Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- rufe von der CDU und der FDP)

Da unterscheiden sich die Parlamentsneulinge Piraten wohltuend, weil sie sich mit dem Anliegen auseinandersetzen und sich in die parlamentarischen Beratungen einbringen wollen. Das möchte ich hier mal ausdrücklich feststellen in der Bewertung dessen, wie sich die Opposition hier aufstellt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dann komme ich zur Konnexität.

(Zuruf von der CDU: Na endlich!)

Dazu komme ich sehr gerne. Ich möchte Ihnen das Verhalten von zwei von Ihnen geführten Landesregierungen in Flächenländern in Erinnerung rufen.

In Bayern hat man gesagt: Nicht konnexitätsrelevant, Evaluierung. Wir sind mit den Kommunen im Gespräch. Wenn sich im Verfahren herausstellt, dass es Mehrbedarfe gibt, dann gehen wir dem nach. – Dies hat mir Herr Spaenle im netten Bayerisch vorgetragen.

Im niedersächsischen Gesetz – das haben wir noch mal nachgeprüft – heißt es in § 178 – Überprüfung -:

„Die Landesregierung überprüft bis zum 31. Juli 2018 die Auswirkungen des Gesetzes zur Einführung der inklusiven Schule vom 23. März 2012.“

Das ist das Einzige, was wir in Niedersachsen in diesem Gesetz zum Thema „Konnexität“ gefunden haben.

Deswegen ist auch hier Ihr Vorgehen unseriös. Das will ich noch mal ausdrücklich sagen. Sie substantiieren das nicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Und Sie machen es sich sehr leicht. Ich möchte auch noch mal daran erinnern, dass diese Regierung im Kabinett entschieden hat, auf den Vorschlag zur Bildung einer Arbeitsgruppe mit den Kommunen einzugehen, um die Faktoren einzeln durchzugehen – obwohl uns das Ärger mit den Behindertenverbänden eingebracht hat; denn das hat die Verzögerung ausgelöst. Aber dann haben die Kommunen einen Rückzieher gemacht, sodass es zu der gemeinsamen Beschreibung der Konnexität und möglicher Faktoren nicht gekommen ist. Das ist die Sachlage und das habe ich ausdrücklich bedauert. Das wissen die Kommunen auch. Trotzdem sind sie mit uns konstruktiv im Gespräch, etwa zum Thema der Mindestgrößenverordnung.

Also, meine Damen und Herren, die Spielregeln sind klar: Der Gesetzentwurf liegt in Ihren Händen. Wir begleiten das; aber Sie müssen natürlich die Entscheidungen treffen.

Ich freue mich auf die weiteren Diskussionen. Das Thema ist es nämlich allemal wert, weil es um die Kinder geht. Ich bin davon überzeugt: Inklusion ist gut für alle Kinder. Deswegen machen wir uns in Nordrhein-Westfalen weiter auf den Weg. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Ministerin. Bleiben Sie bitte am Pult. Es gibt eine Kurzintervention, und zwar von einem Kollegen der FDP, Herrn Dr. Stamp. – Bitte schön, Herr Stamp. 90 Sekunden!

Herr Präsident, vielen Dank. – Frau Ministerin, wie Sie das hier machen, ist mir ein bisschen zu einfach. Sie erklären, Inklusion sei eine Bergwanderung. Die Anhörung hat aber gezeigt, dass man eine Bergwanderung nicht mit einem Entwurf machen kann, der eine Bergwanderung auf Sandalen und ohne Kompass ist. Damit werden Sie nicht sehr weit kommen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie waren bei der Anhörung ja – wie das üblich ist – nicht dabei. Frau Beer hat es hier ein bisschen euphemistisch umschrieben: Es ging nicht um kritische Stimmen. Das war vielmehr eine Hinrichtung in Abwesenheit. Und es geht hier nicht um die Kritik vonseiten einer Oppositionspartei, sondern um die Kritik

sämtlicher Beteiligter, der Verbände und der Betroffenen, Frau Ministerin.

(Beifall von der FDP und der CDU – Verein- zelt Beifall von den PIRATEN)

Wir problematisieren das Thema hier, weil wir in unseren Wahlkreisen von Eltern angesprochen werden, die Angst haben, die unter Tränen auf uns zukommen, die Sorge haben, dass Förderschulen aufgelöst werden, dass Kinder, die sie am nötigsten brauchen und an diesen Förderorten einen geschützten Raum haben, jetzt in Schulen kommen sollen, die auf diese Aufgabe nicht vorbereitet sind. Das treibt uns um. An der Stelle sind wir jedem einzelnen Kind, von dem Sie in der Regierung immer wieder erklären, Sie wollten es mitnehmen, Rechenschaft schuldig. Wir haben den Eindruck: Sie wollen hier blind etwas durchpeitschen und lassen dabei die Kinder auf der Strecke, die Sie eigentlich so großartig mitnehmen wollen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU – Verein- zelt Beifall von den PIRATEN)

Danke schön, Herr Dr. Stamp. – Frau Ministerin, Ihre Antwort.

Herr Dr. Stamp, ich habe Verständnis für jede der in der Anhörung vorgebrachten Positionen, weil das jeweils eine besondere Sichtweise war. Aber es ging eben um ganz unterschiedliche Punkte. So haben Vertreter geäußert: Im Gymnasium geht Inklusion gar nicht. – Eine andere Haltung war: Inklusion geht nur, wenn wir eine Schule für alle haben. – Das ist doch auch Ausdruck dieser Bandbreite.

Deswegen haben wir diesen Gesetzentwurf im Auftrag des Parlaments auf der Grundlage von Anträgen von SPD, CDU und Grünen – bzw. Grünen und SPD vom Juli letzten Jahres – ausgearbeitet. Jetzt liegt er in den Händen des Parlaments.

Ich habe Ihnen eben beispielhaft die eine oder andere Begleitmaßnahme vorgestellt, die wir schon jetzt zur Unterstützung des Prozesses der Ausweitung der Inklusion in Nordrhein-Westfalen auf den Weg gebracht haben, obwohl es noch gar kein Gesetz gibt.

Lieber Herr Stamp, abschließend will ich eine Mutter zu Wort kommen lassen

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

das mag Ihnen egal sein –, die mir geschrieben hat, dass das ganz schwierig war. Diese Mutter hat mich autorisiert, ihr Schreiben zu verwenden: Auch wenn es heute immer wieder kleine Probleme gibt, ist mein Sohn endlich ein Schüler geworden – vorher war er Patient –, der von der Schule profitiert, am Unterricht teilnimmt, soziale Kontakte pflegt und

lernt, sich in unserer Welt zurechtzufinden. Inzwischen nutzt er häufig allein öffentliche Verkehrsmittel – als autistisches Kind – und kommt immer super zu Hause an.

Die Mutter beschreibt weiter, dass es eine Zeit lang täglicher Unterstützung durch einen Inklusionshelfer bedurfte, dann aber nicht mehr, weil das Kind selbstständiger geworden ist, weil das Kind in der sozialen Gemeinschaft lebt und weil das Kind zunehmend alleine zurechtkommt.

Das ist der Weg. Es zwar Schwierigkeiten, die sind aber steuerbar. Wir sollten diesen Weg in Nordrhein-Westfalen gemeinsam begleiten. Die Regierung hat schon vorgearbeitet. Jetzt kann das Parlament mit diesem Gesetzentwurf umgehen. Wir begleiten das – und wissen, dass das Struck‘sche Gesetz gilt: Kein Gesetz verlässt das Parlament so, wie es hineingekommen ist – Das ist Auftrag des Parlaments. Da stellt sich diese Regierung anders auf als Ihre Regierung. Sie haben Anhörungen nämlich nicht mehr ausgewertet, sondern das Verfahren einfach durchgezogen. Das machen wir nicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Löhrmann. – Die Landesregierung hat ihre Redezeit um ca. 2 Minuten und 10 Sekunden überzogen. Ich sehe aber keine weiteren Wortmeldungen.

(Dr. Joachim Stamp [FDP] meldet sich zu Wort.)

Doch, es gibt eine weitere Wortmeldung: von Herrn Dr. Stamp. Die FDP hat noch 34 Sekunden. Ich lege noch ein bisschen drauf. Machen Sie es kurz!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist für die Inklusion hier in Nordrhein-Westfalen wirklich ein katastrophales Zeichen, wenn sich die Fachministerin hier hinstellt und sagt, dass das, was in der Anhörung geäußert worden ist, letztendlich gar nicht entscheidend ist, weil der eine das eine und der andere das andere erzählt habe. – Sie sind nicht kritikfähig!

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Das hat sie gar nicht gesagt!)

Sie sind nicht kritikfähig! Ich sage es an Ihre und auch an die Adresse der Sozialdemokraten, mit denen wir schon viele gute Gespräche geführt haben: Bitte, überlegen Sie! Gute und mutige Politik ist immer auch in der Lage, sich selbst zu korrigieren. Lassen Sie uns gemeinsam die Inklusion hier in Nordrhein-Westfalen neu starten und auf solide Fundamente stellen! – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Danke schön, Herr Dr. Stamp. – Gibt es eine weitere Wortmeldung? – Bitte schön, Frau Hendricks.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich glaube, dass diese Debatte noch einmal deutlich macht, was auch in der Anhörung zu spüren war. Wir alle wissen natürlich nicht so genau, wie der Weg weitergeht. Aber das Verständnis von Parlament, das die FDP hier gerade geäußert hat, das finde ich unerhört.

Wir als Parlament haben jetzt den Ball. Wir sind dran, dieses Gesetz zu verändern – wie wir es nach einer vernünftigen, sinnvollen und intensiven Beratung auch tun werden. Dass Sie diesen Wert als Parlament so runtermachen, übrigens auch, indem Sie das, was Frau Löhrmann eben gesagt hat – das Parlament ist am Ball, sie ist es nicht mehr – in keiner Weise wahrnehmen, das verstehe ich nicht.

(Beifall von der SPD)

Wir sind jetzt gemeinsam aufgerufen, über das, was wir an beiden Anhörungstagen gehört haben, zu beraten und zu überlegen, wo wir möglicherweise nachbessern. Zu dieser Beratung lade ich Sie herzlich ein. Bringen Sie sich doch endlich konstruktiv ein und nicht nur destruktiv!

(Zuruf von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hendricks. – Jetzt sehe ich keine weiteren Wortmeldungen.

(Zurufe von der CDU)

Gibt es doch noch eine? – Frau Vogt. Die Möglichkeit dazu besteht; denn die CDU hat sowieso noch 1:53 Minuten Redezeit übrig. – Bitte schön.