Die Frage des Genossenschaftsrechts ist für die FDP sehr interessant. Deshalb freuen wir uns auch auf die Diskussionen im Ausschuss, denn Genossenschaften gehören seit jeher zum Kerninventar der sozialen Marktwirtschaft. Sie sind eine liberale Erfindung nicht als Gegensatz zu gewinnorientierten Unternehmen, sondern als Ergänzung zu gewinnorientierten Unternehmen, verschaffen sie doch einzelnen Marktteilnehmern die Chance, Marktkräfte zu bündeln, die wirtschaftliche Lage der Mitglieder zu fördern und so ökonomische Nutzenmaximierung für die Genossen zu betreiben. Daraus wiederum folgt, dass individuelles Gewinnstreben insofern auch auf das Gemeinwohl ausgerichtet ist.
Es gibt offenbar also doch einen zumindest grundsätzlichen marktwirtschaftlichen Konsens mit Teilen der Antragsteller. Wir sind auf die Diskussion im Ausschuss gespannt.
Abschließend möchte ich mir aber doch noch eine Bemerkung erlauben. Im Antrag wird formuliert, dass der Referentenentwurf der Bundesregierung kritisch beurteilt worden ist. Dazu erstens: Der konkrete Punkt, der in der Anhörung zum Referentenentwurf kritisiert worden ist, nimmt dezidiert eine Forderung der SPD-Fraktion in der Bundestagsdebatte auf. Insofern glaube ich, dass wir nicht mit irgendwelchen kritischen Verweisen arbeiten sollten.
Zweitens ist es so, dass der Referentenentwurf aus genau diesem Grund, nämlich der Kritik in der Anhörung, auf Eis gelegt worden ist. Von daher würde ich mir wünschen, dass hier in Nordrhein-Westfalen gelegentlich sowohl Anregungen der Opposition stärker aufgenommen werden wie auch Kritik aus Anhörungen dazu führt, dass Gesetzentwürfe oder andere Vorlagen erneut überarbeitet würden. Das
hätte ich mir bei der Rechtsverordnung zum Tariftreue- und Vergabegesetz gewünscht. Im Moment wünsche ich es mir beim Gesetzentwurf zur Inklusion.
Insofern haben wir vielleicht in der Tat die Möglichkeit, anders zusammenzuarbeiten. In diesem Sinne! – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Kooperation und Konkurrenz sind zwei tragende Elemente unseres Wirtschaftens und letztlich unserer gesamten gesellschaftlichen Organisation. Trotzdem steht in der Wirtschaft meist der Konkurrenzgedanke, der viel gerühmte freie Wettbewerb, im Vordergrund. Dabei wird oft vergessen, welche Energie freigesetzt werden kann, wenn sich einzelne Bürger oder Unternehmen zu einem gemeinsamen Zweck zusammenschließen, um gemeinsam etwas zu schaffen, was der oder die Einzelne alleine nicht erreichen kann. Oft verbinden sich dabei eigene ökonomische Ziele mit sozialen und ökologischen Ideen.
Wir Piraten sind der Meinung – nach dem, was ich von den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen gehört habe, sehen viele das ähnlich –, dass die Politik die vielfältigen Formen des gemeinwohlorientierten und solidarischen Wirtschaftens unterstützen sollte, wo sie nur kann.
„Ein Gewinn für alle“ lautete das Motto des Internationalen Jahres der Genossenschaften 2012. Mit weltweit 800 Millionen Genossenschaftsmitgliedern stellt diese Form des gemeinschaftlichen Handelns einen wichtigen Eckpfeiler des menschlichen Wirtschaftens und Lebens dar.
Auch in Deutschland ist das kein #Neuland. Wir können auf eine lange und bedeutsame Geschichte der Genossenschaften zurückblicken. Ein Beispiel sind die Volks- und Raiffeisenbanken, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts mittellosen Bauern die Aufnahme von Investitionskrediten ermöglichten und so vielen Menschen ein besseres Leben bescherten.
Wo stehen wir heute? – Jeder vierte Deutsche ist nach der Statistik Mitglied einer Genossenschaft. Das sind sechsmal mehr Menschen, als es Aktionäre gibt, und es werden immer mehr, ob in Genossenschaftsbanken, Wohnungsbaugenossenschaf
Nicht erst seit der Eurokrise gewinnt diese Idee immer mehr Zulauf. Das solide und gemeinschaftliche
Wirtschaften der Genossenschaften ist in den krisengeschüttelten letzten Jahren als wohltuende Alternative wahrgenommen worden, und das zu Recht. Die Genossenschaften weisen die niedrigsten Insolvenzraten aller Rechtsformen auf. Die genossenschaftlichen Banken in Deutschland sind mit am besten durch die Finanzmarktkrise der letzten Jahre gekommen.
Das sogenannte Identitätsprinzip der Genossenschaften überzeugt viele Menschen. Dieses Prinzip bedeutet, dass die Kunden gleichzeitig Eigentümer und Kapitalgeber sind. Zudem steht der genossenschaftliche Förderzweck im Vordergrund. Das können soziale, kulturelle oder wirtschaftliche Ziele sein, nicht bloß eindimensionales Profitstreben. Herr Fehring, gerade hier liegt der wesentliche Unterschied zu vielen Kapitalgesellschaften, bei denen die Haftung einerseits und der Gewinn andererseits so enorm auseinanderklaffen.
Das beste Beispiel für die steigende Attraktivität solcher solidarischer Wirtschaftsformen ist die zunehmende Zahl der Energiegenossenschaften in Deutschland. Darin schließen sich die Bürger zusammen, um den Kauf und den Betrieb von Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien gemeinsam zu stemmen, und das mit Erfolg. Die Hälfte dieser Anlagen wird inzwischen von Privatpersonen und Landwirten betrieben. Die Energiewende ist nicht machbar ohne den direkten Einsatz der Bürger in ihrer Gemeinde.
Wir Piraten stehen hinter dieser Form des bürgerschaftlichen Engagements und wollen sie unterstützen. Daher haben wir einen Antrag mit dem Titel „Energiewende durch Bürger stärken – Bürgerenergieprojekte fördern statt verhindern“ in das Plenum eingebracht, über den hier gestern diskutiert wurde. Da den Kollegen von SPD und Grünen die Stärkung der gemeinwohlorientierten, solidarischen Wirtschaft offenbar am Herzen liegt, wollen wir sie ermuntern, unseren Antrag zu unterstützen.
Netze in Bürgerhand stellen eine großartige Chance für Partizipation an Entscheidungen und Demokratisierung der Entscheidungen um diese Netze dar. Bürgerbeteiligung ist in diesen Projekten schon eingebaut. Das stärkt Verantwortungsbewusstsein, Identifikation und nachhaltiges Wirtschaften.
Wie kann das Land Nordrhein-Westfalen bessere Rahmenbedingungen für die gemeinwohlorientierte, solidarische Wirtschaft schaffen? – Es ist richtig, die Beratungs- und Förderangebote des Landes konsequent für Genossenschaften zu öffnen, soweit dies bislang nicht der Fall ist. Weitere Hürden bei der Gründung einer Genossenschaft gilt es abzuschaffen, wo dies sinnvoll ist; denn die Zahl der Neugründungen in NRW ist noch sehr überschau
Insgesamt haben die Regierungsparteien einen ganzen Blumenstrauß an möglichen Verbesserungsideen eingebracht. Wir Piraten werden den vorliegenden Antrag gerne in den Ausschussberatungen begleiten und nach Kräften dafür Sorge tragen, dass es nicht bei blutleeren Versprechungen bleibt. – Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Duin das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Debatte bis zu diesem Punkt mit großer Aufmerksamkeit und viel Interesse verfolgt. Ich glaube, dass man sich mit dem Antrag doch sehr nüchtern und an der Sache orientiert auseinandersetzen kann. Man braucht nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Herr Bombis, Sie müssen, wenn Sie das Wort „Genossen“ hören, nicht immer gleich an Karl Marx denken und daran, dass die kalte Hand des Sozialismus irgendwo eingreift.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Ralph Bombis [FDP]: Da haben Sie nicht zu- gehört! – Weitere Zurufe von der FDP)
Ganz ruhig. – Sie haben doch – so habe ich Ihre Aussagen jedenfalls verstanden – die sehr große Befürchtung, dass dann, wenn Rot-Grün von „gemeinwohlorientierter und solidarischer Wirtschaft“ spricht – so haben Sie das gerade formuliert; korrigieren Sie mich, wenn ich Sie falsch verstanden habe –, damit gemeint sei, nun wolle der Staat beziehungsweise die Politik der Wirtschaft bestimmte Vorgaben machen und damit privatwirtschaftliches Engagement in irgendeiner Weise verhindern.
Wer sich jemals mit Friedrich Wilhelm Raiffeisen, seiner Geschichte und all diesen Dingen, die das Genossenschaftswesen in der Bundesrepublik
Deutschland mit all seinen Vorläufern ausmachen, beschäftigt hat, weiß, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Es geht darum – so ist es von Herrn Schwerd gerade zu Recht gesagt worden –, bürgerschaftliches Engagement mit wirtschaftlichem Engagement zusammenzubringen und nicht darum, irgendetwas staatlich zu dirigieren. Das wollte ich an der Stelle klargestellt haben.
Ich finde auch, dass das, was Herr Fehring gesagt hat, einen wichtigen Aspekt beleuchtet hat, nämlich – das mache ich mir ja an anderen Stellen ausdrücklich zu eigen – dass Nordrhein-Westfalen das
Land der Familienunternehmen ist und dass es auch im Mittelpunkt unserer Aktivitäten steht, dass wir mit Blick auf Mittelstand und Handwerk die Heimat der Familienunternehmen sind – mit über 90 % – und deswegen unsere Politik daran ausrichten werden.
Die wesentliche Bedeutung der Genossenschaften liegt aber darin – darauf wurde schon hingewiesen -, dass sie im Gegensatz zu anderen Unternehmensformen wirtschaftliche Interessen bündeln, ohne dass sie jeweils an konkrete Personen gebunden sind. Das ist anders als bei Personenunternehmen oder bei einer GmbH, bei denen jede Veränderung auch zu einer weitgehenden rechtlichen Veränderung bis hin zum Neueintrag im Handelsregister führt.
Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft ist die Beteiligung am Genossenschaftsunternehmen auch nicht frei handelbar, sodass die Gemeinschaft der Genossenschaftsmitglieder auch nicht die Bedrohung einer quasi feindlichen Übernahme erfährt. Diese besondere Struktur – darüber redet der Antrag – erfordert auch einen besonderen Rechts- und Prüfrahmen.
Trotz der schon vorhandenen engen rechtlichen Bindung hat die Genossenschaftsbewegung – auch davon ist schon die Rede gewesen – in den vergangenen Jahren quasi eine Renaissance erfahren, nicht nur weil im letzten Jahr das Jahr der Genossenschaften ausgerufen war, sondern das hat ganz grundsätzliche Gründe.
Vor zehn Jahren wurden in Deutschland pro Jahr rund 30 Genossenschaften gegründet. In den letzten fünf Jahren haben wir über 1.000 Neugründungen mit über 100.000 Mitgliedern gehabt. Da sind viele, in denen sich ganz klassisch Freiberufler, Handwerker, Herr Bombis, andere engagieren und Mitglied werden, um gemeinsam Einkauf, Abrechnungen zu organisieren, und ganz grundsätzlich, um gemeinsam wirtschaftlichen Erfolg abzusichern.
Die andere Bewegung ist die, dass wir insbesondere im Bereich der Energiegenossenschaften einen starken Aufwuchs zu verzeichnen haben. Das Beispiel der Energiegenossenschaften zeigt, dass die Genossenschaft das Instrument der Wahl ist, wenn Bürgerinnen und Bürger initiativ werden und sich entscheiden, durch unmittelbares Engagement einen wirtschaftlichen Beitrag wie in diesem Fall zur Energiewende leisten zu wollen.
Vor diesem Hintergrund begrüße ich den Antrag ausdrücklich. Er unterstützt die Linie, die wir gemeinsam zu gehen versuchen. Ich stimme auch den Inhalten grundsätzlich zu, wenngleich ich hinzufüge – deswegen ist es wichtig, dass wir das im Ausschuss weiter vertiefen –, dass ich selbst, die Fach
leute meines Hauses und anderer Ressorts noch nicht abschließend alle Prüfaufträge, die dort genannt sind, bewerten konnten.
So ist in der gegenwärtigen Diskussion auf Bundesebene noch nicht hinreichend geklärt, wie man den rechtlichen Rahmen der Genossenschaft liberalisieren kann, ohne dass die Stabilität dabei gefährdet wird. Auch bei vielen Förderansätzen – das ist auch in dem Teil davor in dem Antrag von großer Bedeutung – werden Genossenschaften bereits berücksichtigt. Bei manchen Dingen ist ihr Einbezug sicherlich unproblematisch. Inwieweit das für alle Programme gelten kann, werden wir im Rahmen der weiteren Debatten prüfen.
Am Ende ist aber auch klar: Wir werden Dinge – so habe ich den Antrag verstanden – bündeln müssen, um Genossenschaften weiter zu stärken. Neue, zusätzliche Haushaltsmittel für ganz neue Förderansätze werden wir sicher nicht aktivieren können.
Ich freue mich sehr auf die Diskussion im Ausschuss, die wir dazu führen werden, und sage für das ganze Kabinett, für die verschiedenen zuständigen Ressorts, zu, dass wir die Aufträge, die in dem Antrag formuliert sind, sehr ernsthaft und sehr zeitnah prüfen, damit wir dann auch zu konkreten Erkenntnissen kommen können. – Herzlichen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/3228 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk – federführend –, an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Beratung und Abstimmung sollen im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer stimmt dem so zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag einstimmig so überwiesen.