Protokoll der Sitzung vom 21.03.2013

Wir können nicht länger zusehen, wie immer mehr Stadtteile abstürzen, die Wohnungen verfallen und das Wohnumfeld verkommt. Wir werden dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche in einem Wohnquartier groß werden, wo ihnen Chancen für die Zukunft gegeben werden.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Eine verantwortliche Wohnungspolitik ist Sozialpolitik, Bildungspolitik und Präventionspolitik.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Lassen Sie mich zu einem weiteren Punkt kommen. Finanzinvestoren fahren das sogenannte Geschäftsmodell Hartz IV. Dahinter steckt eine einfache Masche. Der Finanzinvestor erhält eine sichere Miete, wenn er an Transferleistungsempfänger und -empfängerinnen vermietet. Dieses Geld bekommt der Investor unabhängig von der Qualität der Wohnung Einzige Anstrengung, die ihm noch bleibt, ist, Leerstände zu verhindern. Wenn man dann kein Geld in Hausmeisterservice und Instandhaltung investiert, ist die Rendite für den Anleger sicher.

Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, in einem Abstimmungsprozess mit den Kommunen und den Jobcentern darauf hinzuwirken, dass die Angemessenheitskriterien unterschiedliche Qualitäten von Wohnraum berücksichtigen. Gleichzeitig soll die Landesregierung durch eine entsprechende Beratung der Kommunen darauf hinwirken, dass sich Transferleistungsempfängerinnen und -empfänger zur Wahrnehmung ihrer Rechte durch kommunale Kooperationsvereinbarungen bei Mietvereinen beraten lassen können.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Weiter fordern wir die Novellierung der Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen. Denn wir wollen eine Rechtsgrundlage schaffen, damit nicht genutzte und verfallene Gebäude einer bauaufsichtlichen Beseitigungsanordnung unterliegen.

(Beifall von der SPD – Martin Börschel [SPD]: Bravo!)

Wir wollen die vorrangige Sicherung von Bußgeldern und Ersatzvornahmen. Wir fordern die Änderung des Gesetzes zur Förderung und Nutzung von Wohnraum. Denn wir wollen ein verschärftes Wohnungsaufsichtsgesetz, beispielsweise mit einer Vereinfachung des Verfahrens für Unbewohnbarkeitserklärungen und der Ergänzung eindeutiger Min

deststandards für Wohnraum. Wir fordern eine Evaluierung des Zweckentfremdungsverbots und der Kündigungssperrfristverordnung.

Schließlich fordern wir die Landesregierung auf, die Förderinstrumente gerade im Hinblick auf Investitionen in Problemimmobilien weiterzuentwickeln. Dieser Prüfauftrag umfasst auch die Frage, ob Ankaufhilfen in Form von Darlehen oder Bürgschaften für den Erwerb von Problemimmobilien bereitgestellt werden können.

(Beifall von der SPD)

Wir gehen noch weiter. Im zweiten Schritt werden wir durch Bundesratsinitiativen diese Missstände anpacken. Wir werden dort steuer- und finanzrechtliche Instrumente, das Wohnungs- und Städtebaurecht und das Sozial- und Zivilrecht angehen. Denn ein Ansetzen auf der Bundesebene bedeutet eine direkte Ursachenbekämpfung der negativen Ausmaße des Geschäftsmodells von Private-EquityInvestoren.

Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, diesem Antrag zuzustimmen, damit alle Menschen in Nordrhein-Westfalen gute und bezahlbare Wohnungen haben und sich dort auch zu Hause fühlen können. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Voigt-Küppers. – Nun spricht für die CDU Kollege Voussem.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Einsetzung der Enquetekommission im November 2010 sind mittlerweile zweieinhalb Jahre vergangen. Zur Bewertung der Arbeit dieser Kommission gehört sicherlich auch ein Blick zurück auf die Debatte, die wir bei der Einsetzung dieser Kommission geführt haben.

Auslösendes Moment für die Einsetzung dieser Kommission war, dass viele Abgeordnete das Gefühl hatten, dass es in diesem Land ein massives Problem mit vernachlässigten und verwahrlosten Immobilien, sogenannten Schrottimmobilien, gibt – Immobilien, die nicht auf dem aktuellen Stand der Gebäudetechnik stehen, Immobilien, deren Erscheinungsbild heruntergekommen ist, aber auch Immobilien, in denen menschenwürdiges Leben nicht möglich ist.

Wohnen ist wie Essen und Trinken ein Grundbedürfnis der Menschen. Wie jeder Lebensmittelskandal ist daher auch jeder Skandal auf dem Wohnungsmarkt einer, der extrem emotional aufgeladen ist. Die Arbeit der Enquetekommission hat sicherlich zur Versachlichung der hoch emotionalen Debatte beigetragen.

Eine wichtige Erkenntnis dabei ist für mich das Folgende: 99 % der Wohnungen in diesem Land sind in einem guten Zustand. Vernachlässigte und verwahrloste Immobilienbestände sind mithin kein Massenproblem. Die Mehrzahl der Vermieter und Hauseigentümer geht anständig mit ihren Mietern um. Trotzdem bleibt die Erkenntnis, dass es Problemimmobilien in unserem Land gibt.

Da Wohnen ein Grundbedürfnis der Menschen ist, sind auch 1 % Problemimmobilien in unserem Land 1 % zu viel.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Dazu kommt, dass die Konzentration von problematischen Wohnungsbeständen in einzelnen Quartieren einige Kommunen dieses Landes vor erhebliche Probleme stellt. Obwohl wir nur von 1 % der Wohnimmobilien unseres Landes sprechen, war es daher richtig und wichtig, uns mit den Ursachen von Problemimmobilien zu beschäftigen.

Da stand am Anfang die These, dass vernachlässigter und verwahrloster Wohnraum allein ein Problem von Wohnungsbeständen neuer Finanzinvestoren sei. Heute wissen wir: Ein erheblicher Anteil von Problemimmobilien, immerhin 43 %, befindet sich in Hand privater Einzeleigentümer. Und nicht nur das: Die Enquetekommission kommt zu dem Ergebnis, dass zukünftig die privaten Einzeleigentümer noch problematischer einzuschätzen sind als die Finanzinvestoren.

Sicherlich: 55 % der Problemimmobilien befinden sich im Eigentum von Finanzinvestoren. Allerdings gehört es ebenfalls zur Erkenntnis der Enquetekommission, dass sich der heute vielfach beklagte Instandhaltungsrückstand in den Wohnungsbeständen von Finanzinvestoren bereits vor dem Erwerb der Bestände durch die Investoren aufgestaut hat. Es waren eben auch schon die Wohnungsbaugesellschafen des Bundes, der Länder und Kommunen, die bei der Instandhaltung gespart und die heutige Situation mit zu verantworten haben.

(Beifall von der FDP und Bernhard Schem- mer [CDU])

All dies zeigt, meine Damen und Herren: Wenn das Problem mit vernachlässigten und verwahrlosten Immobilien ernsthaft angegangen werden soll, reicht es nicht, einfach nur mit dem Finger auf die bösen Finanzinvestoren zu zeigen. Es reicht nicht, die Geschäftsmodelle von Finanzinvestoren als böse Fratze des Kapitalismus zu verteufeln. Sicherlich: Auch hier gibt es Auswüchse, die wir unterbinden müssen. Es ist zum Beispiel niemandem zu vermitteln, weshalb der Erwerber eines Einfamilienhauses Grunderwerbsteuer zahlen muss, der Erwerber einer 94%igen Beteiligung an einer Wohnungsbaugesellschaft mit mehreren hundert oder tausend Wohnimmobilien jedoch von der Grunderwerbsteuer befreit ist.

Wir unterstützen daher ausdrücklich die Forderung, die von der damaligen rot-grünen Bundesregierung durchgesetzte Steuerbefreiung für Investoren rückgängig zu machen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wenn aber Problemimmobilien nicht nur in Beständen von Finanzinvestoren zu finden, sondern unabhängig von der Eigentümerstruktur ein generelles Problem für die in diesen Immobilien lebenden Menschen und die Kommunen sind, wenn wir feststellen, dass in den kommenden Jahren vor allem Problemimmobilien im Eigentum von Einzeleigentümern zum Problem werden, dann müssen Lösungsansätze gefunden werden, die nicht alleine die Finanzinvestoren in den Blick nehmen.

Ich bin froh, dass die Enquetekommission sich von der ursprünglich sehr engen Betrachtung alleine der Problemimmobilien im Bestand von Finanzinvestoren gelöst hat. Wenn ich mich an die Diskussion über das Arbeitsprogramm am Anfang unserer Arbeit zurückerinnere, dann war gerade das sehr umstritten.

Den Menschen in unserem Land, die von Problemimmobilien betroffen sind – sei es als Mieter, sei es als benachbarte Eigentümer –, ist es herzlich egal, wer Eigentümer der Problemimmobilie ist. Sie wollen Lösungen von uns haben. Sie wollen, dass die Kommunen aktiv werden und sie mit den Problemen nicht alleine gelassen werden. Warum – fragen viele – werden Kommunen nicht aktiv? Fehlt es etwa am Rechtsinstrumentarium?

Eine Feststellung unserer Arbeit war, dass den Kommunen bereits heute ein umfangreiches

Rechtsinstrumentarium zur Verfügung steht. Leider wird dieser Instrumentenkasten vielfach nicht voll ausgeschöpft. Das hat nach Erkenntnis der Enquete mehrere Ursachen.

Zunächst ist festzuhalten, dass das vorhandene Instrumentarium vielen Kommunen schlicht und ergreifend unbekannt ist. Eine Handlungsempfehlung ist daher, dass die Landesregierung zukünftig die Information und Beratung von Kommunen im Umgang mit Problemimmobilien intensivieren muss.

Eines der schärfsten Schwerter der Kommunen ist sicherlich die Androhung von Ersatzvornahme. Leider ist dieses Schwert, insbesondere in Kommunen mit defizitären Haushalten, ziemlich stumpf. Wenn die Kommune im Zweifelsfall aus Kostengründen eine Ersatzvornahme nicht vornimmt, verliert die Drohung ihre Wirkung. Hier würde schon eine bessere Absicherung der Forderung aus der Ersatzvornahme nach Ansicht der Kommission dieses Instrument deutlich schärfen.

Veränderungsbedarf ist sicherlich vorhanden. Allerdings sind wir der Auffassung, dass einige Vorschläge über das Ziel hinausschießen. Um es ganz

klar zu sagen: Wir lehnen alle Forderungen ab, die finanz- und ordnungspolitisch bedenklich sind.

Ein Beispiel: In den Handlungsempfehlungen findet sich die Forderung nach Ankaufhilfen in

Zwangsversteigerungsverfahren. Solche Ankaufhilfen lehnen wir als CDU entschieden ab. Sie verzerren den Markt, treiben die Preise in die Höhe, erlauben es unverantwortlichen Eigentümern, sich auf Kosten der Allgemeinheit zu sanieren, und belasten die öffentlichen Haushalte selbst, wenn man sie als revolvierende Fonds auflegen würde. Oder es wird davon gesprochen, ein Lizensierungssystem für Vermieter einzuführen – aus unserer Sicht ein viel zu weit gehender Eingriff in die Eigentumsfreiheit.

Meine Damen und Herren, leider konnte die Enquetekommission viele Vorschläge aufgrund der stark verkürzten Zeit nicht zu Ende diskutieren. Wir betrachten den Enquete-Bericht daher als Einladung an alle betroffenen Ausschüsse hier im Landtag, die Ideen und Vorschläge der Enquete intensiv zu diskutieren und zu prüfen und anschließend konkrete Initiativen zu entwickeln. Die CDU-Fraktion würde sich an einem solchen Prozess gerne beteiligen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Danke schön, Herr Kollege Voussem. – Nun spricht für die grüne Fraktion Frau Schneckenburger.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe nun die Gelegenheit, für meine Fraktion einen Blick auf die Arbeit der Enquetekommission zu werfen. Wir haben den Einsetzungsantrag vor zwei Jahren gestellt, Herr Voussem, weil es eine sehr klare Problemanzeige aus den Städten gab,

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

die sich deutlich anders darstellt als das, was Sie hier beschrieben haben.

Sie haben davon gesprochen, 1 % der Wohnungen in Nordrhein-Westfalen befänden sich in den Händen von Finanzinvestoren. Wir wissen, dass diese Zahl nicht richtig ist.

(Klaus Voussem [CDU]: Steht doch im Be- richt!)

Es gibt in Nordrhein-Westfalen 5,8 Millionen Wohnungen im Geschosswohnungsbau. Rund 320.000 Wohnungen liegen in den Händen von Finanzinvestoren. Das konzentriert sich im Wesentlichen auf drei bis vier große Unternehmen.

Darüber hinaus – das ist das viel größere Problem, und das wissen Sie doch eigentlich aus der der Arbeit der Enquetekommission – gibt es noch viele kleine Unternehmen, die nicht so sehr im medialen