Protokoll der Sitzung vom 22.03.2013

Dann kamen allerdings zwei Redner, bei denen ich sagen muss: Da hat es mich geschüttelt.

(Thomas Stotko [SPD]: Herr Dr. Orth?)

Frau Schäffer, das war bei Ihnen und auch bei Herrn Herrmann der Fall. Wer davon ausgeht, dass diese Problematik mit einer gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung erledigt werden könne, oder meint, wir dürften keine Repression anwenden, kann eigentlich nicht in Deutschland leben.

Im September 2012 wird ein Salafist dafür verurteilt, dass er zwei Polizeibeamte mit Messern angreift, keinerlei Einsicht zeigt und sagt: Das mache ich wieder; denn sie wollen etwas anderes als ich.

Im Dezember 2012 drohen Salafisten Geiselnahmen an, um ihn freizupressen.

Im März 2013 – das hat der Innenminister gerade gesagt – werden Menschen festgenommen, die Sprengstoffattentate vorbereiten – auf wen auch immer –, die Verbrechen vorbereiten.

Das ist nicht der Kreis, von dem wir glauben, dass wir gesellschaftlich mit ihm umgehen können. Das ist auch nicht der Kreis, bei dem wir keine restriktive Überwachung oder repressive Maßnahmen bräuchten. Ich hätte mir gewünscht, wir alle würden deutlich machen, dass der Weg, der unter der Überschrift „Repression und Angebot“ läuft, hier der richtige ist.

Herr Jäger, auch Sie haben mich aber mit Ihrer Rede enttäuscht. Wer in einer Aktuellen Stunde über den Salafismus minutenlang das NPD-Verbot plump dazu gebraucht, parteipolitische Auseinandersetzung zu führen, hat auch das Thema verfehlt und die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dem Verfahren nicht beizutreten, ist keine Frage von pro oder kontra NPD, sondern eine Frage des Sinns. Sie zwingen auch mich, noch 30 Sekunden darüber zu sprechen. Die Bundesregierung hat schlicht Bedenken, ob es überhaupt zu einem Verbot kommen kann. Damit werden Sie denjenigen, die Sie hochbringen, eine Bühne bieten, die wir alle nicht wollen. Dann können wir darüber reden, wer der Klügere ist und wer nicht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Genauso dumm ist es, permanent Feindbilder zu schaffen, wie den Bundesinnenminister, Frau Schäffer. Wenn alle so klare Vorstellungen hätten, wie das geregelt werden könnte, dann ginge es uns in Deutschland deutlich besser, und wir hätten nicht Diskussionen, bei denen sich zumindest in den Reihen der CDU – ich glaube, auch in anderen Reihen – manche Miene verzog, weil man nur sagen kann: Das ist weltfremd.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Worüber reden wir denn? – Wir reden doch nicht über ein paar verirrte Menschen, die draußen stehen und bitten, man möge ihnen helfen. Wir reden von hochaggressiven Personen, die jederzeit bereit sind, zuzuschlagen.

(Zuruf von Frank Herrmann [PIRATEN])

Ich zitiere – auch für Sie, Herr Herrmann, beschäftigen Sie sich doch mal mit den Fakten! – Herrn Freier, der nicht im Verdacht steht, uns zuzuarbeiten, aus der „Neuen Westfälischen“:

Selbst mit einer Nachahmung der schrecklichen Mordserie, die durch das Zwickauer Terrortrio des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) in

Deutschland verübt wurde, „müssen wir rechnen“.

Das ist die Truppe, mit der wir uns auseinanderzusetzen haben. Wir haben „neue Aktionsformen“ mit hochaggressiven Menschen, „denen keinerlei Planung mehr vorausgeht.“ Propagiert wird im Internet – Sie sollten mal reingucken – „der spontane, unberechenbare Widerstand. Er habe nur zum Ziel, Anschläge zu verüben und die demokratische Gesellschaft zu destabilisieren.“ Das ist die Situation.

Wir erleben eine völlig andere Art von Rekrutierung, so der Verfassungsschutz. Ich zitiere wieder die „Neue Westfälische“:

Im Internet lasse sich „ohne Ende Propaganda“ finden, aber man müsse „dreimal hinschauen“, um die wahren Hintergründe und Absichten zu erkennen.

Salafisten würden in ihrer Werbung „immer moderner“. Ihre Filme und YouTube-Auftritte seien „jugendaffin, interaktiv und erlebnisorientiert“. Geschickt werde das Bedürfnis junger Menschen zur Rebellion aufgegriffen, um sie für den Jihad zu gewinnen.

Das ist die Situation.

Ich zitiere ein letztes Mal den Leiter des Verfassungsschutzes:

In der salafistischen Szene gebe es „gewaltbereite Kleinstgruppen“, die sich effektiv tarnen und verstecken, sagte Freier. Einzelne Personen würden sich „binnen weniger Monate“ in Chatrooms und Internetforen radikalisieren.

Zu welchem Ergebnis kommen Polizeibeamte? Sie sagen ganz simpel: Wir verlieren die Kontrolle über die Extremisten, weil wir sie ob ihrer Menge gar nicht verfolgen können.

Der Leiter unseres Verfassungsschutzes musste im September im Innenausschuss erneut zugestehen: Die 500, die noch im Verfassungsschutzbericht standen, reichen nicht mehr aus, es sind bereits mindestens 1.000 in Nordrhein-Westfalen. Jetzt kommt der entscheidende Satz: Und je mehr wir hinschauen, umso mehr werden es.

Das ist die alarmierende Situation, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Neben allen Angeboten, neben allen Zuwendungen ist es erforderlich, den Staat zu schützen. Dabei sind – das muss ich nach den Reden feststellen – sowohl die Piraten als auch die Grünen Totalausfälle.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wenn wir ein Stückchen weitergehen wollen, was die Erfolge angeht, Herr Jäger, dann müssen wir nach den eigenen Angaben Ihres Ministeriums damit rechnen, dass etwa 50 Salafisten in NordrheinWestfalen leben, die aus den Ausbildungslagern in Waziristan oder der Nachbarschaft zurückgekommen sind und heute jederzeit in der Lage sein dürften, kriminelle, terroristische Aktionen vorzubereiten.

In dem Augenblick, als Sie ihre Vereine verboten haben, sind etwa 30 aus Deutschland nach Pakistan, in den Irak oder auch nach Afghanistan geflogen, wie ich höre, um dort zu kämpfen. Glauben Sie, die kommen wieder, um hier mit Frau Schäffer eine Diskussion über gesellschaftspolitische Zustände zu führen?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wenn die wieder nach Deutschland kommen, haben sie ganz andere Ziele, Frau Düker. Wenn Sie jetzt den Kopf schütteln, haben Sie die Zeichen der Zeit auch nicht erkannt. Es gilt ganz simpel, hieran zu arbeiten.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das ist Demagogie, was Sie hier machen!)

Herr Yetim wird in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ mit der Sorge zitiert, die Ruhr-Universität Bochum würde unterwandert.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Was für ein Scheiß!)

Das ist die Situation, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Ich habe kein einziges Wort dazu gehört, was Sie wirklich tun wollen.

Dazu, dass wir rund 100 gewaltbereite, jederzeit handlungsfähige Salafisten in Nordrhein-Westfalen haben, kommt kein Wort von Ihnen. Der Innenminister kann sie gar nicht alle überwachen, so viel Personal hat er nicht. Wenn es stimmt, Herr Jäger, dass Sie da nichts geändert haben, dann haben wir vier Gefährdergruppen bei den Salafisten. Die ersten beiden werden teilweise nachrichtendienstlich beobachtet, der Rest überhaupt nicht.

Daher bekommen Sie nicht mit, dass Salafisten plötzlich Lehrer sind. Das hat nicht der Verfassungsschutz herausgefunden – er konnte das aus Personalmangel gar nicht –, sondern das musste die Polizei feststellen. – Sie haben nicht festgestellt, dass Murat K. monatelang Religionsunterricht gab, dass er hier gehegt und gepflegt wurde. Das sind Situationen, bei denen wir sagen: Hier muss etwas getan werden.

Dann sind wir bei Ihnen und sagen: Repression und Angebot. Wir helfen gerne bei dem Aussteigerprogramm. Wir unterstützen Sie auch dabei, Angebote für die Gutwilligen zu unterbreiten. Nur erwarten wir hinsichtlich derjenigen, die nicht gutwillig sind, dass die Landesregierung deutlich zeigt, dass Sie handeln will und handeln kann. Ich glaube Ihnen sogar, dass Sie es wollen. Aber dass Sie es können, müssen Sie noch unter Beweis stellen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Biesenbach. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Kollege Heinrichs.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Wohnung in Netphen durchsucht – Bundesanwalt vermutet einen Gotteskrieger“ lautete gestern Morgen eine Überschrift in der „Siegener Zeitung“. Es besteht der Verdacht, dass der Wohnungsinhaber Mitglied oder Unterstützer einer salafistisch

terroristischen Vereinigung ist.

Ein Zusammenhang zu den jüngsten Festnahmen im Rheinland soll nicht bestehen. Dennoch wird an dem Beispiel aus meinem ländlich geprägten Wahlkreis deutlich, dass es in ganz Nordrhein-Westfalen islamistische Umtriebe gibt, denen wir im Rahmen

unserer rechtsstaatlichen Möglichkeiten konsequent Einhalt gebieten müssen.

Die spektakulären Ereignisse und Ermittlungserfolge der vergangenen Tage haben leider deutlich gemacht, dass die terroristischen Gefahren durch gewaltbereite und extremistische Salafisten nicht unterschätzt werden dürfen.

An dieser Stelle möchte ich unserem Innenminister Ralf Jäger und natürlich auch den beteiligten Sicherheitsbehörden ebenfalls danken für die hervorragende Ermittlungsarbeit

(Beifall von der SPD)

und die erfolgreichen Zugriffe in Bonn, Leverkusen und Essen.