Protokoll der Sitzung vom 15.05.2013

Und dann kommt Herr Gabriel mit dem Tempolimit.

Jetzt muss Nordrhein-Westfalen als großes Land doch einmal erklären, was es will.

Zu Ihrer ständigen Forderung nach einer Maut, wofür auch immer: Bei 55 Milliarden € an Steuereinnahmen aus dem Kraftfahrzeugverkehrsbereich müssten doch mindestens 30 % für die Infrastruktur übrig bleiben, ohne den Bürger neu zu belasten. Ich denke, dass müsste möglich sein.

Dann werden zu den Lärm- und Geschwindigkeitsbegrenzungen wieder Untersuchungen angeführt. – Wir haben aber keine Erkenntnisprobleme, sondern Umsetzungsprobleme: Ihr Haus ist schlicht nicht fähig, die Umsetzung zu leisten.

Dann wird auch noch einmal der Lärmschutz angeführt. – Jeder weiß, dass 90 % des Lärms auf Autobahnen von Lkw und deren Fahrgeschwindigkeit in die Welt gebracht wird. Nur 10 % stammen von den Pkws. Da von einer Geschwindigkeitsbegrenzung eine Verbesserung zu erwarten, ist so falsch, wie man es sich nur vorstellen kann.

Beim CO2-Ausstoß stammen 13 % von Pkws. Bei einem Tempolimit würde sich der Wert um 2 % verbessern. 2 % von 13 % sind nicht ganz 3 Promille. 3 % weniger bei Investitionen ist zwar wenig, aber was ich in dem einen oder anderen Wortbeitrag hierzu gehört habe, könnten 3 Promille am Steuer oder hier am Rednerpult wohl auch ziemlich viel sein. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Schemmer. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Breuer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird Zeit, dass diese Debatte beendet wird. Es ist eine verkehrspolitische Geisterfahrt, die Sie hier veranstalten, meine Damen und Herren von CDU und FDP.

(Beifall von der SPD)

Sie wollen nämlich – das ist ja offenkundig geworden – von Ihren eigenen Versäumnissen ablenken, die Sie auf Bundesebene zu vertreten haben. Sie führen doch die Menschen in Nordrhein-Westfalen in den Stau. Das muss man doch einmal deutlich sagen. Sie hindern die Menschen an der Mobilität, weil Sie nicht in der Lage sind, auf Bundesebene endlich eine saubere Finanzierung unserer Verkehrsinfrastruktur hinzubekommen.

(Beifall von der SPD)

Ich frage Sie: Wo bleiben denn die Gelder zum Erhalt und zum Ausbau unserer Straßen? Wann kommt denn die Betuwe-Linie? Wann kommt denn der Eiserne Rhein? Wann kommt denn der RRX?

Herr Schemmer, geben Sie doch endlich einmal darauf Antworten! Das ist Ihre Aufgabe!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie sollten auch einmal Ihr Verhältnis zur Maut mit Ihrem „Herrn Ramses“ klären. Sie haben gerade wieder ein eindrucksvolles Beispiel dafür gegeben, dass das nicht geklärt ist, wenn Sie schon wieder auf die Steuereinnahmen hinweisen.

Wir haben uns hier im Landtag klar und deutlich positioniert. Ich glaube, wir sind auch insgesamt gut aufgestellt, was die Frage der Verkehrsfinanzierung angeht. Das sind die eigentlichen Probleme, die wir hier in Nordrhein-Westfalen angehen. Das, was Sie hier veranstalten, sind doch Spökes. Das ist doch alles wirklich nicht seriös.

Sie wissen doch auch, dass man an den Komplex „Einrichtung von Tempolimits“ sehr viel differenzierter herangehen muss. Sie wissen um die Argumente aus der Wissenschaft und Forschung, dass natürlich Tempolimits dazu beitragen können, schwere Verkehrsunfälle zu vermeiden, dass sie dazu beitragen können, dass es weniger Verkehrstote auf unseren Straßen gibt. Sie wissen auch um die Fakten, dass natürlich die Umwelt entlastet werden kann, dass vermieden werden kann, dass die Bürgerinnen und Bürger durch Lärmspitzen belastet werden. Das alles wissen Sie.

Wir wissen das auch. Deswegen gehen wir differenziert an die Aufgaben heran. Aus diesem Grunde haben wir im Koalitionsvertrag in NordrheinWestfalen – darüber reden wir – vereinbart, einen Modellversuch durchzuführen. Der ist angelaufen. Wir werden ihn auswerten und werden dann gegebenenfalls die erforderlichen Schlussfolgerungen daraus ziehen.

Meine Damen und Herren, Sie haben heute wieder einmal rhetorisch Vollgas gegeben, und erwartungsgemäß haben Sie die populistische Höchstgeschwindigkeit weit überschritten. Ich hoffe, dass Sie sehr bald die Fahrerlaubnis entzogen bekommen. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Breuer. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Schluss der Beratung, und ich schließe die Aktuelle Stunde.

Ich rufe auf:

2 Anerkennungsgesetz Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/1188

Änderungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/2975

Änderungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/2978

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales Drucksache 16/2903

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/2902

zweite Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile für die SPDFraktion Frau Kollegin Jansen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf für ein Anerkennungsgesetz verfolgen wir zwei maßgebliche Ziele: zum einen ein klares, einheitliches und faires Verfahren zu definieren, das zu einer schnellen und systematischen Berufsanerkennung führt, und zum anderen den Fachkräftemangel zu beseitigen.

Nachdem durch das Bundesgesetz im letzten Jahr Handwerksberufe und IHK-Berufe geregelt wurden, war es an der Zeit, auch für die landesrechtlich geregelten Berufe ein transparentes Verfahren zu entwickeln.

Durch das Anerkennungsgesetz werden 165 Berufe erfasst, darunter Ingenieurinnen sowie Erzieherinnen und weitere Berufe aus dem Gesundheitswesen. Insbesondere in diesen Branchen klagen die Berufsverbände eigentlich über einen eklatanten Fachkräftemangel. Umso verwunderlicher war es, dass ausgerechnet Interessenvertretungen wie die Ingenieur- oder die Ärztekammer um Ausbezug und auch um Sonderregelungen für ihre Berufsstände gebeten haben.

Lassen Sie mich das ganz klar sagen: Das Gesetz regelt den Rechtsanspruch auf ein anerkanntes Verfahren, nicht aber die Inhalte und das Niveau. Standards wie die Gleichwertigkeit der Abschlüsse bleiben unangetastet. Lassen Sie sich da also nicht vor den Karren spannen! Im Übrigen findet sich die Klarstellung im Gesetzentwurf – für die, die es nachlesen möchten: Art. 2 § 2 Abs. 6.

Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich aus der Anhörung zum Anerkennungsgesetz Herrn Balaban vom Landesintegrationsrat:

„Wir machen nun einen Weg frei, der für Deutschland sehr gut ist. Wenn die Abschlüsse

anerkannt werden, wird das im Ausland Wellen schlagen. Das war bislang ein Hindernis für die Fachkräfte, nach Deutschland zu kommen … Durch die Anerkennung wird alles getan, um denen, die schon seit Jahren hier sind, Wertschätzung zu geben, und denen, die im Ausland sind und nach Deutschland kommen wollen, ein Signal zu geben.“

Genau das trifft das Wesen des Anerkennungsgesetzes: Wir schaffen zum einen die Grundlage, um in Zeiten eines wachsenden Fachkräftemangels ausländische Qualifikationen besser nutzen zu können, zum anderen geben wir den Menschen mit Migrationshintergrund die Anerkennung, die sie verdienen.

SPD und Bündnis 90/Die Grünen gehen sogar noch einen Schritt weiter: Mit dem Ausbau einer umfassenden Beratungsinfrastruktur soll allen Menschen die Möglichkeit eröffnet werden, ihre Qualifikationen angemessen begutachten zu lassen. Wir wollen Kompetenzfeststellungsverfahren entwickeln, um allen Anspruchsberechtigten eine angemessene Beurteilung ihrer Fähigkeiten zu ermöglichen.

Wir lassen also die Interessierten nicht allein, sondern werden im Rahmen von angemessenen Verfahren ganz genau erörtern, welche Fähigkeiten anerkannt werden können. Dies gilt im Übrigen besonders auch für nichtformale Qualifikationen und Fertigkeiten, die im Laufe eines Berufslebens erworben werden; denn für uns gilt nicht nur: „Kein Kind zurücklassen!“, sondern auch, keinen Menschen zurückzulassen, dem vielleicht nur ein Zeugnis oder eine Teilqualifikation fehlen.

(Beifall von der SPD)

Wie beinahe immer geht es bei diesem Thema auch um das Geld. Wir fordern, eine Schwachstelle des Bundesgesetzes zu beheben; denn es gibt bisher keine gesetzliche festgelegte Beteiligung des Bundes an den Kostenfolgen für die eben genannte Beratungsinfrastruktur oder die Anpassungsqualifizierungen. Wir drängen daher darauf, dass die Bundesbildungsministerin ihre Zusage einhält, sich an der Finanzierung von Nachqualifizierung zu beteiligen. Es ist völlig widersinnig, dass mit viel Aufwand und wissenschaftlicher Begleitung immer neue Modellprojekte zur bundespolitischen Förderlinie „Perspektive Berufsabschluss“ finanziert werden.

Steigen Sie daher lieber mit Hilfe der Agentur für Arbeit in die konkrete Finanzierung von Nachqualifizierung ein!

Wir kennen nämlich die Probleme, und wir kennen die Menschen, die es betrifft. Es kann nicht sein, dass Menschen nach Abschluss des Verfahrens feststellen, dass ihnen noch ein kleiner Teil zur vollständigen Anerkennung fehlt, und dafür dann kein Geld da ist.

Ich rufe den Bund also zur Einhaltung der Zusage auf, sich an den Kosten für die Nachqualifizierung zu beteiligen.

(Beifall von der SPD)

Ein weiterer wichtiger Punkt: Viele der Menschen mit Migrationshintergrund und ohne anerkannte Berufsausbildung sind auf SGB-II-Leistungen angewiesen und scheuen somit das finanzielle Risiko eines Anerkennungsverfahrens. Wir erwarten daher, dass sowohl bei den Gebühren als auch bei den Hilfen zum Lebensunterhalt während einer laufenden Nachqualifizierung entsprechende finanzielle Hilfen bereitgestellt werden. Ob das KfW-Kredite sind oder ob die Instrumente der Agentur für Arbeit in Anspruch genommen werden können, bleibt zu prüfen. Es kann nämlich nicht sein – lassen Sie mich das zum Schluss ganz klar sagen –, dass Menschen mit ausländischem Berufsabschluss weiter von staatlichen Transferleistungen abhängig sind, obwohl sie als Fachkräfte hier dringend gebraucht werden.

Lassen Sie mich noch kurz zu zwei Anträgen Stellung nehmen: Dem CDU-Änderungsantrag, wonach eine automatische Information über den Stand des Anerkennungsverfahren an das Ausländeramt

übermittelt wird, können wir nicht zustimmen – wir haben ihm im Ausschuss auch nicht zugestimmt –, weil es sich um eine Vermischung der Rechtskreise handelt und den bürokratischen Aufwand nur von dem einen auf das andere Amt verlagert.

Zu dem FDP-Antrag, den wir kurzfristig zugestellt bekommen haben: Der Ansatz ist grundsätzlich richtig, einen Rechtsanspruch zu schaffen. Aber wir haben im Antrag auch geschrieben, dass wir für eine Beratungsinfrastruktur sorgen. Ein Rechtsanspruch würde allerdings bedeuten, dass das nicht mehr über ESF-Gelder gefördert werden kann, da dann das Subsidiaritätsprinzip verletzt würde.