Protokoll der Sitzung vom 15.05.2013

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Stamp. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Herr Kollege Fricke.

(Jochen Ott [SPD]: Sie haben ja so eine tolle Rede gehalten! Ich bin beeindruckt!)

Herr Kollege Fricke.

(Lebhafter Wortwechsel zwischen Jochen Ott [SPD] und Christian Lindner [FDP])

Verehrte Kollegen, jeder hat hier die Möglichkeit, zu sprechen und im Plenum ans Pult zu gehen. Nun spricht für die Fraktion der Piraten Herr Kollege Fricke. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Bürger! Verehrte Wahlkämpfer der FDP!

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Wenn man den von den verehrten FDP-Kollegen vorgelegten Antrag im Stile des Kommödchens kommentieren würde, könnte man den ihm anscheinend zugrunde liegenden Spruch „Freie Fahrt für freie Bürger!“ ummünzen in „Freie Wahl für freie Bürger!“ Dabei würde die FDP allerdings derzeit in die politische Bedeutungslosigkeit zurückfallen.

(Beifall von den PIRATEN – Christian Lindner [FDP]: Das sagen ausgerechnet die Piraten: 2 %!)

Da dies hier aber kein Kabarett ist, werde ich versuchen, meinen Redebeitrag ein wenig ernster zu gestalten. Das ist hier leider nicht so ganz einfach; denn die Frage, warum wir im Landesparlament Zeit und Steuergelder damit verschwenden müssen, um über Themen zu parlieren, die absolut eindeutig nicht hierher gehören, sondern nach Berlin, lässt sich eben nur mit dem Mittel der Satire erträglich behandeln.

Aber Achtung: Im Hinblick auf die Bundestagswahl – die 5 % schaffen wir gewiss, liebe Kollegen – kann es nicht schaden, schon einmal mit den entsprechenden Themen zu üben. Von daher begrüße ich es ausdrücklich, wenn die SPD unseren Spuren folgt, in ihren Reihen endlich den Fraktionszwang aufhebt und den einzelnen Parteimitgliedern – egal wie hochrangig oder weniger hochrangig – das Recht auf freie Meinungsäußerung oder gerne auch das Recht auf Doppelzüngigkeit zugesteht. Ob unsere geschätzten sozialdemokratischen Kollegen jedoch jemals unsere Streitkultur erreichen werden, wage ich zu bezweifeln.

Dagegen ist mit Freude festzustellen, dass bei unseren Freunden von der grünen Fraktion eine formidable Weiterentwicklung besteht. Wenngleich Sie Ihre Manie des Nanny States immer noch nicht so richtig abgelegt haben, scheinen Sie den Realitäten des Lebens doch so langsam etwas näherzukommen. Wie hätten Sie sonst so enthusiastisch Gabriels Vorschlag zustimmen können? Angesichts dessen, dass Sie jahrzehntelang Tempo 100 als das Maß aller Dinge sahen, ist eine begeisterte Zustimmung zu Tempo 120 fast schon wie eine Wunderheilung zu bewerten.

(Beifall von den PIRATEN)

Eine derartige Diskussion, wie Sie durch den Antrag der FDP angezettelt wird, ist in und für NordrheinWestfalen irrelevant und sinnlos. Wo in unserem Bundesland gibt es auf Autobahnen auch nur Teilbereiche, die aufgrund der Verkehrsdichte oder des maroden Bauzustands nicht schon de facto, wenn auch nicht de jure, einem unausgesprochenen Tempolimit unterliegen? Kann mir einmal einer der geschätzten Kollegen der FDP sagen, wo man an einem beliebigen Wochentag und zu normaler Uhrzeit 200 oder mehr Stundenkilometer als angepasste Geschwindigkeit fahren kann?

Den Aspekt „Vorteile des Schienenausbaus“ hat mein Fraktionskollege Oliver Bayer bereits beleuchtet. Ich möchte nur noch ergänzen, dass der Ausbau der Schiene auch dazu beitragen kann, die Straßen zu entlasten.

Insgesamt kann ich nur sagen, dass wir Piraten hier ebenso wie bei allen anderen Themen auf ein Konzept des mündigen und verantwortungsbewussten Bürgers setzen.

(Beifall von den PIRATEN)

Aber das scheint eine Vorstellung zu sein, die nicht in das Weltbild der rot-grünen Bürgererziehungsfanatiker passt. – Vielen Dank und ein frohes Pfingstfest.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Klocke.

Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet und möchte vier Punkte ansprechen. Zunächst möchte ich auf Herrn Stamp von der FDP eingehen, der uns eben Wirtschaftsfeindlichkeit vorgeworfen hat.

Wie absurd dieser Vorwurf ist, zeigt sich darin, dass wir wirklich in allen anderen europäischen Nachbarländern und in allen G-20-Industriestaaten ein Tempolimit auf Fernstraßen haben.

(Zuruf von der FDP)

Denen geht es natürlich allen schlechter. Nur Deutschland geht es gut und die deutschen Autobahnen sind die sichersten: Ich schlage Sie wirklich für die „heute-show“ vor. Da oder in einer Karnevalssitzung hat ein solches Statement seinen Platz. Es hat aber keine Berechtigung mehr, wenn man sich Statistiken und internationale Vergleiche anschaut.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Niveau der Debatte ist leider ausgesprochen niedrig.

(Jochen Ott [SPD]: Deutsche Autobahnfalle!)

Herr Stamp, der zweite Punkt. – Rücksichtsvolles und besonnenes Fahren, bei dem man andere Verkehrsteilnehmer im Blick hat, ist das Gegenteil von Spießigkeit. Das war jetzt ein Wahlkampfspruch aus der aktuellen FDP-Wahllotterie. Ich finde, besonnenes Fahren auf deutschen Straßen ist vernünftig.

An die FDP mit Internetanschluss, an die Piraten gerichtet möchte ich auf den Spruch von Herrn Bayer eingehen. – Ich schätze es durchaus, dass wir gewisse Verbote im deutschen Straßenverkehr haben. Ich schätze es als Fußgänger oder Radfahrer, wenn die Ampel für die Pkw rot ist und ich hinübergehen kann, ohne dass sich jemand überlegt: Irgendwie fühle ich mich gerade so, als ob ich fahren und mich nicht von irgendwem gängeln lassen möchte. Ich fahre einfach über die Ampel, weil ich es eilig habe. – Die Straßenverkehrsordnung beinhaltet ganz klare Regularien. Ein Tempolimit auf Autobahnen könnte auch eines sein. Das würde weder dem Industriestandort bzw. Wirtschaftsstandort schaden noch sonst wem.

Als dritten Punkt möchte ich auf Herrn Moritz eingehen. Ganz kurz: Sie haben recht. – In meinem

Skript steht, dass es sich um den Abschnitt von Bielefeld bis Porta Westfalica handelt. Er ist nämlich dreispurig. Dort gibt es kein Lkw-Überholverbot. Es gibt auch kein Tempolimit.

Was Sie eben mit dem Bielefelder Berg angesprochen haben, stimmt, auch wenn es keine Ecke ist, an der ich häufig vorbeifahre. Das ist ein Punkt an Sie, das muss ich ehrlich zugeben. Da haben Sie recht.

Es geht aber um den anderen Abschnitt.

In der Übersicht der Unfallschwerpunkte, die von den Regierungspräsidien im letzten Jahr herausgegeben wurde, ist der Teilabschnitt zwischen Bielefeld und Porta der unfallreichste. Zu meinem Bedauern hat das Detmolder Regierungspräsidium darauf reagiert und gesagt, in einem Versuch bis 2015 noch einmal beobachten zu wollen, ob es Maßnahmen in diesem Bereich geben muss, um die Unfallhäufigkeit zu reduzieren.

Ich finde, man hätte bei dieser Strecke gleich das Tempo reduzieren und ein glasklares Lkw

Überholverbot einführen können. Dann würde die Unfallzahl deutlich abgesenkt.

(Zustimmung von Hans Christian Markert [GRÜNE])

Als Letztes komme ich noch einmal auf das zu sprechen, was Herr Stamp gesagt hat, und zwar diesmal betreffend unser Wahlprogramm und seinen Inhalt. Ich hoffe, es ist nicht zu viel der Ehre, wenn ich so häufig auf ihn eingehe. – Für das Handeln der Landesregierung ist ausschließlich der Koalitionsvertrag relevant. Wir haben in unserem Wahlprogramm NRW auch Aussagen zur Bürgerversicherung, zu innenpolitischen Themen usw. Dort ist überall der Bundesgesetzgeber gefragt.

Tempo 120 hatten wir schon im allerersten Wahlprogramm der Grünen, glaube ich. Das ist nun wirklich kein Aufregerthema. Das haben wir ständig vertreten; das ist nichts Neues. Aber im Koalitionsvertrag gibt es eine ganz klare Festlegung auf den Feldversuch des Regierungspräsidiums Arnsberg, der bis 2015 läuft und dann ausgewertet wird. Und es gibt ganz klare Aussagen zur Lärmreduzierung. Das hat der Minister eben angesprochen.

Schön, dass Sie auch aus grünen Wahlprogrammen zitieren. Es war der Versuch, heute eine kleine Wahlkampfveranstaltung durchzuführen. Sie ist pressemäßig aber wohl nicht ganz so gut besucht worden. Das tut mir allerdings für Sie nicht wirklich leid.

Tempo 120 wäre ein Angebot für mehr Verkehrssicherheit auf deutschen Autobahnen.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Das verstehen auch immer mehr Bürgerinnen und Bürger. Es gab im Europaparlament eine fraktionsübergreifende Initiative zum Thema Tempo 30 in

Innenstädten. Sie wurde auch von den Liberalen und den Christdemokraten im Europaparlament mitgetragen. Ich glaube, bei diesem Thema wird es ähnlich wie bei anderen Themen, etwa bei der Kernkraft, sein: Irgendwann werden wir dieses Tempolimit haben, weil es vernünftig ist, weil es alle anderen europäischen Länder auch haben und weil es ein deutlicher Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit in diesem Lande wäre. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Herr Kollege, Sie haben auch das Er- gebnis der Evaluation von Regierungspräsi- dent Bollermann genannt! Wie glaubwürdig ist das dann für das Projekt? Entlarvend!)

Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Schemmer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt ständig neue Forderungen von Minister Groschek in den Bereichen Bauen, Wohnen, Verkehr und Stadterneuerung an Minister Ramsauer, nur um von den eigenen Problemen und Fehlern abzulenken.

(Beifall von der CDU)

Ich hatte von Ihnen zumindest eine klare Positionierung erwartet. Der grüne Koalitionspartner hat ja gesagt, wie er dazu steht. Ich erwarte von einer Landesregierung, von der Ministerpräsidentin, mindestens aber vom Verkehrsminister, dass einmal klar gesagt wird, wie man sich zum Thema „Tempolimit“ positioniert. Da wird von Ihnen, Herr Groschek, hier alles Mögliche erzählt. Da findet dann Grimms Märchenstunde statt. Der Flugverkehr hat noch gefehlt. Den hätten Sie in Ihre Rede eben noch einbauen sollen. Dann wäre es fast komplett gewesen. Also: Thema verfehlt – mangelhaft!

Beschäftigen wir uns doch einmal mit dem Besucher der Straßenschäden und der Brücken, nämlich mit Herrn Steinbrück. Ich erinnere daran – das werden selbst die meisten Sozialdemokraten hier nicht wissen –, dass er hier einmal ab 1995 Verkehrsminister gewesen ist, dann war er Finanzminister und schließlich Ministerpräsident. Von 2005 bis 2009 war er Finanzminister in der Großen Koalition. Er ist mir nie dadurch aufgefallen, dass er sich je in seinem Leben sonderlich um die Weiterentwicklung von Verkehrsinfrastruktur gekümmert hätte oder dass er den Reparaturstau, den es auf diesem Gebiet gibt, abgearbeitet hätte. Ich denke, gerade wenn er die Schlaglöcher und maroden Brücken besucht, will er PR zulasten seiner eigenen Fehler der Vergangenheit machen. Ich weiß es nicht.

Und dann kommt Herr Gabriel mit dem Tempolimit.