Protokoll der Sitzung vom 15.05.2013

Am 4. Juni 2013 verhandelt das Bundesverfassungsgericht über eine Verfassungsbeschwerde des BUND gegen das Bergrecht. Die EU-Kommission prüft, ob es gegen EU-Recht verstößt. Auch ein reformiertes Bergrecht würde einem Bundesumweltgesetzbuch und einer dreidimensionalen Raumplanung im Wege stehen.

Deshalb ist der Zeitpunkt günstig, diesen Aspekt über den Bundesrat einzubringen. Die nächsten Sitzungen des Bundesrates finden am 7. Juni und am 5. Juli dieses Jahres statt.

Weder der Antrag Drucksache 16/1266 vom 30. Oktober 2012, die erstmalige Positionierung, noch der jetzige Entschließungsantrag von RotGrün Drucksache 16/2958 geht ausreichend auf das Bergrecht ein. Im neuen Antrag steht dazu genau gar nichts. Man hat nicht den Eindruck, dass die regierungstragenden Fraktionen im Landtag NRW sich wirklich klar positionieren wollen. Aber nicht verzagen! Wir geben Ihnen jetzt eine günstige Gelegenheit dazu.

Umweltverträglichkeit: Es ist das Bergrecht mit seinen hochmittelalterlichen Wurzeln, seinem feudalistischen, autoritären und obrigkeitsstaatlichen Hinhalten, das eine zeitgemäße, rechtsstaatliche Ordnung im Bereich der Förderung von Bodenschätzen verhindert.

Außerdem ist es eine deutsche Spezialität. Es ist doch auffällig, dass es kaum ein anderes Land in der Welt gibt, das ähnliche Gesetze wie das deutsche Bergrecht hat. Niemand braucht es offensichtlich.

Umweltverträglichkeitsprüfungen, Informationsfrei

heit, Bürgerbeteiligung bis hin zu Referenden, Klagerechte auch für Verbände und Eigentumsschutz sind nur einige Stichworte. Das gibt es in der Gesetzgebung schon und wird gleichzeitig ausgeschlossen, sobald man einige Meter unter die Erdoberfläche geht. Formulierungen im Sinne von „sofern bergrechtliche Bestimmungen nicht entgegenstehen“ hebeln die Gesetze aus und machen das Bergrecht zum höherwertigen Recht, das Grundrecht bricht, wie Juristen sagen. Wie zeitgemäß und verfassungskonform ist denn ein Gesetz, das Grundrechte bricht?

Unsere Forderung nach Abschaffung des Bergrechts und Einführung eines Bundesumweltgesetzbuchs mit dreidimensionaler Raumplanung schafft Abhilfe. Kosmetische Änderungen helfen nicht weiter. Wenn man wirklich so weit reformiert, dass die gerade angeführten Kriterien erfüllt werden, ist nichts mehr vom Bergrecht übrig. Dann braucht man dieses Extragesetz nicht mehr. Deshalb ist es besser, jetzt konsequent Nägel mit Köpfen zu ma

chen. Das ist – neben dem Fracking-Verbot – der entscheidende nächste Schritt in unserem Vorschlag. Deshalb bitten wir um Zustimmung. – Danke.

(Anhaltender Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Als nächster Redner spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Schmeltzer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sie von der Fraktion der Piraten legen heute hier einen Antrag vor, in dem Sie das Fracking zur Erdgasförderung ablehnen. So weit erst einmal gut!

(Beifall von den PIRATEN)

Sie haben das „so weit“ überhört. – Zwei Punkte in Ihrem Antrag sind meines Erachtens auch generell zustimmungsfähig. Die Heranführung bzw. Begründung in diesem Antrag ist aber fern von Gut und Böse. Das hat auch der Wortbeitrag gerade noch einmal gezeigt.

Dieser Antrag der Piraten ist ziemlich verwirrend; denn – Sie haben es eben gesagt – vor gerade einmal sechs Monaten, am 9. November 2012, hat die Piratenfraktion ihre Ablehnung schon einmal eindeutig ausgedrückt, und zwar durch ihr Stimmverhalten zu einem Koalitionsantrag, der den Titel „Weiterhin keine Genehmigung von FrackingTechnologie bei der Förderung von unkonventionellem Erdgas – Wasserschutz sichern – Informations- und Wissensdefizite beseitigen“.

Eine zentrale Aussage des damaligen Antrags, der mit den Stimmen der Piratenabgeordneten verabschiedet wurde, gilt bis heute unverändert – sie wird in dem Antrag der Piraten auch gar nicht infrage gestellt –: keine Entscheidung über Fracking, solange die damit verbundenen Risiken nicht geklärt sind.

Die zentralen Aussagen, denen Sie damals Ihre Zustimmung gegeben haben, werden zum Teil in Ihrem heute vorliegenden neuen Antrag wiederholt. Ihr Antrag greift weitere Aspekte auf, die bereits im damaligen Antrag enthalten waren. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Sie auf die Bedeutung des Wasserschutzes hinweisen und wenn Sie kritisieren, dass die Schwellenwerte für die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben bei der Erdgasförderung viel zu hoch sind.

Fairerweise hätten Sie in Ihrem Antrag aber auch darauf hinweisen sollen – das muss ich kritisch anmerken –, dass die NRW-Landesregierung schon im Sommer 2011, also bevor Sie in diesen Landtag gewählt wurden, einen Bundesratsantrag eingebracht hat, bei dem es darum geht, die Umweltverträglichkeitsprüfung bei der Förderung von Erdgas

aus unkonventionellen Lagerstätten obligatorisch zu machen.

Aber mit der Situation in Nordrhein-Westfalen und der Handlungsstrategie der Landesregierung befasst sich der Piratenantrag leider auch für den Zeitraum 2012 und 2013 überhaupt nicht. Das ist eine große Schwäche dieses Antrages.

Statt vorhandene Handlungsmöglichkeiten des

Landes zu identifizieren und darauf bezogene Forderungen zu formulieren, flüchtet sich der Antrag geradezu aus der politischen Verantwortung. Da wird gefordert ganz allgemein – ich zitiere –, Maßnahmen zu ergreifen, um die Förderung von Erdgas überflüssig zu machen, also praktisch nach dem Ausstieg aus der Atomenergie auch aus der Gasversorgung auszusteigen. Das hört sich so an, als wenn ein kleines Kind bei den Regentagen morgens sagen würde: Mama, mach mal, dass Sommer kommt.

Da fordert der Antrag nicht nur die Reform des Bergrechts, die wir schon in den Bundesrat eingebracht haben, sondern zwei Punkte später auch gleich noch die Abschaffung des gesamten Bergrechts. Diese Art der Reform, nämlich die Abschaffung, meinen wir ausdrücklich nicht, sondern Reform ist für uns Reform.

Da fordern Sie nicht nur, die Risiken der Kontamination des Grund- und Oberflächenwassers durch giftige Stoffe auszuschließen, sondern wiederum zwei Punkte später gleich das vollständige Verbot der Fördermethode des Hydraulic Fracturing auch dann, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Fördermethode ohne giftige Stoffe umweltverträglich ausgestaltet werden kann.

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Herr Brockes, das taucht im Protokoll auf. Das hänge ich mir an die Wand.

Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber dieses Rumgeeiere zwischen Zustimmung zur Landespolitik und zusätzlichen Grundsatzanforderungen an Bundes- und Landespolitik ist fast genauso chaotisch wie das – Herr Brockes, jetzt können Sie wieder klatschen –, was CDU und FDP im Bund und in den Ländern in den letzten zwei bis drei Jahren zum Thema „Fracking“ geboten haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Doch das bleibt unerreicht. Zur Erinnerung: In den letzten Jahren vertrat die CDU/FDP-Bundesregierung die Position, dass es auf der Bundesebene überhaupt gar keine Regelung für das Fracking geben sollte. Solange CDU und FDP im Bundesrat noch eine Mehrheit hatten, haben sie im Bundesrat eben alles getan, um zu verhindern, dass der Antrag aus Nordrhein-Westfalen für eine Umweltverträglichkeitsprüfung und eine Beteiligung der Öffentlichkeit bei Vorhaben zur Förderung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten eine Mehrheit fand.

Übrigens: Vorne an der Spitze der Bewegung damals war immer auch Niedersachsen, das heute – wie es den Medien zu entnehmen ist – als Mitverhinderer der Kabinettsbefassung in Berlin zitiert wird.

Als die Bundesratsmehrheit weg war, legten die Bundesminister Altmaier und Rösler dann einen sogenannten Gesetzesvorschlag vor, den „Spiegel Online“ am 26. Februar so vorstellte – ich zitiere –: Verwirrung über Gesetzesvorschlag – mit Hochdruck ins Fracking-Chaos. Ja, wie denn nun? Peter Altmaier und Philipp Rösler legen einen gemeinsamen Fracking-Gesetzentwurf vor. Der Umweltminister interpretiert ihn als Verbot der Schiefergasförderung. Der Wirtschaftsminister betont die Chancen der Methode. Was die Vorlage für die künftige Fracking-Praxis in Deutschland – besonders Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gelten als mögliche Förderländer – tatsächlich bedeutet, ist angesichts der gegensätzlichen Interpretationen allerdings völlig unklar. – Recht hat der „Spiegel“.

Vorgestern nun hat das Bundeskabinett diesen Gesetzesvorschlag von der Tagesordnung genommen. Einen Gesetzgebungsprozess wird es aller Voraussicht nach vor der Bundestagswahl nicht mehr geben, übrigens laut heutiger Presseberichterstattung mit der Begründung, es stünden noch weitere Gespräche an.

Annähernd drei Jahre hat diese Bundesregierung beim Fracking nichts, aber auch überhaupt nichts hingekriegt. Was sind diese drei Jahre Untätigkeit und Aussitzen im Verhältnis zu den Aktivitäten dieser Landesregierung? Diese drei Jahre der Bundesregierung waren einfach nur peinlich.

Wie Hohn muss es da klingen, wenn man an die in 2011 von Herrn Kollegen Wüst getätigten Vorwürfe der doch so langen Beratungszeit denkt, zu einem Zeitpunkt, als die parlamentarische Beratung inklusive Anhörungsverfahren und Auswertung im Gange war. Zu diesem Zeitpunkt waren sich nahezu alle in diesem Hohen Hause über die grundlegende Ablehnung einig. Nur dem parteipolitischen Scharmützel war es geschuldet, dass kein gemeinsamer Beschluss zustande kam.

Es hielt sich auch unwidersprochen die Meinung, dass laut Herrn Laumann eine gemeinsame Sache in Sachen Fracking mit den Koalitionsfraktionen grundsätzlich nicht machbar sei. Das war wohl auch der Grund, warum einvernehmliche Meinungen sich nicht in Beschlüssen wiedergefunden haben.

Heute scheinen wir doch einen Schritt weiter. Unser Entschließungsantrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, muss für Sie eigentlich zustimmungsfähig sein, ebenso wie der Inhalt Ihres heutigen Entschließungsantrages. Wir brauchen keine parteipolitischen Scharmützel. Deswegen stimmen wir Ihrem Entschließungsantrag zu, was

wir eigentlich schon vor zwei Jahren gemeinsam mit Ihnen hätten machen können. Wir wollten es auch.

Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass Beobachter die Absetzung der Kabinettsbefassung in Berlin mit einem Schreiben von Karl-Josef Laumann an die Bundeskanzlerin in Verbindung bringen. Unabhängig davon, dass medialen Berichten zufolge der Schutz des Bodensees oder der Schutz des Bierbrauwassers aus Bayern ausschlaggebend gewesen sein sollen, war der Inhalt des Briefes des Kollegen Laumann trotzdem richtig.

Aber ich frage ihn, auch wenn er nicht da ist: Warum warten Sie denn erst, Herr Kollege Laumann, bis fünf Minuten vor zwölf, bevor Sie bei Ihrer Bundesregierung intervenieren? Warum lassen Sie so lange zu, dass die Herrschaften Altmaier und Rösler die Bevölkerung mit ihren völlig unzureichenden gegensätzlichen Aussagen verunsichern und in Sorge versetzen? Warum haben Sie nicht zu dem Zeitpunkt auf die Bundesregierung eingewirkt, als unser aller Positionen im Bundesrat beraten wurden? Passte das nicht in das parteipolitische Konzept?

Oder wie Herr Blasius in seinem Kommentar vom 11. Mai geschrieben hat – ich zitiere –: Die Sorgen der schwarzen Stammkundschaft in Westfalen und am Niederrhein gehen über alles. – Zitat Ende. Weiter sagt er, dass die Haltung der SPD konstruktiver wirkt. Recht hat er.

Oder wie der „Westfälische Anzeiger“ heute schreibt: Erst wenn eine Gefährdung des Grundwassers ausgeschlossen sei, halte die CDUFraktion die Gewinnung des sogenannten Schiefergases für denkbar, erklärte Laumann.

Damit liegt sie auf der Linie der rot-grünen Landesregierung. Dann hätten Sie schon längst tätig werden können.

(Beifall von der SPD)

Ich bin froh, dass dieses Thema in NordrheinWestfalen unter gemeinsamer Federführung von Wirtschafts- und Umweltministerium berechenbar und rechtssicher politisch bearbeitet wird.

Die Landesregierung hat mit dem Bundesratsantrag zu den Erlassen über Entscheidungen über Anträge zur Erdgasbohrung mit Fracking und mit der Vergabe des Risikogutachtens frühzeitig und angemessen auf die Herausforderungen und die vorhandenen Risiken reagiert. Der Wirtschaftsminister und der Umweltminister haben gemeinsam die richtigen Konsequenzen aus den von ihnen in Auftrag gegebenen Gutachten gezogen. Die sind alle nachzulesen und sind alle bekannt. Sie haben dann diese Schlussfolgerungen in einen Bundesratsantrag aufgenommen. Dieser wiederum wurde am 1. Februar mit großer Mehrheit im Bundesrat verabschiedet.

Da die Bundesregierung vor der Bundestagswahl ein eigenes Gesetzgebungsverfahren nicht mehr auf die Reihe bekommen wird, ist nun eines klar,

nämlich das, was Karl-Josef Laumann in seinem Brief an die liebe Angela vergessen hat zu schreiben: Die Bundesregierung soll endlich die Beschlussfassung des Bundesrates übernehmen, umsetzen und einen entsprechenden gesetzlichen Rahmen schaffen. – Dann wäre der Brief richtig gut gewesen und hätte noch mehr Zustimmung von uns bekommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Für die CDU-Fraktion erteile ich nunmehr Herrn Kollegen Hovenjürgen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Schmeltzer, die Analyse des Antrags der Piraten teile ich. Auch ich hätte mir gewünscht, dass wir diesen Antrag intensiver beraten könnten. Dass er heute zur direkten Abstimmung gestellt wird, ist nicht vorteilhaft. Es sind Ansätze darin, die diskutierenswert und beachtenswert sind. Er kann aber in Gänze so nicht mitgetragen werden. Allerdings, lieber Kollege

Schmeltzer, Ihre Flucht in Richtung Berlin und die Befassung mit der Koalition dort sollen natürlich auch ein Stückchen die Spreizung kaschieren, die wir innerhalb der rot-grünen Koalition zwischen Herrn Remmel und Herrn Duin haben.