Wenn – auch hier wieder der Konjunktiv –, ja wenn Sie ein ernsthaftes Interesse daran hätten, über Sicherheit zu reden, dann würden Sie erstens andere Diskussionsgrundlagen wählen, nämlich die Dinge, die man miteinander vergleichen kann, und zweitens würden Sie sich mit konstruktiven Vorschlägen den Problemen widmen, die wir in der Tat haben und vor denen man sich auch nicht wegducken darf. Diese Probleme sind ja auch benannt worden.
Ich möchte es noch einmal betonen: In der Tat haben wir bei den Wohnungseinbrüchen eine bundesweit zunehmende Quote. Bundesweit, Herr Biesenbach, Herr Sieveke! Bundesweit steigt diese Quote um 8,7 %, in NRW um 7,5 %. Das ist ein besorgniserregender Trend, dem wir uns widmen müssen.
Auch die Quote im Bereich der Computerkriminalität ist sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene gestiegen. Hier besteht tatsächlich Handlungsbedarf. Ich stimme ihm nicht so oft zu, aber Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, sagt zu Recht: Das gehört in die Innenministerkonferenz, und zwar oben auf die Agenda. – Im Februar hat die Innenministerkonferenz, wie ich finde richtigerweise, beschlossen, zu dem Thema ein bundesweites Lagebild zu erstellen. Denn hier macht es keinen Sinn, wenn jede Kreispolizeibehörde vor sich hin wurschtelt, sondern hier müssen wir gucken: Wie sind die Reisewege angesichts der offenen Grenzen, weshalb es viele Wohnungseinbruchsbanden gibt? Wie sind die Spuren? Wie sind die Tatbegehungsweisen miteinander zu vergleichen? Hier muss koordiniert länderübergreifend vorgegangen werden, da es oftmals nicht um Einzeltäter, sondern um organisierte Banden geht.
Letztes Beispiel, Computerkriminalität: Auch hier sehe ich Handlungsbedarf. Auch hierzu gab es kein Wort von Ihnen, Herr Biesenbach, oder von der FDP, dass hier bereits gehandelt wurde. Wenn Sie sich ein bisschen besser auskennen würden und wenn es Ihnen um die Sache ginge:
Gehen Sie doch einmal zum LKA und schauen Sie sich das neue Kompetenzzentrum zur Cyberkriminalität an. Denn hier wurde gehandelt, und hier wird hingeguckt.
Einen Satz noch zu Düsseldorf – das muss ich zur Ehrenrettung meiner Heimatstadt sagen –: Düsseldorf hat es geschafft,
durch koordinierte Maßnahmen die Fallzahlen bei den Wohnungseinbrüchen entgegen des Landestrends zu senken. Sie sind um 4,3 % gesunken. Das sind Erfolge, die sich sehen lassen können. Und die sollten hier nicht unerwähnt bleiben. – Danke schön.
Danke schön. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Liebe Bürgerinnen und Bürger hier auf der Tribüne und im Livestream! Wir sprechen heute auf Antrag der CDU-Fraktion über die Polizeiliche Kriminalstatistik 2012 des Bundes, die gestern von Herrn Innenminister Friedrich vorgestellt wurde. Meine Vorredner haben schon einiges über die konkreten Zahlen der PKS besprochen, auch dass der Vergleich der Kriminalitätsverteilung zwischen den Ländern kein gutes Bild für NRW zeichnet und die Aufklärungsquote mit 49,1 % niedriger ist als in anderen Flächenländern.
Ich finde es richtig und wichtig, über die Ursachen von Kriminalität und über die Probleme und Schäden zu sprechen, die durch die Straftaten und deren Nichtaufklärung entstehen. Dazu sagt die Statistik aber nichts. Besonders für die Opfer muss viel mehr getan werden, auch um das Dunkelfeld nicht angezeigter Straftaten aufzuhellen. Nur Menschen, die Vertrauen in die Behörden haben, melden sich und stellen Strafanzeige. Vielleicht ist aber genau das der Punkt. Die Menschen in NRW haben einfach großes Vertrauen in unsere Polizei, kommen mit ihren Problemen und stellen daher häufiger Anzeigen. Damit steigt die Zahl der erfassten Fälle. Das ist eine Hauptaufgabe der PKS. Gleichzeitig sinkt die Aufklärungsquote; denn es fallen nicht einfach mehr Beamte vom Himmel, die die zusätzlichen Fälle bearbeiten könnten. Das ist nur eine der Möglichkeiten die zeigt, warum die Aussagen der PKS mit Vorsicht zu genießen sind.
Lassen Sie mich an dieser Stelle etwas zu den Beamtinnen und Beamten der Polizei sagen: Ganz egal, wie die Statistik politisch verdreht und verwertet wird, bin ich sicher, dass Sie, liebe Beamtinnen und Beamte, mit den Ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen mit großer Sorgfalt und vollem Einsatz alles tun, um Nordrhein-Westfalen zu einem noch friedlicheren Ort zu machen, an dem sich jeder sicher fühlen kann. Danke dafür.
Zurück zur Statistik! Nicht zum ersten Mal werden Sie in diesem Hause hören, dass behördliche Statistikproduktionen ohne wissenschaftliche Betreu
ung und Ausarbeitung Mist sind. Ich will kurz zwei Beispiele ansprechen. In der letzten Woche hörten wir in der Anhörung zum Polizeigesetz Experten, die den von Innenministerium selbst erstellten Evaluierungsbericht zur Videoüberwachung stark kritisierten. Der Bericht wurde dem Innenministerium von den Experten geradezu um die Ohren gehauen.
Ich erinnere mich auch nur allzu gut an die Diskussion Anfang März in der Anhörung zum angeblich riesigen Sicherheitsproblem in der Fußballfanszene. Es wurde deutlich, dass sich die ZIS-Statistik überhaupt nicht eignet, um relevante Aussagen über Gewaltentwicklungen rund um Fußballspiele zu treffen. Die wissenschaftliche Kritik an der Erfassung der Verlaufsberichte der Polizei hat aber leider bis heute in der Landesregierung noch kein Gehör gefunden.
Was ist nun genau das Problem mit solchen Statistiken? Was sind die Gründe dafür, warum sie alle nur mit Vorsicht zu genießen sind? Ein wichtiger Punkt ist die Frage, wer aus welchen Gründen eine Statistik macht. Die PKS wird vom Bundeskriminalamt erstellt. Dazu verwertet das BKA die von den 16 Landeskriminalämtern gelieferten Landesdaten. Die Daten werden kommentiert, interpretiert und aufbereitet. Damit ist klar, das Innenministerium hat ebenso wie das BKA selbst natürlich einen Einfluss auf die Bewertung der Statistik und deren Zusammenstellung. Die PKS ist vor allem eine Statistik der polizeilichen Tätigkeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung. Das heißt, sie dient als polizeilicher Arbeitsnachweis. In der PKS selbst steht, dass die Erfassung der realen Kriminalität schlicht nicht ihre Aufgabe sei. Hinzu kommt, dass die genauen Details der Erfassungsprozedur je nach Bundesland unterschiedlich sind.
Was findet keine Berücksichtigung in der Statistik? Viele Einflussfaktoren finden keine Berücksichtigung. So gibt die PKS selbst an, dass sich das Anzeigeverhalten – zum Beispiel unter Versicherungsaspekten –, die polizeiliche Kontrollintensität, die statistische Erfassung, die Änderungen des Strafrechts und die echte Kriminalitätsänderung in den Bundesländern nicht in der Statistik niederschlagen. Ich zitiere einen Leitsatz aus der Statistik:
„Die PKS bietet folglich kein getreues Spiegelbild der Kriminalitätswirklichkeit, sondern eine je nach Deliktsart mehr oder weniger starke Annäherung an die Realität.“
Durch die Statistik gewinnt man zum Beispiel den Eindruck, dass es vielmehr Kriminalität im Norden als im Süden gibt. Dieser Vergleich ist gar nicht statthaft. Der Kriminologe Christian Pfeiffer sagte dazu, das Risiko überfallen zu werden, sei im Norden und Süden gleich hoch. Nur die Fallzahlen un
terscheiden sich. Zudem ist es eigentlich ein Skandal, dass das Armutsgefälle keine Berücksichtigung findet. Im Süden gibt es zum Beispiel mehr Menschen, die sich gut gesicherte Häuser leisten können. Es gibt auch weniger Anzeigen, weil die Polizei in Bayern eine Wirtshausschlägerei eher als Gaudi abtut, während in Norddeutschland schneller das SEK vor der Tür steht.
Der Titel „Unstatistik des Monats“ wurde schon mehrfach erwähnt. Den hat sich die Polizeiliche Kriminalstatistik redlich verdient. Am besten wäre es, ganz auf diese Statistik zu verzichten. Sinnvoller wären raumbezogene und lokale Kriminalitätsanalysen. Hier würden geografische Räume mit ihren jeweiligen Strukturen, Institutionen und Bewohnern berücksichtigt. Besonders die Sozialstruktur würde dabei nicht vernachlässigt. Auch die CDU kann nicht bestreiten, dass es dort mehr Kriminalität gibt, wo die Menschen ärmer sind. Aber um Inhalt geht es hier gar nicht, eher um Wahlkampf. Deswegen mache ich jetzt den Ring frei für die nächste Runde. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass die nordrhein-westfälische Polizei bei den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes ein hohes Ansehen genießt und ihr mit Respekt begegnet wird. Weil diese Polizei in Nordrhein-Westfalen gute Arbeit leistet, hat sie dieses Ansehen und diesen Respekt auch verdient, auch wenn einige heute Morgen versuchen, diese Leistung mit unredlichen Zahlenspielchen zu diskreditieren.
Wenn man schon nicht die Arbeit dieser Beamtinnen und Beamten schätzt, dann sollte man zumindest einen gewissen politischen Skrupel haben, mit den Ängsten von Menschen zu spielen. Nichts anderes geschieht, wenn eine Statistik mit solchen Zahlenspielchen so bewertet wird, wie es heute Morgen in Teilen geschehen ist.
In der Schule haben wir gelernt und lernen heute unsere Kinder, dass man Äpfel und Birnen nicht vergleichen sollte, weil dann immer falsche Ergebnisse herauskommen. Vieles ist heute schon zu dieser Statistik gesagt worden. Ihr unrühmlicher Titel ist bereits genannt worden, nämlich die „Unstatistik des Monats“. Ich will gar nicht mehr viel hinzufügen, aber versuchen, auf einige wenige objektive Tatbestände hinzuweisen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, vielleicht ist Ihnen das entgangen: NordrheinWestfalen ist ein Ballungsraum. Allein das Ruhrgebiet hat fünf Millionen Menschen. Von den 38 Städten mit mehr als 200.000 Einwohnern befinden sich 15 in Nordrhein-Westfalen und gerade einmal drei in Bayern. Die Einwohnerzahl je Quadratkilometer beträgt in Bayern 178, in Nordrhein-Westfalen 523, also fast dreimal so viel. Bestimmte Kriminalitätsphänomene sind Phänomene der Ballungsräume. Deshalb kann man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen oder seltsame Vergleiche anstellen, die dann zu falschen Ergebnissen führen.
Ich würde empfehlen, bevor Sie weiter diese Zahlen bewerten: Wenn Sie mir nicht glauben, den Kollegen von der SPD oder den Grünen nicht glauben, Herr Biesenbach, glauben Sie doch wenigstens Ihrem eigenen Bundesinnenminister. Der hat nämlich bei der Vorstellung dieser Statistik gesagt – ich zitiere –: Die Abbildungen zur Kriminalitätsverteilung erlauben keinen umfassenden Vergleich der Kriminalitätsbelastungen von Ländern und Städten. – Ich sage es noch einmal, damit es ankommt: Die Abbildungen zur Kriminalitätsverteilung erlauben keinen umfassenden Vergleich der Kriminalitätsbelastungen von Ländern und Städten. – Glauben Sie wenigstens Ihrem eigenen Innenminister, meine Damen und Herren. Das ist besser.
Ich kann mich sehr gut erinnern an die Phase 2005 bis 2010, wo wir in unterschiedlichen Rollenverteilungen hier auch Kriminalitätsstatistiken debattiert haben und der von uns allen vermisste Kollege Engel von der FDP und Herr Kruse, der, glaube ich, heute an der Debatte nicht teilnehmen kann, gesagt haben, wie gut es ist, dass 49,3 % der Straftaten in Nordrhein-Westfalen aufgeklärt werden.
Herr Orth, mir geht es nicht um diese Zahlen, sondern mir geht es um die Tatsache. Jede dieser nicht aufgeklärten Straftaten ist eine zu viel.
Jetzt will ich bei dem vielen Negativen, das über die Polizei in NRW hier heute Morgen dargestellt worden ist, auch vielleicht einmal ein paar positive Dinge nennen.
Die Zahl der Gewalttaten geht zurück. Auch wenn das subjektiv viele Menschen in diesem Land anders wahrnehmen – die Zahl der Gewalttaten geht zurück. Insbesondere die Jugendkriminalität und die Jugendgewalt gehen zurück, deutlich zurück, stär
Das hat auch damit zu tun: Ich glaube, dass unsere Konzepte wie „Kurve kriegen“, früh auf Intensivstraftäter zuzugehen und mit ihnen zu arbeiten und nicht erst zu warten, bis sie Dutzende von Straftaten begangen haben. Das trägt dazu bei, dass die Zahl der Intensivstraftäter und deren Straftaten deutlich gesunken ist.
Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem zu Hause eingebrochen wird, ist in der Tat in NordrheinWestfalen, im Ballungsraum, größer. Aber die Gefahr, gemeuchelt zu werden durch Mord und Totschlag, ist in Bayern und Thüringen beispielsweise deutlich höher.
Aber da müssen wir einmal auf die Einbruchszahlen schauen. Die sind in der Tat besorgniserregend hoch, in ganz Deutschland besorgniserregend hoch. Das hat damit zu tun, dass sich ein erweitertes Europa auch mit der Frage von erweiterter Kriminalität und deren Bewegungen auseinandersetzen muss.
Ich will gar nicht darauf hinweisen, dass wir einen geringeren Anstieg haben als andere Bundesländer, weil uns das nicht zufriedenstellen kann. Im Gegenteil: Wir stecken in die Kriminalitätsbekämpfung, in die Einbruchskriminalität auch viele Ressourcen, weil es gar nicht darum geht, den materiellen Schaden zu verhindern, den Einbruchsopfer erleiden. Die meisten von uns sind dagegen versichert. Aber der Verlust an Sicherheit, an Geborgenheit, das Eindringen in die eigene Intimsphäre ist hoch belastend für die Opfer. Deshalb stecken wir so viele Ressourcen in die Bekämpfung der Einbruchskriminalität. Ich sage Ihnen ganz offen: Ich würde da gerne noch viel mehr reinstecken, vor allem die 2.100 Beamtinnen und Beamte, die Sie gespart haben, als Sie die politische Verantwortung hatten.