Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

Ich finde es schön, dass Sie feststellen, das ist Standard. Ja, das ist Standard. Das wird Standard für die Bundesrepublik als Ganzes und für alle Bundesländer werden. Das ist jetzt schon mehrfach signalisiert worden.

Die Anforderungen aus dem parlamentarischen Raum bewegen sich allerdings zwischen zwei Extremen: Auf der einen Seite geht es um die Abschaffung des Verfassungsschutzes, so, wie es von Teilen der Piratenfraktion gefordert wird, und auf der anderen Seite steht die CDU, die das auslaufende Gesetz eigentlich so beibehalten und ein paar Freibriefe für Grundrechtseinschränkungen ausstellen möchte, aber ansonsten keine Änderungen goutiert. Übrigens wurde der Schutz der Wohnung von vielen Sachverständigen sehr gelobt.

Eine Position, wie sie weitgehend aus den Äußerungen aus den Reihen der CDU abzuleiten ist, können wir nicht mittragen. Wenn Sie meinen, dass wir weiterhin nicht mit einem gesetzlich klar normierten und klar kontrollierten Einsatz von V-Leuten leben können und sollten, wenn Sie der Meinung sind, dass die Gewaltbereitschaft von Gruppierungen nicht der besonderen Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes bedarf, wenn Sie der Auffassung sind, dass der Verfassungsschutz nicht auch eine Informationsaufgabe haben soll, wenn Sie der Meinung sind, dass das Parlamentarische Kontrollgremium grundsätzlich nicht öffentlich tagen soll, obwohl es unbestreitbar auch Themen behandelt, die von öffentlichem Interesse sind – wenn Sie das meinen, dürfen Sie diesem Gesetzentwurf in der Tat nicht zustimmen.

Aber dann ignorieren Sie auch die kriminellen Übergriffe, die sich in den letzten Jahren ereignet haben. Sie ignorieren die Gewalt von rechts, und Sie sind nicht bereit, entsprechend zu kontern.

Wenn Gruppierungen im parlamentarischen Raum sogar der Ansicht sind, dass der Verfassungsschutz weitgehend entbehrlich ist, wenn man der Überzeugung ist, auch ohne V-Leute und allein mit polizeilichen Mitteln ausreichend Kenntnis von den internen Vorgängen verfassungsfeindlicher Gruppierungen erlangen zu können, dann ist man offensichtlich der Meinung, dass die erschreckend vielen Opfer, die dem Rechtsterrorismus zuzuschreiben sind, nicht Mahnung genug sind, um darüber nachzudenken,

wie ein effektiver und moderner Verfassungsschutz aufgebaut sein kann.

Den Fokus alleine auf die Gewaltbereitschaft zu richten bedeutet im Umkehrschluss nun wirklich nicht, dass man alle anderen Beobachtungen außer Acht lässt. Es heißt nur, dass man hier einen besonderen Schwerpunkt setzt. Aber das wollen Sie offensichtlich nicht wissen. Sie wollen es nicht verstehen; denn dann würden Ihnen die Argumente gegen dieses Gesetz ausgehen.

(Beifall von der SPD)

Da bliebe fast nur noch das öffentlich tagende Parlamentarische Kontrollgremium. Dazu sind Ihre Argumente derart schwach, dass eine Ablehnung der Gesetzesvorlage der Öffentlichkeit nicht zu kommunizieren wäre.

Insofern kann ich als Fazit ziehen: Wer der Auffassung ist, dass wir einen modernen, den Anforderungen der heutigen Gefahrenlage gerecht werdenden Verfassungsschutz brauchen, wer der Auffassung ist, dass wir so viel wie nötig an verfassungsschutzimmanenten Mitteln einsetzen sollen, aber so wenig wie möglich, wer die Wahrung des Grundrechtsschutzes garantieren will und wer dem Einsatz von V-Leuten einen klar normierten Rahmen geben will, der muss dem vorliegenden Gesetzentwurf in der vom Ausschuss beschlossenen Form zustimmen.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Witt. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Schäffer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Biesenbach, ich habe mich nach Ihrem Redebeitrag dann doch noch einmal melden müssen, weil ich einfach feststellen will, dass wir nie gesagt haben, dass man, wenn man vorher entsprechende Gesetzesänderungen gemacht hätte, die NSU-Morde hätte verhindern können. Ich meine, es wäre auch vermessen, wenn man das so darstellen würde, dass man allein durch das Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen das hätte verhindern können. Ich glaube, das ist nicht so. Denn die Fehler liegen viel tiefer in der Sicherheitsarchitektur. Die strukturellen Fehler, die es im Falle der menschenverachtenden NSU-Morde gegeben hat, liegen tiefer. Deshalb müssen wir uns auch weiterhin mit dem Thema „Sicherheitsarchitektur in Deutschland“ auseinandersetzen.

An dem Punkt, an dem die Morde geschehen sind, war es gar nicht mehr der Verfassungsschutz, der nur durch seine Beobachtungen zuständig war, sondern es waren vor allen Dingen die Fehler der Ermittlungsbehörden, weshalb wir aus meiner Sicht hier auch noch einmal danach sehen müssen, wel

che Fehler eigentlich bei der Polizei passiert sind, welche Fehler da gemacht worden sind. Hat es da zum Teil auch ein nicht genaues Hinschauen auf den rechten Rand gegeben? Wie kann es eigentlich sein, dass die Opferangehörigen selber zu Tätern gemacht wurden? Das ist ja das große Versagen der Sicherheitsbehörden, das wir beim Thema „NSU“ beklagen müssen.

Sie haben das ja gerade auch gesagt. Wir stehen erst am Anfang der Debatte über die Sicherheitsarchitektur in Deutschland, nicht nur was den Verfassungsschutz angeht. Ich glaube, dass die Debatte derzeit auch viel zu kurz greift. Es wird vor allen Dingen auf den Verfassungsschutz gesehen, weil der Verfassungsschutz im Geheimen agiert und man deshalb zur Legendenbildung darüber neigt. Ich meine, dass das ein Fehler ist. Es ist gut und wichtig, dass wir heute das Gesetz über die Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in NordrheinWestfalen beschließen werden. Es ist ein gutes Gesetz. Aber es wäre zu kurz gegriffen, wenn wir nur auf den Verfassungsschutz sehen würden. Wir müssen auch danach schauen, welche weiteren Fehler es gegeben hat. Deshalb stehen wir am Anfang der Debatte. Wir werden zum Beispiel den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses im Bundestag abwarten müssen. Der wird voraussichtlich Anfang September vorliegen und vom Deutschen Bundestag beschlossen werden.

Ich glaube, dass die Arbeit für uns als Abgeordnete, was die restliche Sicherheitsarchitektur in Deutschland angeht, erst richtig beginnt. Ich freue mich auf die gemeinsame Diskussion, Herr Biesenbach, die wir dazu hoffentlich führen werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Schatz.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich habe nicht viel Zeit. Daher nur ganz kurz: Herr Minister, bevor Sie hier in arroganter Art und Weise meine berufliche Integrität infrage stellen, sollten Sie vielleicht einmal lernen zuzuhören, was Sie jetzt gerade wieder nicht tun. Denn das gehört zu den nötigen Soft Skills eines Ministers.

Es ging bei meinem Beitrag eben nicht um Gerichtsverfahren im Rahmen von Ermittlungsverfahren. Das darf der Verfassungsschutz natürlich nicht. Es ging um Gerichtsverfahren von Betroffenen gegen Maßnahmen der Verfassungsschutzbehörde, die Sie mit Ihrem Entwurf von vornherein eigentlich geschickt unterbinden. Das war alles.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schatz. – Für die Landesregierung hat Minister Jäger das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Biesenbach, Sie haben nach einem Haar in der Suppe gesucht und tatsächlich eines entdeckt. Sie zitieren Herrn Funke. Bei der Vielzahl der Stellungnahmen, die in der Anhörung abgegeben worden ist, würde ich sagen, gehört der sicherlich einer Minderheitenmeinung an. Aber was soll es? Er hat sich positioniert.

Sie haben aus seinem Gutachten zitiert. Lassen Sie mich das korrigieren. Das ist kein Gutachten, sondern das ist eine Stellungnahme im Rahmen einer Anhörung. Da hat Herr Funke gesagt – Sie haben es auch sinngemäß zitiert –: Man hätte erst einmal von unabhängiger Stelle die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz untersuchen sollen, die Fehler und Defizite offenlegen und dann ein entsprechendes Gesetz einbringen sollen.

Herr Biesenbach, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass ich einen unabhängigen Dritten beauftragt habe, den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen, insbesondere dessen Tätigkeit der letzten zehn Jahre im Zusammenhang mit dem Rechtsextremismus, zu beurteilen. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen rechtsstaatlich gehandelt hat.

Ohne die Qualität von Herrn Funke irgendwie in Zweifel ziehen zu wollen, möchte ich, dass Sie noch ein Zweites zur Kenntnis nehmen. Fehler und Defizite beim Landesamt für Verfassungsschutz können gar nicht vorgekommen sein, weil es kein Landesamt für Verfassungsschutz gibt, das Herr Funke da anspricht, sondern der Verfassungsschutz eine Abteilung im Innenministerium ist. So viel zur Qualität dieser Stellungnahme.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Ende der Debatte.

Herr Kollege Biesenbach, die Kurzintervention muss vorher angemeldet sein. Dann bleibt der Redner am Rednerpult stehen, und es besteht die Möglichkeit zu einer Kurzintervention. Ich bitte um Verständnis.

Wir sind damit am Ende dieses Tagesordnungspunktes. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr.

Ich möchte einen Hinweis geben. Der Hauptausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/3251, den Gesetzentwurf Drucksache 16/2135 abzulehnen. Diese Empfehlung,

verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist nach Rücknahme des Gesetzentwurfes gegenstandslos. Der Rücknahme wurde nicht widersprochen.

Wir stimmen jetzt also ab über die zweite Empfehlung in der Beschlussempfehlung 16/3251 des Hauptausschusses, den Gesetzentwurf Drucksache 16/2148 in der geänderten Fassung anzunehmen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dem nicht zu? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Gesetzentwurf mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU, der FDP und der Piraten angenommen worden.

Wir kommen dann zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Piratenfraktion Drucksache 16/3320. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der CDU-Fraktion und bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion, soweit das hier wahrzunehmen gewesen ist, abgelehnt. Enthaltung? – Dann ging das fließend ineinander über. Ich bitte dann also auch, wenn das aufgerufen wird, entsprechend zu votieren. Ich wiederhole: bei Zustimmung der Piraten, bei Ablehnung der SPD-Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen und bei Ablehnung von CDU- und FDP-Fraktion.

(Zurufe)

Die FDP-Fraktion hat sich enthalten. Das wird entsprechend protokolliert.

Man sollte sich immer an der Abstimmung beteiligen, wenn der Punkt konkret aufgerufen wird.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich rufe auf:

7 Fragestunde

Drucksache 16/3255

Mit der genannten Drucksache liegen Ihnen vor die Mündlichen Anfragen 22 und 23 aus der Fragestunde vom 15. Mai 2013 sowie die Mündlichen Anfragen 24 und 25 vor.

Ich rufe die

Mündliche Anfrage 22

des Herrn Abgeordneten Witzel von der Fraktion der FDP auf:

Geschäftsdaten zu Offshore-Aktivitäten von WestLB, Portigon AG oder EAA – Wie haben sich in den letzten Jahren Beschäftigtenzahl, Umsatzvolumina und der Geschäftszweck bei den aktuell noch gelisteten Beteiligungen in Offshore-Destinationen jeweils entwickelt?

In den zurückliegenden Jahren haben rege geschäftliche Aktivitäten der WestLB und ihrer Nachfolgerinstitutionen in bekannten OffshoreDestinationen stattgefunden.

Die Portigon AG, die als Rechtsnachfolger der WestLB nun etliche dieser Gesellschaften als ihre Beteiligungen bilanziert, hat soeben darauf verwiesen, das Offshore-Engagement diene im wesentlichen Zielen „der Kapitalbeschaffung für den WestLB-Konzern“ sowie „der Verbuchung von bestimmten Geschäften, die dort aufsichtsrechtlich günstiger behandelt werden konnten“. Trotz mehrfacher Nachfrage in der letzten Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses von unterschiedlichen Fraktionen konnte der Portigon-Vorstand diesen Sachverhalt sowie die zugrundeliegenden Motive dieses speziellen Auslandsgeschäfts dort nicht zufriedenstellend erläutern.

Aus dem druckfrischen Geschäftsbericht der Portigon AG „Jahresabschluss und Lagebericht 2012“ geht hervor, dass im Kapitel 53 bei den Angaben zum Anteilsbesitz unverändert die Tochtergesellschaften Portigon Finance Curaçao N. V., WestLB do Brasil Cayman Limited, Harrier Capital Management Bermuda Limited und WestCommodities Limited auf den Cayman Islands ausgewiesen sind. Die Portigon AG hat ergänzend darauf hingewiesen, dass in einem Fall ein bereits getätigter Verkauf aus Gründen brasilianischen Rechts noch nicht vollzogen werden konnte.

Der Geschäftsbericht 2012 weist ferner darauf hin, dass für die Niederlassung auf den Cayman Islands eine Patronatserklärung existiert, die dieses Offshore-Risk abdecken soll.

Für das Parlament ist es daher von großem Interesse, im Einzelnen zumindest für jede der aktuell noch gelisteten Tochtergesellschaften zu erfahren, welche konkreten geschäftlichen Ziele diese verfolgt (hat) und wie sich jeweils einzeln bei diesen Beteiligungen die Anzahl der am Offshore-Standort selbst eingesetzten eigenen Beschäftigten sowie die Umsatzvolumina zumindest in den letzten drei Jahren 2010, 2011 und 2012 jeweils entwickelt haben.