Dazu gehört unserer Meinung nach auch ein qualifiziertes Aussteigerprogramm, wie es zum Beispiel von EXIT für ausstiegswillige Rechtsextremisten angeboten wird. Die sichere und langfristige Finanzierung solcher preisgekrönten und renommierten Projekte halte ich für extrem wichtig.
Ein Aussteigerprogramm, das vom Verfassungsschutz organisiert wird, ist an der Stelle falsch, schon allein deswegen, weil es dabei zu Interessenkonflikten kommen muss. Ein wirkungsvolles Aussteigerprogramm kann nur unabhängig von Behörden agieren.
Wie kommt es, dass der Salafismus überhaupt Zulauf – gerade von jungen Menschen – erhält? Der Extremismusforscher Dr. Straßner erklärt den Zulauf mit der Suche nach Orientierung. Der Verein Sekten-Info Nordrhein-Westfalen gibt zu bedenken, dass – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin – Jugendliche mit Ausgrenzungserfahrungen sich von der Teilhabe an der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen und Halt suchen.
Der Verweis auf diese Ausgrenzungserfahrungen zeigt, dass auch die Integrationspolitik ein großes Stück Mitverantwortung trägt. Vieles wurde in der Vergangenheit falsch gemacht. Es hat sich in den letzten Jahren zwar einiges gebessert, es gibt Programme – aber es gibt im Bereich der Integration und der Inklusion von Migranten noch immer viel zu tun. Ein Beispiel ist das Wahlrecht für Migrantinnen und Migranten. Ein anderes Beispiel ist die unselige Optionspflicht, die endlich abgeschafft gehört.
Wenn wir es schaffen, dass sich junge Menschen aufgrund ihrer ethnischen und/oder sozialen Herkunft nicht mehr ausgegrenzt fühlen, dann ist das ein viel größerer Erfolg gegenüber verfassungsfeindlichen Ideologien, als es restriktive Gesetze und repressive Maßnahmen je sein können. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Verbotsverfahren Bezug genommen haben und aufgrund der einleitenden Worte der Landtagspräsidentin zu den historischen Bezügen des heutigen Datums würde ich gerne etwas zu diesem Verbotsverfahren sagen wollen.
Ich finde, die Landtagspräsidentin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass schon einmal eine Demokratie auf deutschem Boden zerstört wurde, weil politischer Extremismus unterschätzt wurde – schlimmer noch: weil bürgerliche Parteien glaubten, sich zur Machterhaltung politischen Extremismus zunutze machen zu können.
Erstens durch Besuche anlässlich von Landtagswahlkämpfen in Ostdeutschland. Ich habe gesehen, dass die NPD dort inzwischen das Straßenbild dominiert, wie sehr sie in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen versucht. Versetzt man sich dann mal in die Lage von Menschen in diesen Bundesländern, die möglicherweise anders denken oder anders aussehen, dann kann man eine Vorstellung davon gewinnen, wie sehr die Hetze der NPD diese Menschen bereits jetzt einschüchtert.
Der zweite Umstand, der meine Haltung zum NPDVerbotsverfahren geprägt hat, ist die Tatsache, dass wir als Demokraten inzwischen seit elf Jahren darüber diskutieren, ein Jahr sehr intensiv Material zusammengetragen haben – davon übrigens die Hälfte von Bundesbehörden geliefert – und in der Beurteilung dieses Materials der Bundesinnenminister und alle Landesinnenminister einhellig zu der Auffassung gekommen sind, dass dieses mehr Chancen als Risiken für ein Verbotsverfahren mit sich bringt.
Insofern sollten wir im Respekt vor Menschen wie Otto Wels, die die Landtagspräsidentin vorhin zitiert hat, die sich selbst gegen politischen Extremismus gestellt haben, dabei Risiken für sich selbst oder ihre Familien in Kauf genommen haben, das Mittel der deutschen Verfassung auch nutzen, verfassungsfeindliche, aggressiv-kämpferische Parteien zu verbieten.
Ich sagen Ihnen, Herr Dr. Orth, und den Kolleginnen und Kollegen der CDU ganz deutlich: Ich finde es erbärmlich, dass eine Bundesregierung ein Jahr lang nur herumlaviert und herumeiert, statt in dieser Frage eine klare Position zu beziehen, dabei die Chance außer Acht lässt, als ein Verfassungsorgan dieses Verbotsverfahren zu unterstützen, und zwar nicht deshalb, weil es dadurch möglicherweise erfolgreicher wird, sondern deshalb, weil uns das unsere Demokratie nach meiner Auffassung eigentlich wert sein sollte.
Herr Dr. Orth, eines muss in diesem Zusammenhang auch klar sein: Dass der Bundesvorsitzende der Freien Demokratischen Partei, selbst ein Mensch mit Migrationshintergrund, zu einer Entgleisung kommt wie der, politischen Extremis
Da sollten Sie auch nicht rumschwurbeln, dass man Rechtsextremismus aus der Mitte der Gesellschaft bekämpfen muss. Ich bin zwar auch dieser Auffassung; aber diesem Verfahren nicht beizutreten, das ist für einen Demokraten eigentlich ein großer Fehler.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich würde jetzt gerne zum Thema dieser Aktuellen Stunde kommen.
Herr Lindner, beruhigen Sie sich einfach! Am Ende wird alles gut, Herr Lindner. Und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende.
Meine Damen und Herren, die Polizei hat am Mittwoch der letzten Woche vier Salafisten festgenommen, die einen Anschlag auf Mitglieder der rechtsextremistischen Bürgerbewegung Pro NRW geplant hatten. Wenn es gewünscht wird, kann ich in der zweiten Runde zur Aktuellen Stunde gern auf Einzelheiten dieser Festnahme eingehen. Das möchte ich Ihnen ausdrücklich anbieten. An dieser Stelle möchte ich nur deutlich sagen, dass unsere Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen mit diesen Festnahmen ganz erheblich dazu beigetragen haben, schwere Straftaten in diesem Land zu verhindern. Das gilt sowohl für die Ermittlungen im Vorfeld als auch für die Festnahmen selbst.
Ich sage im Plenum und in den Ausschüssen immer, dass wir in Nordrhein-Westfalen im Kampf gegen Extremismus und Terrorismus gut aufgestellt sind. Auch wenn es keine hundertprozentige Sicherheit gibt, haben die Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen in diesem Zusammenhang – davon bin ich überzeugt – außerordentlich erfolgreiche und sehr gute Ermittlungsarbeit geleistet. Dafür sollten wir den Sicherheitsbehörden auch gemeinsam danken.
Ich würde gern noch etwas zum Salafismus sagen, was in der Diskussion hier zwar angeklungen ist, aber, wie ich finde, nicht deutlich genug herausgearbeitet worden ist. Wir leben in diesem Land mit 4 Millionen Muslimen friedlich zusammen. Der Islam ist eine friedliche Religion. Politischer Extremismus unter Muslimen in Deutschland stellt eine absolute Minderheit dar.
Wir müssen dies zu jeder Zeit deutlich machen, damit nicht in diese Gesellschaft, den Zusammenhalt dieser Gesellschaft ein Keil hineingetrieben wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in Nordrhein-Westfalen vieles begonnen, um dem Salafismus tatsächlich die Stirn zu bieten. Es handelt sich dabei um eine sehr dynamisch wachsende Bewegung, der im Übrigen sehr viele bislang wenig religiöse Menschen angehören. Darunter sind sehr viele deutsche Konvertiten. Die Mehrzahl der salafistischen Szene besteht aus Menschen, die Deutsche sind – um es deutlich zu sagen. Sie hängen einer Ideologie nach, die für komplizierte Lebensverhältnisse scheinbar alle Antworten gibt – einfach, aber radikal.
Der von mir geschätzte WDR-Redakteur Paul Elmar Jöris hat es in einer Podiumsdiskussion, an der ich teilnehmen durfte, etwas scherzhaft, aber meines Erachtens zutreffend auf den Punkt gebracht: Begegnet ein Jugendlicher in einer Lebenskrise mit nicht vollständigen Wertevorstellungen einem
Rechtsextremisten, wird er Rechtsextremist. Begegnet er einem Linksextremisten, wird er Linksextremist. Begegnet er einem Salafisten, hängt er der salafistischen Ideologie an. Weiter hat Paul Elmar Jöris gesagt – Zitat –: Und begegnet er Horst Hrubesch, spielt er mit Begeisterung Fußball.
Das macht wohl deutlich, worum es hier eigentlich geht und wo die Ursache des politischen Salafismus und des gewaltorientierten Salafismus liegt. Er ist deshalb so attraktiv, weil er mit seiner Ideologie auf Menschen wirkt, die sich in Lebenskrisen befinden, die sich noch nicht gefunden haben.
Deshalb ist es wichtig, dass wir dem Salafismus sowohl mit Repression als auch Angeboten im Bereich Bildung und Prävention begegnen.
Das ist auch der Leitfaden für unsere Arbeit. Deshalb haben wir in Nordrhein-Westfalen jetzt begonnen, ein Ausstiegsprogramm für Salafisten auf den Weg zu bringen, das Ratgeber für Menschen im Umfeld von Salafisten sein soll – ganz oft wenden sich Eltern an die Sicherheitsbehörden –, aber auch für die Ausstiegswilligen selbst.
Wir wollen jetzt beginnen, an drei Orten Anlaufpunkte zu schaffen, an denen wir gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und gemeinsam mit dem Fachverstand von Jugendämtern, Schulen und Familienberatungsstellen, aber auch dem religiösen Sachverstand von Moscheevereinen vor Ort wirken wollen, um junge Menschen über die Gefahren des Salafismus aufzuklären und diesen Gefahren entgegenzutreten.
Ich glaube, dass der Weg, dem Salafismus mit Repression konsequent entgegenzutreten, aber durch präventive Angebote zugleich die Brücke heraus zu bauen, der richtige Gedanke, der richtige Leitfaden ist. Ich appelliere an dieses Hohe Haus, die Landesregierung auf diesem Weg zu unterstützen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Der Minister hat die Redezeit in der ersten Runde um zwei Minuten überzogen. Wir werden in der zweiten Runde bei den Fraktionen entsprechend großzügig sein. – Der nächste Redner für die CDU-Fraktion ist Herr Kollege Biesenbach.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Herr Kollege Yetim hier ans Mikrofon trat und sprach, war mir klar: Dem können wir in weiten Teilen zustimmen. – Herr Yetim, Sie haben sich auch in den letzten Monaten – wir haben ja gemeinsam manches Thema besprochen – sachkundig gezeigt und auch deutlich gemacht, dass der Weg, den der Minister am Ende angedeutet hat, nämlich Repression und Angebot, der richtige ist.