Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das hatten sich die Schöpfer der neuen Abgabe so sicher nicht vorgestellt. Der Rundfunkbeitrag sollte doch so sympathisch herüberkommen. Da änderte man extra das giftgrüne Layout der GEZ in ein sanftes Türkis. Aus der GEZ wurde der „ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice“, und man glaubte, jetzt wird alles gut.
Doch statt Tränen der Rührung gab es zu Jahresanfang harte Kritik. Ich hatte ohnehin vermutet, dass der Tausch der drei Buchstaben GEZ gegen den doch komplizierten und twitterunfreundlichen Namen „ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice“ – das sind 40 Anschläge und fünf Sekunden Redezeit – nur den Grund haben kann, dass man schon beim Aussprechen verzweifelt und der Name zumindest nicht in eine kritische Schlagzeile passt.
Aber die Rundfunkgebühr scheint ein Thema zu sein, dem seine Brisanz allen PR-Verrenkungen zum Trotz nicht so schnell verlorengehen wird. Da könnten sie noch so lange im Bottich herumtrampeln: Aus der sauren Milch würde doch keine Butter mehr.
Ursprüngliches Ziel des Rundfunkänderungsstaatsvertrages war es ja, für eine bürokratiearme und gerechte Gebühr für den Verbraucher zu sorgen. Belastungen über Gebühr sollten abgeschafft werden. Das Verfahren sollte transparenter werden. Bestehende Irritationen bezüglich des Datenschutzes mit der alten GEZ beim Verbraucher sollten beseitigt werden.
Was ist daraus geworden? Nun, die neue GEZ verteidigt eisern ihren Ruf als nimmersatte Datenkrake. Auch sind Doppelbelastungen bei Bürgerinnen und Bürgern, gerade bei denen, die aus beruflichen Gründen ihren Lebensmittelpunkt unter der Woche verlassen müssen, den Wochenendpendlern, sehr stark geworden. Diese bezahlen dann sowohl für die Hauptwohnung als auch für die Zweitwohnung. Ich bin mir sicher, dass wir nicht zeitgleich an zwei unterschiedlichen Orten sein können. Dem Wochenendpendler jedoch wird diese Fähigkeit bei der Rundfunkgebühr unterstellt.
Was das Ganze dann aber ad absurdum führt: Wäre die eben genannte Wohnung nicht die Zweitwohnung eines Arbeitnehmers, sondern zum Beispiel eine 70 m2 große Einzimmer-Luxusferienwohnung, die zeitweise vermietet würde, müsste er dafür keine zusätzlichen Gebühren zahlen. Der Wohngeldempfänger muss hingegen zahlen. Da fragt man sich: Wo bleibt die soziale Gerechtigkeit?
Ein anderes Beispiel: Der Staatsvertrag nimmt Menschen mit Behinderung nicht grundsätzlich von der Gebührenpflicht aus, wenn sie finanziell leistungsfähig sind. Ich kann aber die Kritikpunkte der Sozialverbände nachvollziehen, dass der Ausbau barrierefreier Angebote zwar Seh- und Hörbehinderten zugutekommt, nicht aber schwerbehinderten Menschen, die wegen eines anderen Handicaps nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen können.
Bemerkenswert war in den letzten Wochen auch der Umgang der Landesregierung mit den hohen Kosten für die Städte und Gemeinden. Die wurden schlichtweg ignoriert. Fragte man nach dem Umgang mit dem geschilderten Problem, wurde auf das Fehlen von Zahlenmaterial verwiesen. Spätestens in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDPFraktion versteckte man sich hinter dem Verweis auf eine Evaluierung. Es stellt sich die Frage: Interessiert sich die Landesregierung überhaupt für die aktuellen Problemlagen? Man hat den Eindruck, dass das nicht der Fall ist.
Dass die Sender jetzt nach vielen Wochen plötzlich so sensibel mit den erzürnten Kommunen und Kirchen umgehen, hat natürlich etwas damit zu tun, dass man sich nicht jeden Tag von den Kanzeln und Rathaustürmen herab die offensichtlichen Kostensteigerungen vorhalten lassen will.
Aber das Einlenken allein bei Kommunen und Kirchen reicht nicht. Denn durch den neuen Rundfunkbeitrag werden insbesondere Betriebe und Institutionen mit vielen Filialen, Nebenstellen und Fahrzeugen ungerecht hoch belastet. Sie dürfen bei den Nachbesserungen ebenso wenig wie die Bürger übergangen werden: ob es nun der Verein ist, der für eine zusätzliche Umkleide oder ein Toilettenhaus eine zusätzliche Rechnung erhält, oder Adam Ries in Annaberg-Buchholz, der vor 450 Jahren gestorben ist.
Apropos Adam Ries: Man hat sich eventuell auch bei einem anderen Punkt verrechnet. Das Gutachten eines renommierten Verfassungsrechtlers stellt die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des neu geregelten Systems. Es beruft sich nicht nur auf einen Eingriff in die Handlungsfreiheit von Unternehmen oder, damit verbunden, das Gleichheitsgebot. Nein, sogar die erforderliche Gesetzgebungskompetenz der Länder wird infrage gestellt, dann nämlich, wenn es sich bei dem Rundfunkbeitrag gerade nicht um einen Beitrag, sondern um eine Steuer
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Evaluierung im Jahre 2014 hilft den Betroffenen in diesem Fall herzlich wenig. Die Zahlungen müssen nämlich jetzt geleistet werden. Rasch muss also korrigiert werden. Selbst aus der SPD kommt dazu ein Ruf. Die Abgeordnete Cornelia Ruhkemper, die für die Sozialdemokraten im Petitionsausschuss sitzt, wurde in der Presse mit den Worten zitiert: Die neue Rundfunkgebühr muss überprüft werden. – Dem kann ich nur zustimmen. – Vielen Dank.
Eine Punktlandung. Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Für die SPDFraktion hat der Kollege Vogt das Wort.
„Durch den Systemwechsel von der gerätebezogenen Rundfunkgebühr hin zum geräteunabhängigen Beitrag wird die Rundfunkfinanzierung endlich einfacher und transparenter. Die rechtlich höchst fragwürdigen Kontrollen durch die GEZ entfallen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.“
Nun ist die Rundfunkgebühr Realität. Das alte gerätebezogene Modell hatte sich überholt. Die technische Weiterentwicklung und die steigende Konvergenz der Medien führten dazu, dass beispielsweise Handys auch zum Rundfunkempfang geeignet sind. Das neue Modell, das sich an Wohnung und Betriebsstätten orientiert, hat das Ziel, das System einfacher und gerechter zu machen.
Schon vor der Beitragsumstellung war klar, dass es zu Verschiebungen kommen wird: Einige werden stärker belastet, für andere wiederum wird es günstiger.
Insgesamt ist es eine ziemlich große Veränderung des gesamten Systems. Eine zeitnahe Evaluation war schon vorher festgeschrieben worden. Der Beitragsstaatsvertrag wurde hier im Landtag mit großer Mehrheit – auch mit Stimmen der CDU – verabschiedet.
In den Ländern Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Sachsen wurde der Beitragsstaatsvertrag mit Stimmen der FDP verabschiedet. Damals – das muss man zugeben – war die FDP noch in einigen Landesregierungen mehr vertreten.
Die Verfassungsmäßigkeit des Staatsvertrages nun infrage zu stellen, wie gerade von Thomas Nückel angesprochen, ist schon ein merkwürdiges Vorge
hen. Der frühere Bundesverfassungsrichter Professor Dr. Paul Kirchhof hat in einem ausführlichen Gutachten im April 2010 aufgezeigt, dass der Rundfunkbeitrag verfassungsrechtlich zulässig ist.
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion nimmt die Probleme bei der Umstellung auf das neue System sehr ernst. Darum muss der öffentlichrechtliche Rundfunk auch weiter auf die Betroffenen zugehen.
Die angesprochene Evaluation ist vereinbart. Hierzu werden von den Rundfunkanstalten Daten erhoben. Diese werden dann von der KEF, also der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, geprüft. Erst auf dieser Grundlage können die Länder gemeinsam entscheiden, welche staatsvertraglichen Regelungen geändert bzw. verbessert werden sollen. Dieser KEF-Bericht wird voraussichtlich Ende 2013 vorliegen. Die Evaluation kommt also zeitnah. Unzumutbare Mehrbelastungen müssen anschließend natürlich korrigiert werden.
Generell wollen wir den neuen Staatsvertrag und die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht infrage stellen und lehnen den FDPAntrag daher ab. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Sieht man sich einmal die Presse der ersten beiden Monate dieses Jahres an, dann hat man den Eindruck, im Januar sei plötzlich eine gewaltige Abzocke über die Menschen dieses Landes hereingebrochen, eine Abzocke unter dem Namen Rundfunkgebühr. Die Zeitungen überschlugen sich mit Horrormeldungen über das, was da passierte.
Nun scheinen sich die Printmedien neben ihrem Oberteufel Google den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Lieblingsgegner ausgesucht zu haben – allerdings in der fälschlichen Vermutung, ihre Probleme seien dort angesiedelt.
Einige Städte klagten so wortreich über die neue Rundfunkgebühr, dass man sich fragt, ob sie bei der alten, gerätebezogenen Rundfunkgebühr eigentlich die tatsächlichen Gebühren bezahlt haben oder ob sie damals auch nicht wussten, wie viele Radiogeräte in ihren Kindergärten standen.
Man gewinnt mittlerweile auf vielen politischen Feldern den Eindruck, als würden die öffentlichen Debatten erst dann ernstgenommen, wenn die Auswir
Nun ändert sich mit der neuen Rundfunkgebühr für die meisten Haushalte gar nichts. Betroffen sind vor allen Dingen Unternehmen, Kommunen, Kirchen und Organisationen.
Jetzt wird der Eindruck erweckt, als würden die Rundfunkanstalten durch das neue Modell mehr Geld einnehmen. Zumindest liest man das allenthalben.
Die Darstellungen der Finanzen der öffentlichrechtlichen Anstalten sind teilweise in einem Maße ungerecht, dass man sich als Kulturmensch die Augen reibt. So muss ich zum Beispiel in der „Rheinischen Post“ lesen, dass beim WDR, der angeblich so unglaublich reich ist, vor allen Dingen die Klangkörper herangezogen wurden. Als Kulturmensch ist man so etwas schon gewöhnt. Dabei liegen die eigentlichen großen Ausgabeposten bei den Sportrechten. Aber darüber sprechen wir nicht.
Eines sei gesagt: Die Beitragshöhe und die Mittel für die Anstalten werden festgelegt von einer politischen Einrichtung, der KEF, der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten. Vorsitzender ist zurzeit der Präsident des bayerischen Rechnungshofes. Aus Nordrhein-Westfalen ist Herr Röper aus Dortmund Mitglied der Kommission.
Die Einnahmen der Rundfunkanstalten verhalten sich zu den Ausgaben wie kommunizierende Röhren. Sollte das Aufkommen höher sein als jetzt, wird der Betrag so weit gesenkt, bis der zugesicherte Betrag erreicht ist. Das heißt: Die Anstalten bekommen durch veränderte Einziehung von Geldern keinen Euro mehr Geld. – Das ist ganz wichtig zu erwähnen, weil das immer anders dargestellt wird.
Aber trotzdem: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht unter schwerem Beschuss, als hätten die Debatten um die neue Rundfunkgebühr nie stattgefunden. Wir standen doch alle vor dem Problem, dass in einer Zeit, in der man Rundfunk- oder Fernsehgeräte nicht mehr klar definieren und sogar mit dem Handy fernsehen und Radio hören kann und in der die Entwicklung klar zu netzgebundenen Angeboten oder netzgebundenem Konsum geht, die Abrechnung nicht mehr über die Geräteabgabe wie in den 50er-Jahren erfolgen kann.
Allerdings müssen wir als Parlamentarier selbstkritisch zugestehen, dass wir einige Bedenken, etwa in der sehr knappen Stellungnahme – es waren nur zwei Seiten – der kommunalen Spitzenverbände vom 28. März 2011, nicht ernst genug genommen haben. Die hatten sich damals nämlich für Korrekturen mit Blick auf Kindergärten, Jugendzentren und Volkshochschulen ausgesprochen. Diese Kritik hat sich bestätigt. Das steht im Antragstext ganz zutreffend. Da muss nachgebessert werden.
Die Schwierigkeiten beim Umstieg erweisen sich als komplizierter als erwartet. Und die Hoffnung, der wenig geliebte Riesenbetrieb GEZ würde künftig zumindest in Teilen überflüssig, scheint sich nicht nur nicht, sondern überhaupt nicht zu erfüllen.
Ganz eindeutig ist eine Kommunikationspanne zu konstatieren. Die Sender hätten sehr viel deutlicher, sehr viel besser über die neue Gebühr und auch über die Grundlagen der Gebühr informieren müssen. Es gab im NDR einen sehr guten Sendebeitrag unter dem Titel „Über Gebühr: Streit um den neuen Rundfunkbeitrag“, der aber erst vor gut drei Wochen im WDR lief. Diese Information hätte in einer breiten Kampagne Anfang des Jahres gegeben werden müssen.
Meine Damen und Herren, zum Antrag! Die „Beschlussfassung“ beginnt mit einem Bekenntnis zu unserem Rundfunksystem und seiner Finanzierung. Außerdem geht es darum, dass die neuen Regeln so weit wie möglich ausgelegt werden müssen, um Härten zu vermeiden. Das ist absolut richtig. Das verlangt ein hohes Maß an Flexibilität von allen.
Auch Frau Piel, die Intendantin des WDR, sichert in ihrem Brief vom 1. Februar 2013 an uns Parlamentarier zu, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio bereit seien – Zitat –, „im Rahmen des rechtlich Möglichen eine Auslegung zu finden, die Städte und Gemeinden entlastet“.