Protokoll der Sitzung vom 20.03.2013

sondern schafft neue bürokratische Hürden. Sie verzetteln sich in Pepita-Projekten. Und Sie brechen nicht nur Ihr Wort, sondern notorisch auch die Verfassung.

In Ihrer Pressekonferenz, Frau Kraft, haben Sie eine Überschrift gewählt – Zitat –: „Wir halten in NRW Kurs“. Wir betrachten das als eine Drohung. Deshalb werden wir Ihrer Haushaltspolitik nicht die Hand reichen. – Vielen Dank.

(Langanhaltender Beifall von der FDP und der CDU)

Danke schön, Herr Lindner. – Nun spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Fraktionsvorsitzende Herr Priggen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Christian Lindner, Sie müssen sich keine Sorgen machen, wie ich meine Reden vorbereite. Ich beschäftige mich vorher schon etwas länger damit. Ich habe nur die Angewohnheit, Ihnen und den anderen, die vor mir reden, sehr konzentriert zuzuhören. Das halte ich auch für einen Akt der Höflichkeit. Aber ich sage Ihnen auch: Ich habe mir ganze zwei Notizen zu dem gemacht, was Sie gesagt haben. Die will ich Ihnen jetzt auch nicht vorenthalten.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Das Erste ist mit einem Fragezeichen „Iffland-Ring“. Der Iffland-Ring ist die Auszeichnung für den würdigsten und bedeutendsten Bühnenkünstler im deutschsprachigen Raum. Fragezeichen heißt: Ich bin mir nicht sicher, ob Sie ihn verdienen. – Aber das, was Sie hier permanent machen, hat wenig zu tun mit den Problemen des Landes, sondern ist eine reine Showveranstaltung. – Das ist die eine Notiz.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Auch die zweite Notiz, die ich gemacht habe, will ich Ihnen nennen. Sie haben eben gesagt: Die SPD ist die Partei, die alle Lasten auf die Zukunft verschiebt. – Das ist genau die billige Nummer, mit der Sie Politik machen. Sie tun so, als ob Sie noch nie in irgendeiner Regierung Verantwortung gehabt hätten, als ob Sie als FDP und auch Sie persönlich noch nie in irgendeiner Regierung Schulden aufgenommen hätten. Es sind immer die anderen gewesen. So bedienen Sie billige Klischees und drücken sich – das ist aber Ihr Markenzeichen – vor der eigenen Verantwortung.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Uns, den Fraktionen von Sozialdemokraten, den Fraktionen von Grünen, ist sehr wohl klar, wie bedrohlich die finanzielle Situation in den Kommunen,

im Land ist und auch, dass der Bund nicht rosig dasteht.

Ich habe das beim letzten Mal schon gesagt: Ich werde am Ende dieser Legislatur 17 Jahre Koalitionsausschuss Sozialdemokraten/Grüne in Nordrhein-Westfalen mitgemacht haben, 17 Jahre Verantwortung mitgetragen haben. Wir haben 17 Jahre lang jedes Jahr neue Schulden aufgenommen. Das wissen wir.

Ich habe auch gesagt: Jeder von Ihnen, CDU oder FDP, der jemals hier oder im Bund Verantwortung hatte, könnte nichts anderes sagen, nichts anderes.

Wenn Sie sagen: „Der Bund bereitet vor, dass nach der Bundestagswahl keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden“, muss man darauf hinweisen: Das wäre das erste Mal nach 44 Jahren. Insofern besteht für Großkotzigkeit – um es wirklich böse zu sagen –, für Übermut null Anlass an der Stelle.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich habe den Eindruck: Wir haben zwei Fraktionen, die sehr hart arbeiten, die sich bemühen, in einer schwierigen Situation den Karren zu ziehen. Ich weiß, was Koalitionsarbeit heißt. Ich kenne das aus vielen Dialogen. Wir sind nicht eine Partei – dann könnten wir fusionieren –, wir sind zwei Parteien. Also ringen wir manchmal auch miteinander um Sachen. Das tragen wir aber vernünftig miteinander aus. Das gehört dazu. Aber es wird hart gearbeitet.

Mein Eindruck nach den beiden verantwortungslosen Debattenbeiträgen von Herrn Laumann und von Herrn Lindner ist:

(Christof Rasche [FDP]: Respektlos!)

Es gibt zwei Fraktionen, die machen uns hier das Kunststück vor, wie man mit zwei toten Pferden, zwei toten Gäulen den Karren zieht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von Dietmar Brockes [FDP])

Ja, ja, die Kritik müssen Sie sich jetzt schon gefallen lassen.

Ich bin an der Stelle schon – um das ganz klar zu sagen – etwas angefressen über die Art, wie Sie mit den realen Problemen, die wir im Haushalt haben, umgehen, wie verantwortungslos Sie das darstellen.

CDU und FDP haben immer zwei Vorschläge herausgestellt; das sind die beiden toten Pferde.

Bei einem Vorschlag geht es um die 249 Millionen € Studiengebühren, die Sie wieder einführen wollen, haushaltswirksam noch dieses Jahr. Das geht fachlich nicht; denn Sie hätten dazu ein Gesetz einbringen müssen. Wir hätten dem nicht zugestimmt – um das zu sagen. Aber Sie müssten es einbringen, um draußen wirklich deutlich zu machen, dass Sie das wollen. Aber dieses Gesetz könnte gar nicht mehr wirksam werden, wenn Sie es demnächst noch ein

brächten. Sie müssten das ja bis zum Sommer absolviert haben. Sie machen das also aus reinem Populismus. Sie machen es wissend, dass, nachdem Sie in Bayern – an der Stelle FDP und CSU – die noch dieses Jahr abschaffen, die Studiengebühren in allen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland abgeschafft sind. Das heißt, es gibt dann keine Studiengebühren mehr.

Ich könnte Ihnen jetzt eine Seite mit Zitaten vorlesen. Herr Laumann, es gibt diesen berühmten Lothar-Hegemann’schen Taumelkäfer. Der hat zwei lange Fühler, geht immer auf eine bestimmte Weise durch den Raum. Dann stößt er irgendwo an und ändert den Kurs. Genau das haben Sie persönlich auch bei den Studiengebühren gemacht. Ich könnte es Ihnen vorlesen:

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Für Studiengebühren – gegen Studiengebühren – wir führen sie nicht wieder ein – jetzt erzählen Sie es wieder. – Dann bringen Sie das Gesetz auch ein, damit alle im Land auch genau wissen, wohin Sie wollen. Sie machen das auch an anderen Stellen. Ich komme gleich noch darauf.

Dann haben beide vorgeschlagen – die CDU sogar mit einer Einnahmeerwartung für dieses Jahr –: Einnahmen aus Steuerabführungen der Schweiz mit 569 Millionen €. Dieses Jahr! Etwas Unseriöseres habe ich hier in der Haushaltspolitik noch nie gehört.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Um es ganz klar zu sagen: Ich bin, wir sind überhaupt nicht gegen ein Steuerabkommen mit der Schweiz –

(Christian Lindner [FDP]: Eben!)

aber dann mindestens zu den gleichen Konditionen wie bei den Amerikanern: volle Transparenz und nicht dieses Schweizer Bankenmodell der Bereicherung am deutschen Staat auch noch sanktionieren. Das ist der entscheidende Punkt!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von Christian Lindner [FDP])

Herr Lindner, ich weiß, die FDP hat diese Einnahmen erst für 2014 eingetragen – weil Sie mit Steuersündern ja notorisch etwas nachsichtig sind. Insofern kommt das bei Ihnen ein Jahr später. Trotzdem kann es doch nicht sein, dass das die Finanzierungsvorschläge der CDU für den Haushalt dieses Jahres sind. Was soll man denn damit machen?

Herr Laumann, der nächste Taumelkäfer: Sie sind heroisch gegen das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr. Aber Sie fordern als CDU gleichzeitig ein beitragsfreies kostenloses Vorschuljahr. Drittes Kindergartenjahr, Vorschuljahr – das ist in der Sache das Gleiche, das sind die gleichen Kinder. Und das

kriegen Sie nicht für 150 Millionen €. Insofern: Was soll das?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Lassen Sie mich einen kleinen Exkurs machen. Das Bemerkenswerte an den beiden Reden von Herrn Laumann und Herrn Lindner war doch eigentlich das, was sie nicht gesagt haben. Man möge sich mal vorstellen, Ute Schäfer hätte gestern nach den Meldungen aus allen nordrhein-westfälischen

Kommunen bilanzieren müssen: Wir haben leider nur 120.000 U3-Plätze. – Was meinen Sie, was wir hier für Reden erlebt hätten?

(Zuruf: Die waren schon geschrieben!)

Die waren mit Sicherheit schon geschrieben.

Und jetzt sieht die Situation in dem Bereich folgendermaßen aus: 2011 lag die Ausbauleistung bei 12.237 Plätzen, 2012 bei 16.178, und durch die unglaublichen Anstrengungen kommen zum 1. August 2013 noch 27.804 U3-Plätze dazu – gemeldet von den einzelnen Kommunen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Deswegen auf einmal Schweigen – kein Dankeschön, keine Anerkennung, das würde auch schwerfallen –, weil 144.883 U3-Plätze erreicht sind. Das entspricht einer Versorgungsquote von einem Drittel.

Wir wissen, dass damit nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Man erlebt es selber, wenn man in einem Alter ist, in dem man absehbar Großvater werden könnte und sich darauf freut. Man erlebt seine Patenkinder, die junge Eltern geworden sind. Die Frauen und die Männer wollen wieder arbeiten. Der Bedarf ist also vorhanden.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als wir für unsere Kinder nach einem Kindergartenplatz gesucht und die Betteltour gemacht haben, wo wir sie unterbringen können. In dem Bereich besteht der Rechtsanspruch seit Langem.

Jetzt gibt es ihn auch für U3. Wenn wir wollen, dass junge Frauen – meistens sind sie betroffen –, aber auch junge Männer, die sich zeitweise der Kindererziehung widmen, wieder in den Beruf gehen, dann müssen wir diesen Prozess weiterführen. Dazu gibt es keine Alternative. Dann müssen Sie uns nicht kritisieren, dass wir in den Bereich Geld hineinstecken.

Ich sage ganz ehrlich, Ute, dass ich manchmal auch gedacht habe, als wir um mehr Geld gerungen haben, ob es noch so viel mehr sein muss. Jetzt sage ich: Respekt für die Arbeit, die ihr in der Taskforce geleistet habt! Respekt auch für die Fachpolitikerinnen, die das unterstützt haben! Das ist der richtige Weg. Und wir gehen ihn konsequent weiter.

(Beifall von den GRÜNEN)