Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal steht heute für jeden fest, dass wir, weil wir eine Sondersitzung des Landtags brauchen, um einen Gesetzentwurf einzubringen – wozu ja der Finanzminister heute klar gesagt hat, dass er die Verabschiedung des Gesetzes bis zum 30. Juni braucht –, in einer Situation sind, in der es auch darum geht, dass die Regierung unter Zeitdruck geraten ist.
Der zweite Punkt ist: Wir haben vor einem Jahr, Ende Juni, hier im Parlament die Eckpunktevereinbarung zur Restrukturierung der WestLB diskutiert. Jeder kann sich an diesen dramatischen Sitzungstag erinnern. Wir haben vonseiten der CDU am Ende auch zugestimmt. Seitdem ist klar – weil es Bestandteil der Eckpunktevereinbarung ist –, dass das Land 1 Milliarde € für den Restrukturierungsprozess zur Verfügung stellen muss. Sonst scheitert das Restrukturierungsverfahren.
Aber spätestens seit der Zustimmung der EUKommission am 20. Dezember 2011 wissen wir, dass Sie die Milliarde auch in den Haushaltsentwurf 2012 hätten einstellen müssen.
Am 21. Dezember, einen Tag nach der Entscheidung der EU-Kommission, dass sie den Restrukturierungsplan genehmigt, haben Sie den Haushaltsentwurf 2012 eingebracht – ohne diese Milliarde. Wir haben Sie darauf schriftlich hingewiesen. Ich denke, unsere Vertreter haben das auch immer wieder im Haushalts- und Finanzausschuss angesprochen. Ich habe, Herr Römer, Herr Priggen, auch in Gesprächen unter Fraktionsvorsitzenden immer gesagt: Wenn man genau weiß, dass man diese Milliarde braucht, dann muss sie doch wegen der Haushaltswahrheit auf der Ausgabenseite im
Haushalt stehen. Auch mit der Ministerpräsidentin habe ich darüber gesprochen, weil ich mir die Frage gestellt habe: Wie wollen wir denn nach der Haushaltsverabschiedung unter den gegebenen Umständen im Parlament eine Mehrheit finden, um diese Milliarde für die WestLB zur Verfügung zu stellen?
Immer hieß die Antwort: Nein, wir bringen das mit dem Haushalt nicht ein; wir wissen ja gar nicht, ob das Geld 2012 fließen muss. – Und jetzt wollen Sie ein Gesetz haben, das Ihnen bis zum
30. September im Grunde die rechtliche Wertstellung dieser Milliarde gegenüber der WestLB durch Parlamentsentscheid erlaubt. Ich finde, dass man sich dann schlicht und ergreifend auch betrogen fühlen kann, weil Sie das in den Haushaltsberatungen einfach nicht haben wollten.
Sagen Sie doch heute ganz ehrlich, dass Sie es damals verschwiegen haben, dass Sie darum herumgeredet haben, weil Sie unter den damaligen politischen Bedingungen die Milliarde nicht in den Haushalt schreiben konnten; dann wäre Ihr Haushalt nämlich von Anfang an gescheitert gewesen. Dann wären Sie zumindest ehrlich. Weil Sie diese Ehrlichkeit nicht aufbringen, bleibe ich dabei: Sie haben uns getäuscht und belogen.
Es gibt noch eine zweite Sache, die man einfach vom Zeitablauf her sehen muss: Neun Tage nach der Landtagswahl haben Sie diesen Gesetzentwurf in Ihrem Kabinett beschlossen. Neun Tage nach der Wahl wird er uns auf den Tisch gelegt – mit einem klaren Zeitplan, weil Sie eben diesen Zeitdruck haben. Das ist nach meiner Meinung auch Beweis dafür, dass wir mit der Auffassung, dass dieses Geld in einem regulären Haushaltsentwurf 2012 hätte stehen müssen, schlicht und ergreifend nicht Unrecht hatten, sondern dass wir nicht nur nahe, sondern vollständig bei der Wahrheit liegen, weil es eben auch ein Haushaltsgrundsatz ist, dass man Ausgaben, von denen man weiß, dass sie auf einen zukommen, auch in einen Haushaltsplan hineinschreiben muss.
Jetzt, finde ich, wird die Sache noch schlimmer. Denn mit Datum 30. Mai 2012 schicken Sie dem Landtag die Entscheidung der EU-Kommission vom 20. Dezember 2011 zu – im Übrigen ein Papier, das wir immer wieder schriftlich angefordert haben, das man uns aber nie gegeben hat.
„Nach der Eckpunktevereinbarung wird NRW zum 30. Juni 2012 das volle Eigentum und die volle Verantwortung für die WestLB überneh
men. … NRW hat zugesagt, zu diesem Zweck im Einklang mit der Eckpunktevereinbarung … ein zusätzliches Kapitalinstrument in Höhe von 1 Milliarde € zu schaffen.“
Dass man dann, wenn man diese Faktenlage sieht, zu einer anderen politischen Bewertung als Sie, Herr Walter-Borjans, kommt, was Ehrlichkeit und Redlichkeit im Umgang einer Regierung mit dem Parlament angeht, können Sie ja vielleicht noch nachvollziehen.
Deswegen finde ich es in einer solchen Situation schon politisch bemerkenswert, wenn man am Wochenende in den Zeitungen von Verfassungsänderungen liest, die unter Umständen zugunsten von mehr Transparenz geplant sind – darüber kann man durchaus reden. Ich wäre froh gewesen, hätten Sie in dieser Situation in einem ersten Schritt Transparenz gegenüber dem Parlament gepflegt, hätten Sie Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit, die zu den Urrechten eines Parlamentes gehören, schlicht und ergreifend praktiziert.
Es ist nicht gut, dass die Regierung diese Wahlperiode – ohne Frage: nach einer gewonnenen Landtagswahl – damit beginnt, dass sie nicht einmal bereit ist, diese Transparenz wenigstens im Nachhinein gegenüber dem Parlament zu realisieren.
Ich würde mir sehr wünschen, dass Sie, weil mit dem hier heute in erster Lesung beratenen Gesetz erhebliche Risiken auf das Land übergehen, bei den Debatten im Fachausschuss Informationen liefern, die es uns erlauben, politisch zu bewerten, welche Belastungen gegebenenfalls auf den Haushalt des Landes Nordrhein-Westfalen zukommen können.
Da fängt es doch schon bei dieser Milliarde an. – Jeder von uns weiß, dass das eventuell leider Gottes nicht das Ende der Fahnenstange ist. – Sie hätten heute bei der Einbringung – vielleicht tun Sie es demnächst im Ausschuss – sagen können, wie Sie sich denn die Finanzierung dieser Milliarde vorstellen, ob Sie Einsparungen vornehmen wollen, ob Sie die Frage beantworten wollen, was wir uns in Nordrhein-Westfalen demnächst nicht mehr erlauben können, weil wir diese Milliarde aufbringen müssen, oder ob Sie einfach zur Bank gehen und diese Milliarde als Kredit aufnehmen wollen, damit Sie so weitermachen können, wie es ohne diese Milliarde geplant war.
Ich weiß nur, dass es, wenn man Geld in dieser Größenordnung aufbringen muss – sicherlich für eine Aufgabe, die wir uns alle nicht gewünscht haben; das will ich durchaus hinzufügen –, zu einer soliden Haushaltspolitik gehört, in anderen Bereichen so, wie es jeder Haushalt tun muss, zu schau
en, was man sich noch erlauben kann, wenn die Verausgabung dieser Milliarde unabdingbar ist. – Darauf hätten wir gerne eine Antwort.
Wir als Parlament müssen, bevor wir diesen Gesetzentwurf verabschieden, wissen – insofern sind Sie gefordert, Transparenz herzustellen, wenngleich man nicht alles bis zum Letzten einschätzen kann –, vor welchen Belastungen wir stehen.
Ist es zum Beispiel möglich, die SPM-Bank zu verkaufen? Aus den Sparkassenverbänden hört man, es würden Ausgleichzahlungen verlangt werden. Darüber muss man doch mal reden, um das Risiko abschätzen zu können.
Wir müssen doch darüber reden, welche erheblichen Belastungen bei bestimmten Szenarien auf den Sektoren Pensionen und Personal das Land treffen können.
Wenn alles schlecht läuft, wird diese Operation unsere Haushalte in den nächsten Jahren erheblich belasten und den politischen Spielraum unseres Landes erheblich einschränken und es uns erheblich erschweren, die Schuldenbremse 2020 einzuhalten. Ich möchte schon vor Verabschiedung eines solchen Gesetzes wissen, wie man diese Risiken einzuschätzen hat.
Und es gehört auch zu einer Debatte, Ihrerseits gegenüber dem Parlament Vertrauen zu schaffen. Ich sage noch einmal: Nach dem, wie es seit Verabschiedung der Eckpunktevereinbarung gelaufen ist, hat die Regierung aus meiner Sicht das Vertrauen, das zumindest meine Fraktion damals mit der Verabschiedung der Eckpunktevereinbarung der Regierung entgegengebracht hat, mit Füßen getreten, denn sonst hätten Sie sich in dieser Haushaltsfrage anders verhalten.
Nun zu einem weiteren Punkt: Natürlich, Herr Finanzminister, ist die Abwicklung der WestLB ein schwieriger Teil der Geschichte Nordrhein
Westfalens. Ich will mich Ihnen auch in der Bewertung der Auflagen der EU-Kommission und in der Überlegung anschließen, ob dort immer mit gleicher Elle gemessen wird. Aber man muss auch einen anderen Aspekt sehen. Die WestLB ist in der Geschichte unseres Landes Nordrhein-Westfalen
schon ein Bankeninstitut gewesen, das die politische Auseinandersetzung in unserem Land immer wieder mit schweren Skandalen belastet hat.
Die Abwicklung der WestLB, die wir organisieren und in unserer Zeit im Parlament auch finanzieren müssen, ist gleichzusetzen mit dem Zusammenkehren der Scherben eines Bankenkonstruktes einer
Ihnen, Frau Kraft, die mit der WestLB natürlich Strukturpolitik gemacht hat, aber mit der WestLB auch am Parlament vorbei in Nordrhein-Westfalen Politik gemacht hat.
Immer dann, wenn es nicht mehr gepasst hat, dann gab es in Nordrhein-Westfalen jemanden, der hieß „Steuerzahler“. Die Eigentümer hat man oft geschont – aus nachvollziehbaren Gründen, wenn wir an die Sparkassen denken. Aber es hat immer einen gegeben, nämlich den Steuerzahler, der für die Probleme der WestLB am Ende mit seinen hart erarbeiteten Steuergroschen, die dann für andere Aufgaben in Nordrhein-Westfalen nicht mehr zur Verfügung standen, einstehen musste.
Und auch dieses Gesetz ist wieder ein Gesetz, bei dem der Steuerzahler in einem großen Maße die Verantwortung für das Unternehmen übernimmt.
Weil das so ist, finde ich, ist eine Regierung, die sich auch gegenüber neuen demokratischen Gepflogenheiten zumindest nach außen aufgeschlossen zeigt, die Fairness und anderes immer im Vokabular führt, in einer solchen Situation gut beraten, nicht zu tricksen, also nicht so zu handeln, wie Sie es beim Haushaltsplan 2012 gemacht haben. Vielmehr sollten Sie eine große Transparenz herstellen, damit auch wir im Parlament – unser Königsrecht im Parlament ist nun einmal das Haushaltsrecht – am Ende beurteilen können, welche Risiken durch unsere Entscheidung hier auf das Land in NordrheinWestfalen zukommen. Dazu gehört auch, dass man sagt, in welchem Umfange bestimmte Risiken auf andere, die in den Gremien dieser Bank noch die Mehrheit haben, eben nicht mehr zukommen. Das gehört mit zu dieser Geschichte.
Deswegen hätte ich mir es gewünscht, Herr Finanzminister, Sie hätten Ihre Rede heute damit angefangen, dass Sie schlicht und ergreifend erklärt hätten, dass diese Fragen eigentlich schon in den Haushaltsberatungen 2012 eine Rolle hätten spielen müssen, aber dass Sie vielleicht aus den Gegebenheiten einer Minderheitsregierung das damals nicht machen konnten. Das hätte ich zumindest als ehrlicher empfunden, als sich hierhin zu stellen und zu sagen, nur Sie hätten Recht.