Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die FDP-Fraktion spricht als nächster Redner Herr Kollege Hafke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Anliegen, das in dem Antrag zur Einrichtung einer Enquetekommission dargestellt wird, ist absolut richtig. Die FDP-Fraktion begrüßt diesen Antrag deshalb ausdrücklich.
Es ist gute Tradition, dass sich das Parlament mit den großen Zukunftsthemen in einem der Tagesaktualität etwas entrückten Raum beschäftigt. Das Thema „Tragfähigkeit zukünftiger Haushalte“ ist ohne Frage ein ganz zentrales Zukunftsthema.
Der demografische Wandel ist ein Begriff, bei dem Verwendungshäufigkeit und politische Schlussfolgerungen in einem Missverhältnis stehen. Anders gesagt: Jeder spricht darüber, aber kaum einer ist sich wirklich bewusst, was es bedeutet, geschweige denn, dass politische Konsequenzen gezogen würden.
Die demografische Entwicklung wird massive Veränderungen für unsere Gesellschaft mit sich bringen. Für die Politik bedeutet das ebenfalls massive Veränderungen; denn die Entwicklung erzwingt ein zukunftsgerichtetes Denken, und zwar mehr als das sonst manchmal üblich ist, wenn man sich etwa die rot-grüne Haushaltspolitik hier im Land NordrheinWestfalen anschaut.
Der demografische Wandel ist eine große gesellschaftspolitische Aufgabe. Der Generationenvertrag zwischen Jung und Alt droht zu brechen. Die Politik muss also das vielbeschworene Miteinander der Generationen neu gestalten.
Das ist aber nicht nur gesellschaftspolitisch relevant. Deshalb finde ich es richtig, dass hier sozusagen die Hard Facts im Mittelpunkt stehen. Haushaltspolitik ist schließlich die Basis politischen Handelns. Hier drückt sich der Grad an Nachhaltigkeit, Realismus und Zukunftsorientierung aus, mit der Politik betrieben wird.
Die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte zu betrachten ist deshalb etwas sehr Grundsätzliches, bei dem wir uns klar werden müssen, was die Entwicklung für die sozialen Sicherungssysteme bedeutet. Beispiel: Wir haben bald die Situation, dass ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer zwei
das Land Nordrhein-Westfalen? Welche Konsequenzen ergeben sich für den Arbeitsmarkt, die Infrastruktur oder das Bildungssystem? Wir werden einen Fachkräftemangel erleben, dem wir begegnen müssen. Wie gehen wir mit Nachfolgeregelungen bei Handwerksunternehmen um? Wie können wir diese unterstützen, wie können wir das gestalten?
Wir müssen uns klar werden, mit welchen finanziellen Spielräumen wir überhaupt rechnen können. Das Land hat riesige Pensionslasten, die sich in aktuellen Haushalten kaum abbilden. Deshalb ist es unerlässlich, dass wir deutlich sagen, was wir wie und warum priorisieren müssen.
Die FDP-Fraktion hat immer wieder deutlich gemacht, dass Haushaltspolitik für uns vor allem auf zwei Werten beruht: Generationengerechtigkeit und Chancenpolitik. Wir wissen, dass wir der jungen Generation, die auch noch zahlenmäßig kleiner wird, nicht die Lasten der Schulden von heute und die Zinsen von morgen aufbürden dürfen. Wir wissen, dass wir die Handlungsspielräume von morgen nur sichern können, wenn wir sie nicht heute in Schuldenbergen ersticken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Landtag hat gestern den Haushalt 2013 beschlossen. Wenn wir über Schuldenbremse und Chancenpolitik reden, war das ein schlechtes Signal. Ich freue mich, dass wir heute ein positives Signal setzen, das die grundsätzliche Bereitschaft ausdrückt, über die limitierten Zeiträume von Haushaltsjahren und Legislaturperioden hinaus zu denken. Wenn wir im Rahmen der Enquetekommission auch ehrlich und mutig die Herausforderungen identifizieren und Lösungen skizzieren, dann können wir als Parlament hier einen wichtigen Schritt gehen.
In diesem Sinne wird die FDP dem Antrag zustimmen. Wir freuen uns auf die Beratungen in der Enquetekommission. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hafke. – Für die Piratenfraktion erteile ich nun Herrn Kollegen Dr. Paul das Wort.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Wir diskutieren hier gerade über die Einsetzung einer Enquetekommission, in der es, wie schon gesagt, um die Tragfähigkeit von öffentlichen Haushalten unter den Bedingungen von Schuldenbremse und demografischem Wandel in der Dekade 2020 bis 2030 gehen soll. So weit, so gut – oder doch schlecht?
Wenn man sich den Antragstext durchliest, bleiben Fragezeichen an den Grundannahmen förmlich kleben. Fangen wir mit der Behauptung an, dass der sogenannte demografische Wandel die öffentlichen Haushalte belasten werde. Es wird zunächst behauptet – ich zitiere –:
„Bei unveränderten Rahmenbedingungen ist in Deutschland ab Mitte der 2020er Jahre sogar mit einem Rückgang des BIP zu rechnen.“
Diese Aussage stammt aus den intellektuellen Torfmooren von Gütersloh. Dennoch will ich ihr zunächst gar nicht die wissenschaftliche Validität absprechen. Aber sind Schuldenbremsen, Lohnnullrunden, Rentenkürzungen und Arbeitszeitverlängerungen durch Erhöhung des Renteneintrittsalters die richtigen Elemente?
Die Frage wird doch schon im Antrag ideologisch beantwortet. Sie fordern in Ihrem Antrag – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident –:
„Den demografischen Wandel gestalten heißt, wie eingangs gesagt, Herausforderungen zu bewältigen, für die es keine historischen Beispiele und kein Erfahrungswissen gibt. Umso wichtiger sind für Politik und Gesellschaft die nüchterne Aufarbeitung von Daten und Fakten, die möglichst konkrete Beschreibung der Herausforderungen und die ideologiefreie, argumentative Beratung über sinnvolle bzw. abwegige Lösungsvorschläge.“
Aber was bitte ist denn eigentlich die Schuldenbremse? Sie ist ein ideologischer Begriff; das ist ein Fakt.
Nach meiner Ansicht wirkt sich die Schuldenbremse zunächst als Investitionsbremse aus, die Politik und öffentliche Haushalte in ihren Handlungsspielräumen einschränken wird.
Auch die möglichst frühzeitige Einhaltung der Schuldenbremse als unerlässlicher Schritt zur Sicherstellung der Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte ist eine ideologisch aufgeladene Aussage und hat mit Ihrer Einforderung der ideologiefreien Beratung überhaupt nichts zu tun.
Des Weiteren gibt es auch begründbare Kritik an Ihrer Argumentation und der Zahlenarithmetik zum Thema „demografischer Wandel“.
Erstens. Prognosen für ein halbes Jahrhundert sind Esoterik. Wer 1950 für das Jahr 2000 Aussagen treffen wollte, hatte mit Sicherheit nicht die Entwicklung und die Verbreitung der Antibabypille im Blick.
Hätte man 1900 Aussagen zum Jahr 1950 machen wollen, wären die beiden Weltkriege mit Sicherheit nicht mitgedacht worden.
Zweitens. Als Grundlage der Erhebung des Statistischen Bundesamtes ging man 2003 von einem Renteneintrittsalter von 65 Jahren aus. Dass dies verändert wurde, ist in dieser Berechnung aber nicht mehr enthalten. Auch interessant ist, dass eine Verschiebung des realen Renteneintrittsalters in Zukunft die Zahl der Beitragszahler größer werden lässt.
Aber wir wollen in der Bewertung der Frage der CDU und ihrer Enquetekommission nicht zuvorkommen. Wir freuen uns auf eine kontroverse und nachhaltige Diskussion in der Enquetekommission, deren Einsetzung wir sehr gerne zustimmen.
Erlauben Sie mir noch eine kleine Schlussbemerkung. Warum, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, bedienen Sie sich andauernd der Einschätzung einer steuerbegünstigten Stiftung? Es gibt viele wissenschaftlich validere Studien zu dem Thema. Die werden wir hoffentlich in der Enquetekommission bearbeiten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung erteile ich nun Herrn Minister Dr. Walter-Borjans das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einrichtung einer Enquetekommission ist eine ureigene Angelegenheit des Parlaments. Die Landesregierung hat nicht dazu Stellung zu nehmen, ob man sie einrichten sollte oder nicht. Ich will nur ein paar Anmerkungen machen.
Ich glaube, Herr Weske hat davon gesprochen, dass der Titel schon sehr lang geraten ist. Wenn man diese Enquetekommission nicht zu einer fortwährenden Wahlkampfveranstaltung machen will, müsste man sogar noch etwas hinzufügen, nämlich: Wie machen wir es eigentlich, dass das Land in Zukunft handlungsfähig bleibt und seine Aufgaben wahrnehmen kann, und das angesichts des demografischen Wandels und der Schuldenbremse?
Die Umkehrung sollte dagegen nicht sein: etwas, was man immer wieder gerne in den Mittelpunkt stellen möchte – die Schuldenbremse –, immer wieder zu betonen, um sich daran abzuarbeiten. Wer Herrn Schmitz und seine einführenden Worte gehört hat, der hat schon gemerkt: Dieser Tonfall mit Schaum vor dem Mund ist normalerweise nicht das Klima, in dem man eine Enquetekommission bestreitet.
Sie muss sich vielmehr auf dem Boden gemeinsamer Einschätzung und gemeinsamer Sorge um das Land mit dem beschäftigen, was zu tun ist.
Der Antrag nimmt das Jahrzehnt von 2020 bis 2030 in den Blick. Wer sich die Debatten darüber vor Augen führt, womit wir schon in den nächsten Jahren zu rechnen haben – wir können das bereits auf die Jahre 2014/2015 beziehen, wenn wir uns die derzeitigen Turbulenzen im Euroraum angucken –, und wer sich anschaut, wie unterschiedlich unsere Positionen in der Einschätzung dessen sind, wie wir den Weg bis 2020 gestalten – in dieser Zeit laufen wir auf das Ende des bisherigen Solidarpakts zu, der Länderfinanzausgleich muss neu geregelt werden –, der mag sich kaum vorstellen, dass eine seriöse und ernsthafte Diskussion für die Jahre 2020 bis 2030 möglich ist – erst recht, wenn man dafür nicht die richtige Atmosphäre findet.
Doch ich finde, dass es aller Anstrengungen wert ist, sich dieser Diskussion gemeinsam zu stellen. Das gilt gerade wegen der kurz- und mittelfristig unsicheren und gleichzeitig langfristig sicheren Entwicklungen. Wir wissen, dass sich vieles im Altersaufbau unserer Bevölkerung verschieben wird. Es wird sich auch vieles in der geografischen Verteilung der Bevölkerung verschieben. Wenn man, wenn es so weit ist, korrigierende Maßnahmen ergreifen können will, wo es möglich ist, bzw. begleitende Maßnahmen, wo Korrekturen nicht möglich sind, aber wo man die richtigen Rahmenbedingungen schaffen muss, muss man damit früh anfangen. Man muss sich früh damit beschäftigen, was sein wird und was möglicherweise sein kann.
Erlauben Sie mir dazu einige Anmerkungen. Ich bin schon seit Langem in der Landesverwaltung mit dabei. Ich weiß, dass wir Mitte der 80er-Jahre Prognosen hatten, die uns für 2000 erklärt haben, dass wir die Marke von 16 Millionen Einwohnern unterschreiten. Ich weiß, dass 1985 ein gewisser Bernhard Worms einen Wahlkampf mit der Überschrift „Abstimmung mit dem Möbelwagen“ geführt hat, weil die Menschen reihenweise das Land verlassen würden. Das Ergebnis war, dass die SPD bei dieser Wahl 52,1 % bekommen hat.
Ich möchte dafür werben, dass es sinnvoll ist, wenn wir wissen, dass viele Veränderungen auf uns zukommen und es viele Rezepte zum Umgang damit gibt, diese unterschiedlich verlaufenden, zum Teil gegenläufigen Linien genau anzuschauen, zum