Protokoll der Sitzung vom 26.04.2013

Der nächste große Fehler unter Schwarz-Gelb geschah dann 2009. Wir in der Politik haben damals nichts davon mitbekommen. Klausner hatte Zahlungsschwierigkeiten, er nahm uns die Holzmengen nicht ab. Und auch hier – Herr Uhlenberg, hören Sie ruhig zu – lautet die Frage: Warum hat es die damalige Landesregierung – Sie in Person – im Jahr 2009 nicht geschafft, diese Verträge mit der Klausner-Gruppe rechtsverbindlich zu kündigen?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Heute kann niemand mehr nachvollziehen, wie diese Verträge zustande gekommen sind. Es ist doch erstaunlich, dass schon damals die Unterschrift vom Landesbetrieb Wald und Holz unter diesem Vertrag fehlte.

Da ist es heute an der Zeit, erneut Fragen zu stellen. Herr Uhlenberg, wer hat die damalige Regierung beraten? Welche Verträge sind wie auf den Weg gebracht worden? Von welchen Zahlen sind Sie ausgegangen? Und wer trägt die Verantwortung für diese Holzlieferverträge?

Anders als Sie es ausführen, Herr Deppe, können wir heute schon ein Fazit ziehen: Es wurde nachlässig gearbeitet oder sogar vorsätzlich gehandelt.

(Widerspruch von der CDU)

Jetzt und heute müssen wir uns den Tatsachen stellen. Dann komme ich zu dem Fakt, warum wir das heute hier machen:

Der österreichische Konzern Klausner macht doch seine Ansprüche mit allen Mitteln gegenüber dem Land NRW geltend. Am Ende des letzten Jahres hat das Oberlandesgericht Münster festgestellt, dass diese Verträge, seinerzeit von Ihnen gemacht, jetzt nicht rechtswirksam gekündigt werden können. Deshalb wurden diese Verträge auch für rechtsgültig erklärt. Also, sie sind weiterhin gültig.

Dann haben wir jetzt eine Schadensersatzklage. Das ist jetzt nur für die Jahre 2009 bis 2012. Die beläuft sich auf 120 Millionen €. Wir haben die Erfüllungsklage und jetzt auch noch die Einstweilige Verfügung vom Landesgericht Münster zur Erfüllung diese Lieferverträge für dieses und auch für das nächste Jahr. Wir haben ja gehört: Einstweilige Verfügung heißt: Für die nächsten neun Monate bitte nur in diesen Vertrag einliefern. Ich bin gespannt, was am 3. Mai vom Landesgericht Münster dazu zu hören ist.

Hier demonstriert ein Großkonzern seine Macht. Auch wir von der SPD sehen das mit großer Sorge, dass wir diese Verträge, deren Umfang und Art wir heute noch nicht genau wissen, aber in irgendeiner Form auch erfüllen müssen und dass das ein Angriff auf die gesamte Forst- und Holzwirtschaft in diesem Land ist.

Es bedroht unsere mittelständischen Sägewerke, letztendlich bedroht es das gesamte Cluster Wald und Holz. Dieses Cluster ist nach wie vor ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für das Land NordrheinWestfalen. Es geht um über 3.000 Arbeitsplätze, und es geht um viele Produktionsstandorte hier in Nordrhein-Westfalen.

Aber Sie, meine Damen und Herren der CDU und FDP, müssen jetzt auch die politische Verantwortung dafür übernehmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Watermann-Krass. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Rüße.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Klausner-Verträge sind nicht zum ersten Mal hier im Landtag Thema. Ich bin erst im Jahr 2010 in den Landtag gekommen und habe mir deshalb in der Vorbereitung die Protokolle, die Anträge von Rot-Grün und diverse Stellungnahmen der Verbände durchgelesen.

Als Erstes möchte ich sagen: Ich bin schlichtweg fassungslos. Fassungslos deshalb, weil ich mir so

eine Form von Dilettantismus, wie er hier geschehen ist, nicht vorstellen konnte.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, niemand von uns stellt in Abrede, dass nach Kyrill gehandelt und auch rasch gehandelt werden musste. Niemand stellt in Abrede, dass es einen enormen Handlungsdruck gab. Herr Deppe, Sie haben das ausführlich dargestellt, aber leider zu dem heutigen Thema nichts gesagt. Thema ist nicht Kyrill,

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Thema sind die Klausner-Verträge. Oder sollten wir nicht ehrlicherweise sagen: Es sind die UhlenbergVerträge.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Dann sage ich eins: Handlungsdruck ist das eine, Herr Hovenjürgen, aber das entbindet niemanden, der handeln muss, davor, mit Sorgfalt vorzugehen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ein Jahrhundertereignis wie Kyrill hat Jahrhundertmengen an Sturmholz aufgeworfen. Sie haben damals ein Riesenproblem gehabt. Das heißt, wenn ich dann über Mengen verhandele, aber auch, dass ich nicht über eine Holzlieferung von 100.000 oder 200.000 € verhandele, sondern über ganz andere Dimensionen. Wenn Sie dann noch den Landesbetrieb über sieben Jahre verpflichten und damit die Menge noch einmal weit ausdehnen, dann haben Sie einen Kaufgegenstand, bei dem Sie sieben Jahre lang Jahr für Jahr über zig Millionen reden.

Jedem muss doch klar sein: Wenn ich in ein solches Vertragswerk einsteige, dann wird auch nur der kleinste Fehler dazu führen, dass es riesige Schäden und auch enorme Schäden für das Land geben kann. Denn der Landesbetrieb ist eben unser Landesbetrieb und nicht irgendein Landesbetrieb.

Eben wurde auch schon angedeutet: Ja, im Nachhinein ist man immer schlauer, im Nachhinein wissen wir alles besser. – Das trifft auch manchmal zu. Dumm ist es nur, wenn man parallel zu dem Handeln warnende Stimmen hat, die einem sagen: „Macht das nicht so! In dem, was ihr tut, liegt ein Risiko! Passt auf!“, und dann darauf nicht reagiert.

Es gab viele Stimmen, die gesagt haben: Bindet euch nicht mit diesen Mengen an ein einzelnes Unternehmen! – Die Firma Klausner kommt aus Tirol. Das ist verdammt weit weg von NordrheinWestfalen. Ich denke, das erklärt auch ein bisschen, warum dieses Unternehmen jetzt so handelt, wie es handelt. Für mich sind da große Parallelen zu den Heuschrecken, die am Wohnungsmarkt tätig sind, zu sehen, die ganze Wohnungsquartiere, Stadtquartiere verwüstet hinterlassen, ohne Rücksicht

auf Verluste. Und genau das macht die Firma Klausner mit unserem Wald.

(Beifall von den GRÜNEN und Kai Schma- lenbach [PIRATEN])

Ökologie und Nachhaltigkeit interessieren dieses Unternehmen nicht. Es geht hier ausschließlich um finanzielle Vorteile. Und dazu sage ich noch einmal: Da hätten Sie damals aufpassen müssen. Sie haben nordrhein-westfälische Wälder blindlings für sieben Jahre einem solchen Konzern ausgeliefert.

(Christian Möbius [CDU]: So ein Blödsinn!)

Wenn man schon weiß, dass man es hier nicht mit irgendeinem kleinen Mittelständler zu tun hat, der kleinere Mengen Holz abnimmt, und wenn man weiß, dass es um eine gigantische Holzmenge über sieben Jahre geht, dann begreife ich nicht, wie man dermaßen amateurhaft einen Kaufvertrag zusammenstoppeln kann. Das Spannende ist ja: Sie waren sich ja selbst nicht mehr sicher, welche Qualität dieser Vertrag überhaupt hat. Ist es überhaupt ein Kaufvertrag? Ist es nur ein Rahmenvertrag, der im Nachhinein noch ausgehandelt werden muss? All das war Ihnen selbst nicht wirklich klar.

Mein Eindruck ist – wir haben da ja gerade auch einen fußballerischen Zusammenhang mit Bayern München und Dortmund –, Sie hatten einen Jahrhundertvertrag aus der Champions-League

Kategorie und verhandelt haben Sie ihn auf Kreisklasse-C-Niveau.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Obwohl das, was ich gesehen habe, schon fast eine Beleidigung für die Kreisklasse C ist.

Und weil Sie diesen Vertrag so dilettantisch ausgehandelt haben, gab es auch um die KlausnerVerträge sofort und parallel eine intensive Debatte, wie wir sie in der Form sonst nirgendwo haben. Es gibt eine Debatte der Verbände. Sofort ist Aufregung im ganzen Land. Das liegt daran, dass es solch ein Durcheinander gibt, dass nicht klar ist, über welche Holzmengen wir reden. Es ist nicht von Anfang an klar, für welche Menge eingetreten wird. Sind es die 500.000 Festmeter, die wirklich verbindlich zu liefern sind? Oder sind es doch nur die 200.000 Festmeter und darüber hinaus muss man gucken?

Was aber absolut nicht verständlich ist, ist, dass man, wenn man schon eine Menge festschreibt und dem Landesbetrieb das Haftungsrisiko aufbürdet, nicht wenigstens dafür sorgt, dass es exakt auf das begrenzt wird, was der Landesbetrieb leisten kann, nämlich die knapp 200.000 Festmeter. Und das ist das Problem, vor dem wir jetzt stehen: dass Sie auch an der Stelle ungenau und unsauber gearbeitet haben.

Dann die lange Laufzeit – Frau Watermann-Krass hat es bereits erwähnt –: Es gab sofort Experten, die

gesagt haben: Auf keinen Fall so eine Laufzeit. Sofort wurde empfohlen: Maximal vier Jahre! Mehr darf nicht sein, sonst wird der Landesbetrieb in seiner Handlungsfähigkeit extrem eingeschränkt.

Ich sage: Man kann ja darüber streiten, ob man so eine lange Laufzeit nicht vielleicht doch besser macht. Das kann man alles tun. Aber dann gilt auch hier: Es muss im Vertrag exakt festgelegt werden.

Gilt der Vertrag, den Sie abgeschlossen haben, für sieben Jahre, oder gilt er erst einmal nur für zwei Jahre und dann muss man noch mal verhandeln? Ungenauigkeit von vorne bis hinten in diesem Vertrag, nichts Genaues weiß man nicht.

Die damaligen Oppositionsfraktionen haben immer wieder versucht, überhaupt an die Verträge heranzukommen, um in Erfahrung zu bringen, worum es überhaupt geht. Wenn man die Protokolle durchliest, erkennt man: Das ist in der Tat ein Stochern im Nebel.

Absolut unverständlich ist aus meiner Sicht, dass man – wenn man einen solchen Vertrag gemacht hat und parallel von Experten so viele Warnungen, so viele Empfehlungen erhält, sich doch noch mal zu überlegen, ob das der richtige Weg ist – diese ganzen Warnungen in den Wind schießt und nicht zur Notbremse greift, anhält und noch mal klar nachverhandelt. Sie haben damals sofort Kritik und Anregungen bekommen.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Deshalb reicht es nicht, jetzt zu sagen: Im Nachhinein sind wir alle schlauer. – Das ist der entscheidende Vorwurf, den ich Ihnen machen muss. Sie haben parallel die Warnungen bekommen. Wenn Sie die aufgegriffen hätten, dann hätten Sie sofort umsteuern müssen. Das haben Sie nicht getan. Deshalb werfe ich Ihnen auch Fahrlässigkeit vor.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Was dem Ganzen aber die absolute Krone aufsetzt, ist das, was dann 2009 passiert ist. 2009 haben Sie durch eine Fügung des Schicksals – so möchte man sagen – die einmalige Chance erhalten, die von mir eben erwähnte Notbremse zu ziehen. Ein Fenster war geöffnet, um aus den Verträgen herauszukommen. Sie hätten kündigen können. Aber da zeigt sich der ganze Dilettantismus noch einmal. Sie waren nicht mal dann in der Lage, die Verträge aufzukündigen. An der Stelle hätten Sie eine Menge Schaden vom Land Nordrhein-Westfalen abwenden können.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Seitdem ich hier tätig bin, weiß ich: In allen Ministerien arbeiten viele Juristen. Das ist auch gut so. Ich frage mich aber, wo an der Stelle der damalige Staatssekretär – auch Jurist – war. Wenn es um Verträge, um Vertragsauflösung geht, dann ist es doch die Aufgabe eines Juristen, aktiv zu werden.