Protokoll der Sitzung vom 05.06.2012

Deswegen hätte ich mir es gewünscht, Herr Finanzminister, Sie hätten Ihre Rede heute damit angefangen, dass Sie schlicht und ergreifend erklärt hätten, dass diese Fragen eigentlich schon in den Haushaltsberatungen 2012 eine Rolle hätten spielen müssen, aber dass Sie vielleicht aus den Gegebenheiten einer Minderheitsregierung das damals nicht machen konnten. Das hätte ich zumindest als ehrlicher empfunden, als sich hierhin zu stellen und zu sagen, nur Sie hätten Recht.

Ich hoffe, ich habe deutlich machen können, dass es in dieser Angelegenheit auch die Sichtweise zweier unterschiedlicher Seiten gibt. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall von der CDU – Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Laumann. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist dies auch für unsere Fraktion kein schöner Tag. 1 Milliarde € Absicherung für die WestLB zu verausgaben in Zeiten, wo wir um jede 10.000 €, 5.000 €, wenige Millionen für Förderprogramme streiten, wo wir darum streiten, welche Schwerpunkte wir in der Politik setzen wollen, das ist keine angenehme Entscheidung, die wir zu treffen haben. Da stimme ich Herrn Laumann ausdrücklich zu.

Nur, Herr Kollege Laumann, sehr große Differenzen zu Ihnen habe ich an dem Punkt, dass Sie suggerieren, als wenn diese Aufgabe ausschließlich den Mehrheitsfraktionen in diesem Landtag zufallen würde, dass die CDU-Fraktion bei diesem Spiel quasi nicht dabei ist

(Widerspruch von Karl-Josef Laumann [CDU] und Armin Laschet [CDU] – Norbert Post [CDU]: Zuhören!)

und dass die WestLB nur eine Tochter der Regierung des Landes wäre anstatt die Tochter des Landes Nordrhein-Westfalen, für die sie einzustehen hat. Da habe ich große Differenzen zu Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ausdrücklich stimme ich Ihnen bei folgendem Punkt zu – und das will ich mit Zahlen hinterlegen; die 1 Milliarde ist ja nur ein Teil dessen, worüber bei der WestLB zu reden ist; und Herr Kollege Körfges hat es auch schon angesprochen –: Die Kosten für die Abschirmung der Phoenix-Papiere, die jetzt in die Erste Abwicklungsanstalt geflossen sind, betragen 5 Milliarden €. Die Aufteilung hat der Finanzminister vorgetragen; 3,8 Milliarden € zahlt das Land Nordrhein-Westfalen.

Von diesen 3,8 Milliarden € sind nach meinem Kenntnisstand etwa 1,1 Milliarden € eingezahlt, mithin fehlen noch 2,7 Milliarden €, die nachzuzahlen sind. Das hätte die CDU in ihrer Regierungszeit, als sie den Rettungsschirm aufgespannt hat, natürlich tun können.

Nicht abgesichert ist die Garantie der WestLB bei der NRW.BANK. Also die Anteile, die dort eingelagert sind, betragen nach jetzigem Kenntnisstand noch einmal 2,5 Milliarden €.

Auch hat der Finanzminister auf die Risiken und Chancen – welches zutrifft, kann man mit dem heutigen Tage nicht sagen – hingewiesen, die mit den Papieren verbunden sind, die in der Ersten Abwicklungsanstalt eingelagert sind. Auch dafür hat das Land, egal welcher Rettungsschirm am Ende gespannt wird, letztendlich zu 100 % einzustehen. Auch dort – das hat der Finanzminister geschildert –

sind bereits 1 Milliarden € durch den Schuldenschnitt im Fall Griechenland eingetreten. Das alles stimmt.

Was aber nicht stimmt, Herr Kollege Laumann, ist, dass die CDU auch nur ansatzweise suggerieren könnte, dass wir die Alternative hätten, es billiger machen zu können, den Steuerzahler, die Steuerzahlerin schonen zu können, dass wir heute die Möglichkeit zur Entscheidung hätten: Wir machen es einfach nicht, und somit können wir den Bürgerinnen und Bürger die Milliarde ersparen. – Da machen Sie sich einen verdammt schlanken Fuß und ziehen sich billig aus der Affäre.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich will Ihnen noch etwas in Richtung Sparkassen sagen: Die Sparkassen in Nordrhein-Westfalen – wie in vielen anderen Ländern, aber hier in ganz besonderer Weise – decken letztlich das Vermögen der Menschen in diesem Lande ab. Sie sichern die Zukunft der Menschen über Lebensversicherungen. Sie sorgen für den Kapitalverkehr und betreiben ein wichtiges Mittelstandsgeschäft. Wenn wir die Sparkassen überfordern würden durch eine Überziehung der Belastung, dann würden wir sozusagen am Fundament des Zusammenhalts in NordrheinWestfalen graben. Dabei können Sie uns nicht an Ihrer Seite haben; das lehnen wir strikt ab.

Wir weisen sehr deutlich darauf hin, dass es dort um wirklich elementare Zukunftssicherung der Menschen, der Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande geht. Es gibt, glaube ich, keine Familie, die nicht betroffen wäre, wenn die Sparkassen ins Wanken geraten würden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Jetzt will ich – Herr Kollege Körfges hat das eben auch schon getan – auf die Solidität der Haushaltsvorschläge der CDU hinweisen. Das Gezwirbel, das Herr Röttgen im Wahlkampf gemacht hat – Studiengebühren rein und wieder raus, Kitagebühren rein und wieder raus –, meine ich gar nicht. Ich meine die anderen Punkte.

Sie haben ein Haushaltskonzept vorgelegt, das, wenn Sie es ehrlich meinen würden, 350 Millionen € zusätzlich für den Stärkungspakt, 450 Millionen € zusätzlich für den Verzicht auf die Grunderwerbsteuer und 600 Millionen € dafür vorsieht, dass man Steuersenkungen im Bund für Besserverdienende macht. Das sind 1,4 Milliarden € Haushaltsverschlechterung, ohne dass es einen Nutzen für Nordrhein-Westfalen gibt.

Gleichzeitig werfen Sie den Regierungsfraktionen vor, dass wir nicht sparen würden. Dann kommt ein Vorschlag im Wahlkampf zur Polizeireform. Da schmeißt sich der Kollege Laschet geradezu auf den Fraktionsvorsitzenden unserer Fraktion und sagt: Mit uns ist ein Einsparen bei der Sicherheit nicht zu machen.

Erstens hat er nicht verstanden, dass überhaupt keine Sicherheitsgefahren bestehen, weil es überhaupt nicht um Streifenbeamtinnen und -beamte geht.

Zweitens möchte ich noch auf Folgendes hinweisen: Wir können über die Zahlen ja gerne reden. Fakt ist nur, dass die CDU bis 2010 eine Politik betrieben hat, die dazu geführt hätte, dass 4.000 Beamtinnen und Beamte weniger da gewesen wären, weil wir nämlich seit 2011 400 Einstellungsermächtigungen pro Jahr zusätzlich im Haushalt drin haben. Rechnen müsste man können, Herr Kollege Laschet.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eines fand ich sehr interessant jetzt eben auch im Beitrag von Herrn Laumann. Herr Laumann hat ja dem Finanzminister vorgehalten, er habe getäuscht und getrickst. Dagegen wird sich der Finanzminister alleine genug wehren können und das richtigstellen. Das hat er mit seiner ausführlichen Rede schon getan. Da brauche ich ihm nicht zu helfen.

Aber eines fand ich schon spannend. Sie haben gesagt, wenn die 1 Milliarde € im Haushalt gestanden hätte, dann wäre dieser Haushalt von Anfang an gescheitert gewesen. Welche Logik muss ich denn daraus ziehen? Die CDU hätte die WestLB-Milliarde genutzt, um diesen Haushalt in die Wüste zu schicken, nachdem sie am 30. Juni 2011 gesagt hat, wir stimmen diesem Konstrukt zu?

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD] – Zuru- fe von der CDU)

Sie wollen also Spielchen mit diesem Thema treiben. Das ist Ihre Politik.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielleicht um die Verfassungsfrage an der Stelle gleich zu klären: Die Milliarde bedeutet kein Verfassungsproblem. Sie ist eine investive Ausgabe, so unschön das in dem Zusammenhang klingen mag. Das schiebt die Verfassungsgrenze um 1 Milliarde rauf. Das können Sie nicht gemeint haben. Ein Verfassungsproblem haben wir nicht. Sie wollten das nutzen als Vehikel, um politische Spielchen zu treiben, um von Ihrer eigenen Verantwortung abzulenken oder das mit anderen Punkten zu verknüpfen.

Eine Adresse noch an den Kollegen Lindner. Zumindest vermute ich, dass es in diese Richtung geht. Zumindest hat Ihr Vorgänger im Amt das gemacht. Herr Dr. Papke hat in der Rede, als er am 30. Juni letzten Jahres hier gestanden hat, gesagt, bei den Sparkassen hätten die Sektkorken geknallt aufgrund der Vereinbarung.

Eines möchte ich in diesem Zusammenhang nur noch einmal sagen. Ich habe eben schon einmal auf die Bedeutung der Sparkassen hingewiesen. Wer angesichts der Milliardenbelastungen, die auf die Sparkassen zugehen – ich will gar nicht noch ein

mal auf 2004 rekurrieren, wo die Anteilserhöhung, glaube ich, nicht unbedingt zur Freude der Sparkassen betrieben worden ist –, so mit diesem Thema umgeht: Ich hoffe, dass nicht nur ein Wechsel im Amt stattgefunden hat, sondern vielleicht auch eine Mäßigung der Politik damit einhergeht.

Denn wir brauchen jede Fraktion in diesem Landtag, um bei der Haushaltspolitik solide und mit ehrlichen Fakten zu spielen. Die Einladung ist sehr ernst gemeint. Die geht in Ihre Richtung. Ich habe ja von Ihnen vernommen, dass Sie sich positiv auf Beschlüsse, die am Wochenende vorgetragen worden sind, bezogen haben. Es würde mich sehr freuen, wenn diese Einladung tatsächlich ankommt und wir über diese Punkte sprechen können.

Aber beim Thema „Sparkassen“ verstehen wir, verstehe ich relativ wenig Spaß. Bei einem Thema bei Milliardenverlusten von Sektkorkenknallen zu sprechen – ich hoffe, das ist vom Tisch.

Unsere Fraktion wird der Überweisung zustimmen. Ich appelliere an alle Beteiligten hier im Hause, dass wir seriös mit dem Thema „WestLB“ und mit dem Thema „Haushalt“ umgehen. Sie werden sehen: Wir werden bestimmt noch viele Vorschläge zu diesem Thema haben.

Das ist auch eine herzliche Einladung an die Kolleginnen und Kollegen von den Piraten in den Ausschüssen. Herzlich willkommen hier im Parlament! Das ist eine sehr schwierige Materie. Nehmen Sie das Angebot des Finanzministers an der Stelle an. Arbeiten Sie sich in das Thema ein.

Ich wollte scherzhaft an der Stelle sagen: Mir wäre ja am wohlsten gewesen – oder möglicherweise Herrn Laumann –, wenn irgendwelche Piraten die WestLB gekapert hätten und wir das Thema nicht am Hals hätten. Das können wir uns so nicht aussuchen.

Wir müssen zu diesem Thema jetzt an dieser Stelle das Gesetz machen. Ich hoffe, dass wir in den Haushaltsberatungen und in den Ausschussberatungen seriöse Diskussionen haben und dass die CDU endlich aufhört, so zu tun, als wenn das Thema „WestLB“ ein Regierungsthema wäre. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie haben es genauso mit zu verantworten wie die anderen Parlamentarier und Parlamentarierinnen in diesem Hause auch. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lindner.

Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Herr Mostofizadeh, ich will mich zuerst an Sie wenden. Sie haben hier davon gesprochen, dass die Kolleginnen und Kollegen der

CDU sich billig aus der Affäre ziehen wollten. Sie haben hier davon gesprochen, die Union würde sich aus der Verantwortung stehlen. Das kann nicht ohne Widerspruch bleiben, gerade weil Sie diesen Vorwurf erhoben haben.

Auf dem Höhepunkt der Finanzmarktkrise haben CDU und SPD mit Zustimmung der Oppositionsfraktion der FDP im Deutschen Bundestag das Finanzmarktstabilisierungsgesetz beschlossen. Die Grünen haben gemeinsam mit der Linkspartei gegen den Rat aller Experten mit Nein votiert bei der Stabilisierung der Finanzmärkte. Sie haben sehenden Auges eine mögliche Kernschmelze des Weltfinanzsystems in Kauf genommen. Das zeigt, wer, wenn es hart auf hart kommt, Verantwortung für diesen Staat übernimmt, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Zur Sache! Ich will drei Bemerkungen machen, zum einen eine zur politischen Historie, weil der 16. Landtag Nordrhein-Westfalen sich ja zum ersten Mal mit der WestLB befasst, zum Zweiten eine fachliche mit Blick auf den Gesetzentwurf zur Restrukturierung der WestLB – oder nennen wir es beim Namen: den Gesetzentwurf zur Abwicklung der WestLB – und zum Dritten eine grundsätzliche Bemerkung.

Herr Kollege Körfges, ich habe sehr genau die Debatten der vergangenen zwei Jahre nachvollzogen und habe auch Ihre Beiträge sehr genau gelesen. Sie haben regelmäßig bis in diese Tage die WestLB als Instrument der Industrie- und Förderpolitik des Landes Nordrhein-Westfalen gewürdigt. Die

WestLB war also eine politische Bank. Die WestLB war also eine Bank der Politik. Dafür, Frau Ministerpräsidentin, tragen diejenigen Verantwortung, die vorher auf Ihrem Platz gesessen haben, nämlich die Ministerpräsidenten Johannes Rau, Wolfgang Clement und Peer Steinbrück. Wir wollen das nicht vergessen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

In den 90er-Jahren hat sich die WestLB mithilfe von Staatsgarantien, Gewährträgerhaftung, Anstaltslast günstig Kapital besorgt. Mit diesem günstigen Kapital hat sie zu konkurrenzlosen Konditionen Projekte auch mit hohen Risiken finanzieren können – und das weltweit. Die Europäische Kommission hat damals diesen Wettbewerbsvorteil der Westdeutschen Landesbank begrenzt. Schon damals haben sich Konflikte zwischen Düsseldorf und Brüssel angebahnt, die uns bis heute beschäftigen.