelle „Klimaneutrale Landesverwaltung“ im Hause des Umweltministers hat jetzt ihre Arbeit aufgenommen. Demnächst fangen die entsprechenden Arbeitsgruppen an. Passiert ist aber weiterhin nichts. Das ist ein Rechtsbruch mit Ansage.

(Beifall von der FDP – Minister Johannes Remmel: Dann müssen Sie aber vollständig berichten!)

Herr Remmel, Sie haben eben über die eigene Verantwortung gesprochen – herzlich gern. Wir warten seit 2013 auf das fertige Konzept.

(Stefan Engstfeld [GRÜNE]: Das glaube ich, ha ha!)

Darüber hätten wir schon lange diskutieren können.

(Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Die Grünen haben so viel Energie, weil sie bei den Kollegen der SPD eben nicht klatschen konnten. Darum ruft ihr jetzt so viel dazwischen; das ist auch klar.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU] – Zuruf von Stefan Engstfeld [GRÜNE])

Herr Kollege Engstfeld, ich kann Ihnen sagen, was lächerlich ist. Sie haben für ein Gesetz gestimmt, das eine klare Regelung enthält, wann die Landesregierung was vorzulegen hat. Darauf warten wir seit Jahren. Da ist überhaupt nichts passiert. Wer macht sich denn hier eigentlich lächerlich? Wer begeht denn hier eigentlich Rechtsbruch? Das fällt doch alles auf Sie zurück.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, es gibt technisch gesehen viele Wege, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Wir meinen, dass Wirtschaft, Industrie und Forschung Teil der Lösung und nicht Teil des Problems sind. Wir meinen auch, dass jede gesellschaftlich akzeptierte Technologie gleichermaßen hilfreich ist, die sich marktwirtschaftlich behaupten kann, die eine sichere Energieversorgung gewährleistet.

Wichtig ist aber, dass das technologieneutral passiert. Wichtig ist, dass Politik sich nicht anmaßt, über 20, 30 oder 40 Jahre im Voraus schon zu entscheiden, welche Technologien sich wie entwickeln werden und worauf wir in Zukunft zurückgreifen wollen.

Das EEG ist eines der schlimmsten Beispiele, weil es zum aktuellen Zeitpunkt nicht mehr effektiv, nicht mehr zeitgemäß und nicht technologieoffen ist. Darum braucht es eine grundlegende Korrektur. Davon würde auch Nordrhein-Westfalen profitieren. Wir brauchen weniger bürokratische Hürden beim Direktverbrauch und bei der Direktvermarktung, um es marktbasierten Geschäftsmodellen bei der Stromerzeugung etwas einfacher zu machen.

Wir sollten mit Blick auf den Emissionshandel etwas größer denken. Diese Landesregierung hat in den letzten Jahren vor allem viel Zeit damit verbracht, zu behaupten, der europäische Emissionshandel sei gescheitert. Ich habe eben zu meiner großen Freude wahrgenommen, Herr Minister Remmel, dass Sie sehr wohl beobachten, welche Möglichkeiten es in naher Zukunft geben könnte, weltweit auf ein solches System zurückzugreifen – das ist wunderbar –: marktwirtschaftlich und technologieneutral. Das wäre dieses Level-Playing- Field, was in Bonn auch angestrebt wird. Das ist insofern auch für das Energieland Nummer eins besonders wichtig, weil Energie weiterhin eine ganz zentrale Rolle beim Klimaschutz spielen wird.

Meine Damen und Herren, das Abkommen von Paris – damit habe ich meine Rede begonnen – war und ist ein großer Erfolg. Die nächsten großen Herausforderungen stehen in Bonn im November vor der Tür, wenn es um die Konkretisierung der Maßnahmen und die entsprechende Kontrolle geht.

In der Welt dreht man mehrheitlich an großen Rädern. Nordrhein-Westfalen verheddert sich weiterhin viel zu viel im Klein-Klein

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

und wird der eigenen Verantwortung, wie am Beispiel „klimaneutrale Landesverwaltung“ ersichtlich ist, nicht im Ansatz gerecht. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Höne. – Nun spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Brems.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Im November – das haben wir eben gehört – ist die Welt zu Gast in Nordrhein-Westfalen. Die Welt schaut dann auf Nordrhein-Westfalen und fragt: Was passiert in Sachen Klimaschutz? – Ich hoffe, wir können dann nicht nur auf unsere nordrhein-westfälischen Bemühungen bezogen sagen: Es passiert viel, und viele packen an, dass es auch wirklich gelingt.

(Die Rednerin hält ein Blatt mit zwei Fotos hoch.)

Das hier sind Chinma George und A. G. Saño. Sie waren in der vergangenen Woche hier im Landtag. Sie sind so etwas wie Vorboten für die Klimakonferenz gewesen. Leider sind sie auch so etwas wie Vorboten für die Klimakatastrophe. Denn für Millionen von Menschen auf der Erde ist die Klimakatastrophe nicht düstere Zukunft, sondern schon heute bittere Realität.

Chinma George kommt aus Nigeria. Der Norden Nigerias ist mit der Region des Tschadsees schon heute vom Klimawandel sehr stark betroffen. Der Tschadsee war 1960 so groß wie Nordrhein-Westfalen, heute ist er noch so groß wie Berlin. Das Klima sorgt für immer weniger Niederschläge, eine Ausbreitung der Sahara und dafür, dass der See immer kleiner wird. 20 Millionen Menschen in der Region sind direkt oder indirekt von diesem See abhängig.

Ein Grund für das Erstarken der Terrororganisation Boko Haram ist das Verschwinden des Sees. Wer keine Perspektive hat, flüchtet sich in Extreme. 2,7 Millionen Menschen in der Tschadseeregion sind auf der Flucht vor Boko Haram. In Nigeria brauchen wir also nicht nur in die ferne Zukunft zu blicken; dort gibt es indirekt schon heute Klimaflüchtlinge, und es werden mehr erwartet. Denn die 14-Millionen-Megacity Lagos liegt eingekreist von Meer und Lagune. Der steigende Meeresspiegel hat hier also direkten Einfluss auf Millionen von Menschen.

A. G. Saño kommt von den Philippinen. Er hat den Taifun Haiyan erlebt. Dieser Taifun überstieg alles, was bis dahin bekannt war, alle bekannten Windgeschwindigkeiten. Er sorgte für Millionen von Obdachlosen und Zehntausende Tote. A. G. Saño überlebte den Taifun, verlor aber viele Freunde und Familienmitglieder. Seitdem es diesen Taifun gab, gibt es immer mehr und immer heftigere Taifune.

Übrigens, liebe Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, hatte jede Fraktion die Chance, die beiden Klimaaktivisten zu treffen. Aber außer uns und den Piraten hatte niemand ein Interesse, den dringenden Appell der beiden zu hören, den sie an uns gerichtet haben: Wir brauchen euch im Parlament. Wenn ihr nicht für den Kohleausstieg kämpft – wer ist dann noch für uns da?

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn ich das gern als Kompliment allein für uns Grüne werten würde, muss ich sagen: Dieser Appell richtete sich an uns alle. Wir müssen jetzt handeln. Wir müssen gemeinsam den begonnenen Weg weitergehen. Wir müssen unseren Beitrag dazu leisten und für die streiten, die unsere Unterstützung am nötigsten brauchen.

Auch Chinma George und A. G. Saño wissen, dass Nordrhein-Westfalen das Klima nicht alleine retten kann. Aber sie sind darauf angewiesen, dass Industrienationen, die die beiden ganz klar als Hauptverantwortliche ihrer eigenen Misere sehen, handeln und ihrer Verantwortung gerecht werden.

Wir sind nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern von Nordrhein-Westfalen verpflichtet, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir haben auch als Landtag von Nordrhein-Westfalen eine Verantwortung; denn wir gestalten mit unseren Gesetzen, mit unseren Anträgen und mit unseren Wünschen an die Regierung unsere Art zu leben, unsere Art zu wirtschaften, mit.

Wir müssen uns dabei im Klaren sein, dass Entscheidungen, die wir treffen, eben nicht nur die Wirtschaft und das Leben in Nordrhein-Westfalen beeinflussen. Sie beeinflussen auch Menschen, Länder, Tiere und Pflanzen in anderen Teilen der Welt. Es ist unsere Aufgabe, daran zu denken. Es ist unsere Aufgabe, nicht auf andere Länder zu zeigen, wie Herr Hovenjürgen, und zu warten, bis die anfangen. Es ist unsere Aufgabe, nicht nur an uns, sondern auch andere zu denken.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ja, es gibt Länder, die mehr CO2 ausstoßen als wir, aber abgesehen von einem großen Land im Westen findet in vielen Ländern ein Umdenken statt, anders als Sie, lieber Herr Hovenjürgen und Herr Höne, das uns weismachen wollen.

Ich nehme nur einmal China als ein Beispiel. Die chinesische Regierung fährt gigantische Regierungsprogramme zum Umstieg auf erneuerbare Energien an. Die Ziele für Windenergie und Solar für das Jahr 2020 wurden in der Zwischenzeit verzehnfacht. China hat Anfang des Jahres Kohlekraftwerksplanungen für 30 Kohlekraftwerke zurückgenommen und weitere 300 Gigawatt in 600 Blöcken komplett auf Eis gelegt. Das nur einmal als Relation! Bei uns schreit die Opposition sofort die Deindustrialisierung aus, nur weil ein Kraftwerk eventuell vor Gericht scheitert.

Herr Höne, weil Sie eben gefragt haben, wie sollen uns andere Länder das nachmachen, das sei alles viel zu teuer, ziehe ich noch einmal das Beispiel Indien heran. Indien baut in den nächsten zehn Jahren 57 % des Energieverbrauchs aus nichtfossilen Quellen. Sie sagen ganz klar – ich habe ein Zitat eines Regierungsmitarbeiters –: Rechnet man die Kosten der Kraftwerke mit ein, ist Ökostrom in Indien inzwischen günstiger als konventioneller Strom. – Das ist das, was wir den Inderinnen und Indern und allen vormachen. So muss es eben auch gehen.

(Beifall von den GRÜNEN)