Die Statistik fragt auch – das sollten wir inhaltlich diskutieren –: Welchen Herausforderungen müssen wir uns eigentlich stellen? Kriminalität verändert sich rasant, so wie sich unsere Gesellschaft insgesamt rasant verändert. Auf der einen Seite wird das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger dadurch geprägt, dass sie auf der Straße Streifenwagen sehen, dass sie Beamte sehen, dass, wenn sie die Polizei brauchen, die auch schnell da ist. Auf der anderen Seite gibt es eine Entwicklung zu neuen Kriminalitätsphänomenen. Was beispielsweise früher der Betrug an der Haustür war, ist heute die Hehlerei bei Ebay. Was früher die Beleidigung am Gartenzaun war, ist heute die Beleidigung in Internetblogs. Das heißt, dass wir uns Kriminalitätsphänomenen widmen müssen, bei denen der Bürger gar nicht wahrnimmt, wie viele Beamtinnen und Beamte dort inzwischen tätig sind.
Das ist die Herausforderung der Zukunft. Der sollten wir uns stellen. Wir stellen uns dem mit kreativen Konzepten, mit einer modernen Polizei, mit den höchsten Einstellungszahlen aller Bundesländer für Polizeianwärterinnen und -anwärter. Das ist die richtige Antwort auf diese Statistik und nicht die, die Sie versuchen zu geben. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Jäger, das war gerade ein Auftritt!
Der schlägt mir schon die Kette aus dem Hut. Es hat hier kein Vorredner keiner Partei die Arbeit der Polizei negativ dargestellt,
kein einziger Vorredner. Aber Sie stellen das hier so dar. Das zeigt in meinen Augen die Wertschätzung, die Sie gegenüber der Polizei haben. In meinen Augen ist zu dieser Debatte der einzig richtige Spruch: An den Taten sollt ihr sie messen, nicht an irgendwelchen Zahlen und deren Bewertung.
Meine Vorredner haben schon umfangreich über das statistische Zahlenwerk und die notwendige politische Bewertung und Interpretation gesprochen, zum Teil auch mit wenig Fachahnung.
Herr Stotko, Sie haben den Kollegen Möbius angesprochen und das hier so hingestellt, als ob der Oberbürgermeister der Stadt Köln als kreisfreier Stadt Chef der Polizei sei. Sie haben so getan, als würde sich der Oberbürgermeister über die Zahlen in Köln freuen und hätte etwas dafür getan. Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass der Oberbürgermeister nicht der Chef der Polizei ist wie im kreisangehörigen Raum der Landrat Chef der Polizei ist.
Sie haben diese Debatte ins Lächerliche gezogen und das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger hier ins Lächerliche geführt, indem Sie den Affen von Justin Bieber und den Vatikanstaat für Ihre Interpretationsspielräume hier eingebracht haben.
Wenn wir uns mit den Unterschieden zwischen Bundesländern, mit verschiedenen Zahlen in den Regionen und mit der Vergleichbarkeit von Großstädten auf der einen Seite und ländlichem Raum auf der anderen Seite beschäftigen, wenn wir dann noch völlig zu Recht auf die Details schauen – auf verschiedene Deliktsarten und auf die Veränderung von Kriminalitätsquotienten, zum Beispiel auf die Kennzahlen der Straftaten pro 100.000 Einwohner –, wenn wir auch Details von Täter- und Opferstrukturen erfahren, wenn wir auf die Aufklärungsquote schauen und wenn wir schlussendlich vieles mehr im Detail ganz konkret betrachten, diskutieren, interpretieren und politisch bewerten, dürfen wir dennoch eines überhaupt nicht außer Acht lassen, nämlich das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen.
Damit geht es um die Kernaufgabe des Staates. Es spielt eben überhaupt keine Rolle, ob unser Bundesland in der Polizeilichen Kriminalstatistik immer schon schlecht war, schlechter wird oder bald sogar katastrophal dastehen wird. Wenn wir bei der Aufklärungsquote jetzt schon von Bremen übertroffen werden, ist das doch ein Alarmsignal.
Das Gefühl, sicher zu sein, sicher zu leben und keine Angst haben zu müssen – zu Hause, auf dem Weg zur Arbeit, bei der Arbeit, in den Naherholungsgebieten um die Ecke –, dieses Gefühl, das die Menschen als absolut fundamentales Grundbedürfnis brauchen, ist in Nordrhein-Westfalen an ganz vielen Stellen, egal ob im Ballungsraum oder in den ländlichen Regionen, nicht mehr selbstverständlich.
Und darum geht es, Herr Stotko. Es geht nicht immer nur um Zahlen. Es geht um das Gefühl der Menschen in unserem Bundesland. Und das wird durch diese Zahlen untermauert.
Wir brauchen als gewählte Volksvertreter Statistiken und Erhebungen als Grundlage für unsere demokratischen Entscheidungen und Diskussionen. Dass die Zahlen in Nordrhein-Westfalen erneut verheerend sein würden, wissen wir auch schon seit einiger Zeit. Neu ist vor allen Dingen das immer schlechtere Abschneiden im Vergleich zu anderen Bundesländern. Das haben wir aber erwarten können.
Wurden uns hier denn überzeugende Konzepte und neue Maßnahmen präsentiert? Wurden in diesem Hohen Haus wirklich einmal die Maßnahmen präsentiert, die Sie, Herr Minister, eben erwähnt haben, als Sie geschildert haben, was Sie alles tun?
werden nicht viele sein. Aber mindestens ein Kollege von der SPD ist betroffen – und ich selbst auch.
Dann frage ich etwas anderes. Wer von Ihnen hat in den letzten zwölf Monaten von keinem einzigen Wohnungseinbruch im Bekanntenkreis gehört? Von wie vielen Wohnungseinbrüchen in unseren Wahlkreisen und von wie vielen Gewalttaten haben wir gelesen? Da dürfte einiges zusammenkommen.
Über die Gründe und Ursachen von Straftaten will ich mich hier nicht auslassen; denn heute geht es im Zusammenhang mit der Polizeilichen Kriminalstatistik für Nordrhein-Westfalen aus meiner Überzeugung einmal wirklich nicht um Prävention. Es geht nicht um politisches Gewinsel und Gejammer, wie in Zukunft Kriminalität durch soziale Maßnahmen – durch Bildung, durch eine gute Arbeitsmarktpolitik usw. – verhindert werden kann.
Es geht heute auch nicht um Täterschutz. Es geht nicht um rosa gestrichene Gefängniszellen. Es geht nicht um Jugendrichter, die womöglich zu hart oder zu schnell urteilen.
Heute geht es einmal um Sanktionen. Die Sanktion funktioniert in Nordrhein-Westfalen nicht mehr. Sie hat kaum noch abschreckende Wirkung. Vor der Aufklärung in Nordrhein-Westfalen haben rumänische und bulgarische Banden sicherlich keine Angst mehr – nicht einmal Respekt. Warum auch?
Wir haben top ausgebildete, erfahrene Polizeibeamtinnen und -beamte. Hervorragende Polizistinnen und Polizisten arbeiten für unser Bundesland – ebenso Staatsanwälte, Richter, Justizvollzugsbeamte usw. Aber wie sieht denn deren Alltag unter dieser Landesregierung aus? Womit muss sich unser Sicherheitsapparat eigentlich beschäftigen? Unseren CDU-Vorschlag zu den Verwaltungsassistenten haben Sie gestern ja mal eben mir nichts, dir nichts abgelehnt.
mit einer Beamtenbesoldungspolitik, die zu Recht die Trillerpfeifen in Scharen vor der Tür dieses Hohen Hauses erklingen lässt, und mit einer politischen Führung – wenn man sie denn überhaupt noch so nennen kann –, die den ganzen Tag von morgens bis abends von präventiver Politik in allen Bereichen spricht.
Aber wenn es um die Bezahlung geht, wenn es um die Ausstattung geht, wenn es um die Motivation geht, wenn es um die politische Rückendeckung geht, also die Mentalität eines vermeintlich starken Staates, der sich eben nicht an der Nase herumfüh
ren lassen sollte – gerade bei dieser Kernaufgabe der Durchsetzung der inneren Sicherheit nicht –, wenn es um diese Punkte und die entsprechenden Belange unserer Sicherheitsbehörden in NordrheinWestfalen geht, dann finden wir ein Bild der Verzweiflung vor.
Dann sehen wir uns mit einer Lage konfrontiert, in der wir tatsächlich nicht mehr in Statistiken nachlesen müssen, wie es steht, sondern in der wir uns nur noch bei den Beamtinnen und Beamten umhören müssen. Die haben die Ahnung, die Ihnen anscheinend fehlt. Die berichten Ihnen direkt aus der Praxis – frei von interpretierbaren Statistiken. Oder fragen Sie einfach den nächsten Nachbarn um die Ecke, bei dem gerade wieder eingebrochen worden ist!
Lieber Herr Minister Jäger, wenn ich auch manches Mal Ihre politische Einschätzung durchaus teile – zum Beispiel, wenn es gegen Salafisten oder Rechts- wie Linksextreme geht –, muss ich feststellen: Bei der Ausführung Ihres Amtes läuft einiges gewaltig daneben. Ich habe leider nicht das Gefühl, Sie würden nach und nach die Oberhand zurückgewinnen. Leider sind Sie kein Jäger mehr, sondern der Gejagte.
Sie nehmen beispielsweise das Thema der Wohnungseinbrüche überhaupt nicht ernst genug. Die Aktion „Riegel vor!“ reicht da nicht mehr aus. Auch schon versuchte Einbrüche versetzen ganze Nachbarschaften für lange Zeiträume in Angst. Verstehen Sie das eigentlich nicht?
Das ist aber nur zu einem Teil Ihre Schuld; denn diese Landesregierung, allen voran die Ministerpräsidentin, lässt neben dem haushaltspolitischen Totalversagen mit ihrer völlig unnötigen Betonung der Prävention von vornherein …
… in allen Bereichen jegliche Chance auf einen notwendigen Mentalitätswechsel verstreichen – einen Mentalitätswechsel …
… als Grundlage für die notwendige Verbesserung beim Personal, bei der Ausstattung usw. Stattdessen beschäftigt sich die Landesregierung regelmäßig mit Randthemen und gibt dort das Geld aus, statt sich auf die Kernaufgabe des Staates zu konzentrieren.
Nordrhein-Westfalen unter dieser Landesregierung lädt ein: Es lädt ein zum Verbrechen. Herzlich willkommen in Nordrhein-Westfalen!