Ich habe zu Hause gelernt: Wer schreit, hat Unrecht. – Sie sind vielleicht anders sozialisiert worden.
Eines hat mich bei den Ausführungen des Finanzministers sehr schockiert: Wer allen Ernstes erklärt, dass er bei Rekordeinnahmen keine einzige Idee hat, wie seine Mitarbeiter anständig zu bezahlen sind, sehr geehrte Damen und Herren, der sollte,
Dazu möchte ich gerne etwas sagen: Unser Finanzkonzept scheinen einige von Ihnen weder gelesen noch verstanden zu haben.
Sie behaupten irgendwelchen Unsinn. Leider ist meine Redezeit begrenzt, wir haben aber auch Arbeitskreissitzungen. Dahin lade ich Sie von SPD und Grünen herzlich ein.
Dann erläutern wir Ihnen mal die Dinge, die intellektuell für Sie augenscheinlich zu komplex sind, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich möchte Ihnen am heutigen Tage einmal die Konsequenzen Ihres Handelns vor Augen führen. Ich glaube, Sie wissen gar nicht, was Sie im Augenblick in diesem Land anrichten. Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus dem Schulbereich nennen: Es geht um den Gesetzentwurf zur Inklusion.
Inklusion bedeutet Umbau des gesamten Schulsystems. Das bedeutet: Da unsere Lehrer dafür nicht ausgebildet sind, müssen sie fortgebildet werden. Ganz viele Lehrerinnen und Lehrer haben diese Fortbildung noch nicht durchlaufen, weil man viel zu spät damit angefangen hat. In vielen Kommunen sind die Schulgebäude in keiner Weise darauf eingerichtet, weil sie schon alt sind. In dieser Problemlage und bei einer solch komplexen, anspruchsvollen Aufgabe sagen Sie den Lehrern: Wir erwarten, dass du diese wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe übernimmst, aber bitte zum Nulltarif! – Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, richten Sie im Moment in Nordrhein-Westfalen an.
Es geht dabei nicht nur um Geld, nicht nur um Reallohnverlust, sondern – das ist noch viel gravierender – um Vertrauensverlust und mangelnde Wertschätzung der Arbeitsleistung. Dass das nicht nur unsere Ansicht ist, möchte ich Ihnen anhand eines Beispiels belegen: Der Philologen-Verband NRW hat eine Stellungnahme mit dem Titel „Statt Wertschätzung Affront gegen Lehrkräfte“ abgegeben. Ich glaube, das sagt alles.
Sie benötigen hoch motivierte Lehrkräfte, bringen ihnen gegenüber aber gleichzeitig Ihre volle Missachtung zum Ausdruck. Ist Ihnen eigentlich klar,
was in unserem Schulsystem noch funktionieren wird, wenn die Lehrerinnen und Lehrer nur noch ihren Pflichtaufgaben nachkommen? Ich weiß gar nicht, ob Sie die Realität kennen. Wenn sie nur noch den Pflichtaufgaben nachkommen, dann wird Ihnen das Schulwesen um die Ohren fliegen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das haben Sie dann zu verantworten.
Wie wollen Sie neue Sonderpädagogen gewinnen, die wir dringend benötigen? Was sagen Sie ihnen dazu, was das Attraktive an dem Beruf ist? Sie bekommen mehr Arbeit – eine Wertschätzung bekommen sie nicht. Ich bin gespannt, wie Sie das Problem lösen wollen.
Zu der Missachtung zählt übrigens auch, dass man Wochen benötigt, um den Lehrern die Kosten für Klassenfahrten zu erstatten – nach einem Gerichtsurteil, nicht freiwillig.
Dem Fass den Boden schlägt es dann aus, wenn Sie sagen: Im Grunde genommen sind das ja Spaßveranstaltungen für Lehrer; wir müssen noch mal darüber nachdenken, ob das überhaupt alles pädagogisch wertvoll ist. – Das schlägt wirklich dem Fass den Boden aus. Diese Missachtung wird auf Sie zurückfallen.
Ihr Verhalten wird weitere Konsequenzen haben. Wir haben bereits jetzt in Nordrhein-Westfalen einen großen Mangel an Schulleitern. So haben wir hier aktuell 348 Grundschulen ohne Schulleiter.
Wie wollen Sie diesen Trend stoppen, wenn Sie den potenziellen Schulleitern deutlich mehr Arbeit und deutlich mehr Verantwortung versprechen, sie dafür aber nicht entlohnen wollen? Glauben Sie ernsthaft, dass Sie dieses Problem auf diese Art und Weise gelöst bekommen? Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen: Sie werden reihenweise Schulen ohne Schulleitung bekommen. Das leiten Sie mit diesem Beschluss am heutigen Tage ein.
Wie naiv oder ideologisch verblendet muss man sein, um zu glauben, dass das gut gehen wird? Das wird nicht gut gehen. Die Schülerinnen und Schüler sind diejenigen, die die Konsequenzen tragen müssen.
Es geht noch weiter. Sie werden auch erleben, dass qualifizierte Lehrkräfte in andere Bundesländer abwandern. Sie können dazu gerne mal die Berliner Kollegen fragen; da ist das nämlich geschehen.
Dort werden Sie feststellen, was mit einem Schulsystem passiert, wenn man qualifizierte Lehrkräfte nicht entsprechend entlohnt, sodass sie sich attrak
Andere Lehrer wird es gar nicht mehr geben. In einigen Bereichen der Berufskollegs haben wir bereits heute einen eklatanten Fachlehrermangel. Wie wollen Sie jemanden, der Maschinenbau, Elektrotechnik oder Wirtschaftswissenschaften studiert und attraktive Positionen in der Wirtschaft einnehmen kann, denn für das Schulsystem gewinnen? Das ist abenteuerlich. Das Ganze geht nicht nur über Bezahlung, aber es geht auch über Bezahlung.
Ich sage Ihnen eines: Wenn Sie die Lehrkräfte in diesem Land nicht mehr haben, dann haben Sie irgendwann auch die Ausbildungsberufe in Nordrhein-Westfalen nicht mehr; denn wenn Sie die Lehrer nicht mehr haben, die in den Berufen ausbilden können, gibt es auch die Berufsbilder nicht mehr. Damit nehmen Sie unseren jungen Leuten wichtige Chancen in der Arbeitswelt.
Zum Schluss: Schauen Sie sich vielleicht noch mal an, was nach den Erwartungen der Schulministerin in den kommenden Jahren im nordrhein
westfälischen Schulsystem alles geleistet werden soll. Es ist ja nicht einfacher geworden. Schließlich gibt es vielfältige gesellschaftliche Aufgaben, die alle in der Schule erledigt werden sollen. Lesen Sie das mal nach; die Ministerin hat alles wunderbar verschriftlicht. Und dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, stellen Sie sich bitte die Frage, ob Sie unter den gegebenen Rahmenbedingungen diesen Beruf in Nordrhein-Westfalen ergreifen würden. Ich glaube, viele werden es nicht tun.
Hier werden noch Seminartipps ausgetauscht, glaube ich. Je nachdem, was Sie beizutragen haben, komme ich gleich auch gerne darauf zurück. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man die Frage der Besoldung unserer Beamtinnen und Beamten im Landesdienst hier überhaupt ernsthaft zur Sprache bringen will, ist es eine zwingende Grundlage, Ehrlichkeit und Lauterkeit in die Debatte hineinzubringen und ganz offen und reinen Herzens zu sagen, was geht, was nicht geht und warum was nicht geht.
Erstens. Sie haben zunächst noch einmal versucht, die Glaubwürdigkeit der Landesregierung mit dem größten Wort, das man überhaupt im Munde führen kann, in Zweifel zu ziehen, nämlich mit dem Vorwurf des Wortbruchs. Das möchte ich nur noch mal mit einem einzigen Zitat widerlegen, damit wir dann auf den Kern zurückkommen und uns darüber streiten können, welcher inhaltliche Weg der Auseinandersetzung denn der richtige ist, ohne dabei ständig mit diesen Vorverurteilungen umgehen zu müssen.
Landesfinanzminister Norbert Walter-Borjans hat schon im November 2011 an den 1. Vorsitzenden des dbb NRW, Meinolf Guntermann, geschrieben. Zwei Sätze darf ich hier zitieren:
„Zu einem vertrauensvollen Umgang zwischen Landesregierung, Beamtenschaft und dbb gehört aber auch, dass man den Beschäftigten im öffentlichen Dienst klar sagt, was geht und was nicht.“
„Auch die Personalausgaben als größter Ausgabenblock können bei den Konsolidierungsmaßnahmen deshalb nicht außen vor bleiben.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann inhaltlich darüber streiten, wie man das findet oder wie man das ausgestaltet. Wortbruch dürfen Sie der Landesregierung angesichts dieser Zeilen aber nicht vorwerfen.