Protokoll der Sitzung vom 21.03.2013

Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie. Lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mostofizadeh zu?

Ich möchte gerne im Kontext vortragen. Wir können darüber gerne später reden.

Im Gegenzug darf diese Generation der Schuldentilger von dieser Regierung wenigstens eines erwarten, nämlich dass Sie aufhören, mit den öffentlichen Haushalten Blindekuh zu spielen. Wenn sich eine Regierung keine Gedanken über die Zukunft des Staates und seine Finanzierung macht, dann kommt es früher oder später zu einem harten Bruch, der besonders junge Menschen und junge Familien von heute auf morgen im Regen stehen lässt.

Die Haushaltsdebatten haben gezeigt, dass Kritik – sei sie noch so konstruktiv – an der Landesregierung abprallt. Ich kann nur hoffen, dass die regierungstragenden Fraktionen mehr Interesse an den Themen aufbringen, die wir eingebracht haben. Hier setzen wir mit unserem Antrag zur Einsetzung einer Enquetekommission an.

Alle Fraktionen in diesem Hohen Hause müssen sich mit dem wichtigen Thema der Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte vor dem Hintergrund des demografischen Wandels auseinandersetzen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das war der erste ver- nünftige Satz!)

Ein „Weiter so“ ist dauerhaft nicht möglich. Das dürfte wohl jedem hier bewusst sein. Die Enquetekommission ermöglicht einen ernstzunehmenden Versuch, gemeinsame Konzepte für die Zukunft zu entwickeln.

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Abgeordneter. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ja, das ist mein letzter Satz, Herr Präsident.

Ich bitte Sie daher alle nachdrücklich, sich unserem Antrag anzuschließen und sich der Zukunft Nordrhein-Westfalens nicht zu verschließen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die SPD-Fraktion erteile ich nunmehr Herrn Kollegen Weske das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! An und für sich ist die Einrichtung einer Enquetekommission nicht ganz so spektakulär und obliegt besonderen Regeln in diesem Hohen Hause. Insofern kann ich schon zu Beginn ankündigen, dass die SPD-Landtagsfraktion gleich dem CDU-Antrag auf Einrichtung einer Enquetekommission zustimmen wird, und zwar nicht wegen Ihres Antrages, sondern trotz Ihrer Eingangsrede, Herr Schmitz.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Verzeihen Sie mir, dass ich den Titel der Kommission nicht ausgesprochen habe. Dann wäre meine Redezeit jetzt nämlich zu Ende. Aber dazu komme ich später noch.

Ich möchte an dieser Stelle vier Anmerkungen machen.

Erstens. Bevor der Antrag konkret wird, wird über vier Seiten Prosa eine leider sehr undifferenzierte Lobeshymne auf die Schuldenbremse gesungen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz, und wir müssen und werden sie einhalten. Aber das, was Sie zum Beispiel auf Seite 4 dazu schreiben, ist – mit Verlaub – doch etwas übertrieben:

„Deshalb zählt das Erreichen der Schuldenbremse zu den wesentlichen Voraussetzungen einer humanen Gestaltung des demografischen Wandels.“

Ich gehe davon aus, dass es in den Beratungen der Kommission auch seitens der Expertinnen und Experten reflektierte und kritischere Betrachtungen der Schuldenbremse geben wird.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Immerhin erklären Sie später im Antrag – das ist auch das Wichtige –, dass wir in der Kommission eine ideologiefreie, argumentative Beratung über sinnvolle bzw. abwegige Lösungsvorschläge führen werden. – So soll es sein.

Zweitens. Angesichts des heutigen Equal-Pay-Days verweise ich gerne auf die Studien unter anderem der Bertelsmann Stiftung, auf die Sie sich in Ihrem Antrag beziehen. Ich meine allerdings einen anderen Zusammenhang, der in diesem Antrag überhaupt nicht auftaucht. Eine wichtige Handlungsoption gegen die sinkende Zahl der Erwerbstätigen im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel ist laut den Studien die Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit. Die beiden Stellschrauben dafür sind

die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Kampf gegen die Lohndifferenz. Davon ist in Ihrem Antrag aber nichts zu finden. Insofern müsste es in dem Antrag eigentlich heißen: Deshalb zählt das Erreichen der Gleichstellung von Frau und Mann zu den wesentlichen Voraussetzungen einer humanen Gestaltung des demografischen Wandels.

(Beifall von der SPD)

Drittens. Ich begrüße es ausdrücklich, dass es in der Enquetekommission um alle öffentlichen Haushalte in Nordrhein-Westfalen gehen soll und nicht nur um den Landeshaushalt. Es darf eben nicht sein – das fordern wir auch an anderer Stelle, wenn es um die Aufnahme einer Schuldenbremse in die Landesverfassung geht –, dass am Ende die Städte und Gemeinden die Dummen sind, wenn Bund und Länder versuchen, zwecks Einhaltung der Schuldenbremse die Lasten auf die Kommunen wegzudrücken.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Nun könnte man sagen: Die Gefahr ist gering, da sozialdemokratische Regierungszeiten in Nordrhein-Westfalen in der Regel 39 Jahre andauern. Damit wäre die Dekade zwischen 2020 und 2030 abgedeckt.

Nein, ich hoffe an dieser Stelle, dass wir am Ende in einem gemeinsamen Bericht zu guten und praktikablen Lösungsvorschlägen im Umgang mit den Folgen von demografischem Wandel und Schuldenbremse für die Kommunen kommen werden.

Viertens. Ich möchte einen Kürzungsvorschlag machen. Keine Sorge, es geht nicht um Mitarbeiter, Büroräume, Forschungsaufträge oder Studienfahrten. Ich ahne schon, wohin die Reise laut CDU gehen soll. Angesichts des Namens der Enquetekommission, der 175 Zeichen umfasst, sollten wir uns um eine knackigere Überschrift bemühen. Eben wurde der Vorschlag gemacht „Null Dispo 20 bis 30“. Das wäre sicherlich ein Anfang an dieser Stelle. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Weske. – Das war gerade Ihre erste Rede im Landtag Nordrhein-Westfalen. Dazu darf ich Ihnen im Namen des gesamten Hohen Hauses sehr herzlich gratulieren.

(Allgemeiner Beifall)

Jetzt erteile ich Herrn Kollegen Abel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Schmitz, ich bin schon enttäuscht darüber, dass Sie in Ihrem Beitrag so wenig über Ihren

eigenen Antrag gesprochen haben. Die CDU scheint es jetzt noch nicht mal mehr fertigzubringen, einen Antrag auf Einsetzung einer Enquetekommission sachlich zu begründen, ohne die Textbausteine aus dem Wahlkampf zu verwenden. Ich hoffe, das wird in der Kommission anders.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Wir sprechen beim demografischen Wandel immerhin über die zentrale Herausforderung der nächsten Jahrzehnte. Darauf möchte ich meinen Redebeitrag konzentrieren. Es geht darum, welche Herausforderungen es gibt. Wir wissen, dass die Geburtenrate sinken wird, dass wir abnehmende Schüler- und Studierendenzahlen und weniger Fachkräfte haben werden. Wie können wir unsere Infrastruktur bei diesen Voraussetzungen erhalten, bzw. wie müssen wir sie verändern?

Weder sind diese Fragen neu, noch sind es die Voraussagen der Demografen. Es wäre auch nicht die erste Enquetekommission, die sich mit diesen Fragestellungen auseinandersetzt. Sicherlich kann man in Nuancen auch zu einer anderen Bewertung in der Frage kommen, welche Bedeutung dem demografischen Wandel zugemessen wird. Aber dass uns als Politik die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte mit Blick auf die Dekade 2020 und darüber hinaus zusätzlich vor Herausforderungen stellt, diesen Wandel zu gestalten, das sollte allen klar sein.

Insofern ist der Antrag zu dieser Enquetekommission Ausdruck dieser Erkenntnis. Deshalb begrüßen wir ihn. Wir begrüßen ihn auch deswegen, weil uns zur Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte und zu den möglichen Auswirkungen bisher – vorsichtig ausgedrückt – nur begrenzte Erkenntnisse und Szenarien für die Länderebene vorliegen. Wir hoffen daher, dass wir nicht nur deskriptiv tätig werden, sondern auch Handlungsmaßnahmen für Politikfelder, die vom demografischen Wandel betroffen sind, erarbeiten können.

Lassen Sie mich kurz einige Punkte benennen, die aus unserer Sicht unbedingt ins Arbeitsprogramm gehören. Wir haben bei uns in Nordrhein-Westfalen sehr unterschiedliche Regionen. Wir haben stark wachsende Regionen wie meine Heimatstadt Düsseldorf und die Rheinschiene hinunter, auf der anderen Seite stark schrumpfende Regionen wie Teile des Bergischen Landes oder Südwestfalen. Wir haben also gegensätzliche Trends. Das verlangt von uns differenzierte Antworten und Flexibilität, um die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Diese Disparität stellt auch Fragen an unsere Instrumente und Kriterien, stellt Fragen an das, was wir fördern und vor allen Dingen, wie wir es zukünftig fördern.

Aber bei den bloßen Haushaltsimplikationen sollten wir nicht stehen bleiben. Vielmehr wollen wir Szenarien entwickeln, wie wir diese Auswirkungen begrenzen, wie wir ihnen begegnen können. Wir müs

sen uns bewusst sein, dass es auch Ängste vor diesen Auswirkungen gibt, besonders wenn die soziale und die sachliche Infrastruktur betroffen sind, insbesondere in den schrumpfenden Regionen unseres Landes. Auch deshalb darf der demografische Wandel nicht als Bedrohung oder als Schreckgespenst antizipiert werden. Wir wollen sachlich analysieren. Eine Enquetekommission ist dafür bestimmt der geeignete Rahmen.

Gleiches gilt für die Migration. Auch hier gibt es große Ängste. NRW ist das Land mit dem höchsten Bevölkerungsanteil mit ausländischen Wurzeln. Nach den Prognosen des Bundes ist ganz klar: Wir werden den demografischen Wandel nicht schaffen, ohne Einwanderung zu befördern. NRW erfüllt hierfür bereits viele Voraussetzungen. Wir müssen uns aber deutlich weiterentwickeln. Mittlerweile gibt es eine weltweite Konkurrenz um Fachkräfte, um den schönen Anglizismus Braindrain zu vermeiden. Das bedeutet für uns, dass wir die Wünsche und Ziele der Leute, die zu uns kommen, die hier arbeiten und ihre Heimat finden wollen, berücksichtigen und unsere Instrumente daraufhin untersuchen.

Meine Damen und Herren, Enquetekommissionen bilden eine Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns auch trauten, Wissenschaftlerinnen und Forscherinnen einzuladen, die nicht schon einen populären Namen haben und deren Thesen wir daher wahrscheinlich auch schon kennen. Wir wünschen uns vielmehr, bei der Bestellung von Sachverständigen auf die vielen kleinen Institute und auf vielleicht bisher nicht so bekannte Köpfe zurückzugreifen, die aber kluge und vielleicht auch ungewöhnliche Ideen haben oder neue Einsichten liefern können.

(Beifall von den PIRATEN)

Lassen Sie mich zum Schluss sagen – die Angesprochenen mögen es mir nachsehen –: Wir wünschen uns auch, dass wir uns bei den Sachverständigen nicht nur auf Finanzwissenschaftler beschränken. – Das ist ganz schön im Saal: Man sieht jetzt sofort, wer was studiert hat.

Ich komme zum Schluss. Wie der demografische Wandel gestaltet wird, wie er sich auf unseren Sozialstaat auswirken wird, wie er sich auf unseren Lebensstandard auswirken wird, das wird im Wesentlichen von unseren künftigen wirtschafts-, sozial- und arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen und deren gesellschaftlicher Umsetzung abhängen. Die Herausforderungen sind groß, ebenso sind es die Chancen.

Wenn es nach uns geht, dann können wir sachlich zusammenarbeiten. Lieber Herr Kollege Schmitz, wir können an Lösungsvorschlägen für die Bewältigung dieser Herausforderung arbeiten. Denn egal, welche Parteizugehörigkeit man hat, und egal, wer gerade regiert: Wir alle müssen uns diesen Herausforderungen stellen.

Ich bedanke mich im Namen meiner Fraktion für den Aufschlag. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit in der Enquetekommission. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die FDP-Fraktion spricht als nächster Redner Herr Kollege Hafke.