Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

Sie messen mit zweierlei Maß. Wenn Sie glaubwürdig sein wollen mit Ihrem moralischen Rigorismus mit Blick auf Steuerhinterziehung, muss diese Staatssekretärin bis zur vollständigen Aufklärung der Vorwürfe suspendiert werden. Sonst entlarvt sich das, was Sie hier tun, als Wahlkampfrhetorik.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, mit der Politik für Steuererhöhungen beginnen Sie bereits am heutigen Abend. Das ist die Einführung für das, was uns in der nächsten Zeit erwartet. Sie beginnen damit, weil

die Beseitigung der kalten Progression – Sie haben das eben angekündigt – an den A-Ländern scheitern wird. Die Konsequenz sind automatische Steuererhöhungen. Denn auch diejenigen, die einen ordentlichen Tarifabschluss erhalten haben, der gerade einmal die Preissteigerungen der letzten Jahre auffängt …

(Norbert Römer [SPD] schüttelt mit dem Kopf.)

Sie schütteln mit dem Kopf, Herr Römer, aber gerade die Beschäftigten bei der IG BCE sind betroffen.

(Norbert Römer [SPD]: Bei Ihrer gesamten Rede schüttele ich mit dem Kopf!)

Diesen Leuten wird ihr fairer Anteil am Aufschwung genommen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Das ist ein Skandal!)

Sie sind dagegen. Sie sind insoweit dagegen, dass Sie noch nicht einmal – das könnte ich aus der Perspektive eines Landesfinanzministers, der Opposition im Bund ist, verstehen – sagen: Wir brauchen eine finanzielle Kompensation. – Sie sind aus Prinzip dagegen. Sie sind aus Prinzip dagegen, dass die Menschen in der Mitte der Gesellschaft, die den Aufschwung miterarbeitet haben, einen fairen Anteil an dem erhalten, was unser Land an Fortschritten erzielt hat.

(Zuruf von Norbert Römer [SPD])

Sie sind deshalb dagegen, weil Sie wie Herr Mostofizadeh in einer der letzten Debatten sagen: Dann bekommen nicht alle gleich viel. Es gibt einige, die bekommen etwas mehr. – Es ist der Basiseffekt der Prozentrechnung, Herr Mostofizadeh,

(Lebhafter Beifall von der FDP)

dass es unterschiedliche Beträge gibt, mit denen der einzelne profitiert. Dass Sie das aber so vortragen, ist dennoch erstaunlich. Sie sagen: Den Geringverdienern würden wir es gönnen, aber dem Durchschnittsverdiener gönnen wir es schon nicht mehr. – Das ist beachtlich, weil Sie in NordrheinWestfalen mit 150 Millionen € im Jahr – die Grünen waren dabei – auf die Elternbeiträge für die Kindertageseinrichtungen verzichten. Hartz-IV-Empfänger, Geringverdiener, haben den nie bezahlt.

(Beifall von Walter Kern [CDU] – Widerspruch von den GRÜNEN)

Das waren immer die Gutverdiener. Die haben Sie entlastet. Dann hören Sie jetzt mit diesen klassenkämpferischen Parolen auf. Die nimmt Ihnen bei der Frage nämlich keiner ab.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Im Übrigen beneide ich Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, nicht um die Aufga

be, vor den Werkstoren den Beschäftigten in der Industrie zu erklären,

(Zuruf von der SPD: Damit kennen Sie sich ja aus!)

was hier für eine Blockadepolitik im Bundesrat gemacht wird.

Das zweite große Thema, das auf der Tagesordnung steht, von dem Sie sich viel versprechen, ist die Erhebung einer Vermögensteuer. In der Frage sind wir nicht orthodox. Sie können gerne mit uns über das Für und Wider sprechen. Sie müssen dann aber bitte Fragen beantworten. – Sie sind überrascht, Frau Kraft, aber ich komme noch zum Punkt.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Sie müssen Fragen beantworten. Sie müssen die Frage beantworten, wie Sie Betriebs- und Privatvermögen trennen – insbesondere nach dem Urteil zur Erbschaftsteuer. Sie müssen uns erklären, wie Sie die Deutsche Steuer-Gewerkschaft beruhigen, die ein bürokratisches Gesetzgebungsmonstrum fürchtet.

(Zuruf)

Sie müssen uns erklären, Herr Priggen, wie Sie mit der Vermögensteuer 10 Milliarden € im Jahr erzielen wollen – so Ihr Parteitagsbeschluss –, ohne dass das Auswirkungen auf Mittelstand und Konjunktur haben soll. Sie müssen uns erklären, Herr Priggen, wie Sie mit diesen 10 Milliarden € die Haushalte konsolidieren und die Bildung verbessern wollen, wenn von den 10 Milliarden € schon 7,4 Milliarden € jedes Jahr für die Erhöhung von Hartz IV auf 420 € gebraucht werden.

Sprechen Sie über diese Fragen eigentlich auch mit dem Mittelstand, Frau Kraft? Ihre Regierung wird in dieser Woche ja ein Mittelstandsgesetz vorlegen. Werden die Steuerpläne in dem Gremium, das Sie da einrichten, der Clearingstelle, auch vorgetragen? Wird das ein Gegenstand der Beratungen mit dem Mittelstand sein? Falls ja, dann haben Sie einen Vorgeschmack in der Anhörung zu diesem Thema bekommen, die wir im Landtag von NordrheinWestfalen hatten: unisono Bedenken und Warnungen!

(Zuruf von den GRÜNEN: Das ist falsch!)

Frau Ministerpräsidentin, Sie haben gesagt, Sie hätten ein offenes Ohr für die Sorgen des Mittelstandes. Ich glaube, Sie waren zu bescheiden. Sie haben zwei offene Ohren, nämlich da rein, da raus.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Und wenn Sie, Frau Ministerpräsidentin, mir, der Opposition nicht glauben, welche verheerenden Auswirkungen eine Politik der Verstaatlichung, der Erhöhung der Steuern, der massiven Umverteilung hat, welche nachteilige Wirkung auf Deutschland

und Nordrhein-Westfalen die Politik, die Sie auch in diesem Bericht hier niedergelegt haben – das ist nicht Bundespolitik, sondern es ist das zentrale Element Ihrer Haushaltspolitik –, auf diese Gesellschaft, auf die Mitte, die unser Land ausmacht, hat, dann schauen Sie doch einmal über die Grenze nach Frankreich.

In Frankreich wird genau die Politik gemacht, die Sie auch in Ihren Programmen haben, die Sie in Ihrem Finanzbericht für Nordrhein-Westfalen vorschlagen. Genau das, was Sie fordern, macht Françoise Hollandes. Deshalb haben Sie die Wahl von Herrn Hollandes auch seinerzeit mit frenetischem Beifall aufgenommen.

Jetzt sehen wir in Frankreich die Folgen: Die Wirtschaft ist auf Talfahrt, die Zustimmungswerte zu Herrn Hollandes genauso.

Französische Leitartikler schreiben jetzt: „Mach‘s wie Schröder!“ – Und was machen Sie? Leider allzu oft wie Lafontaine!

(Lebhafter Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege Priggen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist immer ein Vergnügen, Herrn Lindner zuzuhören und auch nach ihm zu reden. Ich habe das auch am Wochenende gemacht, habe mir Ihre Parteitagsrede angehört: Sie sind „der Messias der FDP“.

Aber das ist ein neues Geschäftsmodell – das kann auch nur die FDP machen: ein Messias mit beschränkter Haftung!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich gehe gleich noch auf ein paar konkrete Punkte ein. Ich finde es schon faszinierend. Wir beide sind im Jahre 2000 in den Landtag gekommen. Sie waren bis 2009 hier, davon vier Jahre in Regierungsverantwortung, stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Da hatten Sie Verantwortung. 2009 sind Sie nach Berlin in den Bundestag gegangen, sind wenige Monate später Generalsekretär geworden und haben das Amt zwei Jahre später aufgegeben.

Über die Umstände, unter denen Sie das gemacht haben – à la bonne heure! – habe ich im Fernsehen auch etwas gesehen. Sie werden Ihre Gründe gehabt haben. Aber Sie sind da rausgegangen. Dann sind Sie hierhin zurückgekommen und haben einen spektakulären Wahlkampf gemacht, die Fraktion in den Landtag gebracht.

Immer wenn Sie hier reden, wenn Sie hier auftreten, tun Sie so, als ob Sie für das, was Sie gemacht haben, nicht verantwortlich sind. Sie waren in führen

der Position dabei, Sie sind der starke Mann der FDP, auch wenn Sie nur – „nur“ in Anführungsstrichen – bei uns in der Landesliga sind. Niemand wird demnächst Bundesvorsitzender ohne, dass Sie ja sagen. Also haben Sie Verantwortung, Sie hatten sie auch in der Vergangenheit.

Das meine ich mit „Messias mit beschränkter Haftung“. Die Verantwortung – das ist die Haftung – ist nie da. Ich werde Ihnen ein paar Beispiele, die Sie eben aufgezählt haben, nennen. Es ist immer herausfordernd, nach Ihnen zu reden. Es waren einfach zu viele zu schöne Sachen.

Sie haben gesagt, 1 Milliarde € Grundsicherung stellen Sie jetzt im Bund zur Verfügung als Konsequenz aus Fehlern bei Hartz IV. Ich kann mich dunkel daran erinnern: Wir haben mit der Minderheitsregierung angefangen. Wir haben den Schritt gemacht. Dadurch war die Bundesratsmehrheit für CDU und FDP nicht mehr vorhanden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Dann mussten Sie tatsächlich Kompromisse eingehen. Zu der Art, das hier als generöses Geschenk darzustellen: Den Teufel hätten Sie getan, wenn wir das nicht gemacht hätten und im Bundesrat die Mehrheit geknackt hätten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Lassen Sie mich Folgendes noch sagen: Es war eine tolle Rede eben. Zum Schluss waren Sie bei Hollande und sind in Europa gelandet. Es hätte nur noch die Reise über den Teich gefehlt. Aber es war nicht ein konkreter Vorschlag dabei, wie das, was uns beschäftigt, im Landeshaushalt gemacht werden soll.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Sigrid Beer [GRÜNE]: Lindner for President!)