Danke schön. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die noch im Saal sind! Verehrte Bürgerinnen und Bürger im Stream und auf der Tribüne! Mich wundert die Aufregung über Prism und die anderen Überwachungsaktivitäten des amerikanischen NSA schon ein bisschen.
Liebe Kollegen Abgeordnete, haben Sie das wirklich nicht gewusst oder nicht doch zumindest geahnt? Wir haben uns ein kleines Experiment überlegt, um Ihnen eine Vorstellung zu geben, um was es hier überhaupt geht. Dazu folgender Sachverhalt: Die ITAbteilung der Piratenfraktion wird den E-MailVerkehr der Abgeordneten des Landtags ab heute Mittag 13 Uhr für eine Woche mitschneiden und speichern.
In dem gleichen Zeitraum werden die Aufrufe der Webseiten, ausgehend vom Landtagsnetzwerk, gespeichert. Anschließend werden wir mit einem Datenabgleich die Webseiten-Aufrufe anhand der Gerätekennungen den E-Mail-Adressen zuordnen. Die Ergebnisse werden dann am kommenden Freitag im Rahmen einer Pressekonferenz bekanntgegeben. Wir gehen davon aus, dass hier niemand etwas dagegen hat, denn es hat ja wohl keiner etwas zu verbergen. So weit im Moment zu dem Sachverhalt und dem Experiment.
Das Internet ist mehr als 40 Jahre alt. Das Internet, das Sie kennen, das mit den Bildern, ist gerade 20 geworden. Für manche Bundeskanzlerin ist es auch immer noch Neuland. Für die Geheimdienste ist das Internet aber nicht neu. Sie haben es schließlich mit aufgebaut. Anfangs waren sie gar nicht begeistert über die Mitnutzung des Netzes durch Studenten und schließlich der gesamten Weltbevölkerung. Es hat etwas gedauert. Aber heute sind sie nur noch begeistert, teilweise auch verblendet von den Möglichkeiten der Überwachung und Kontrolle, die ihnen die digital vernetzte Welt bietet.
Auch wenn es eine Art internationale Verwaltung für das Internet gibt: Im Kern ist das Netz nach wie vor unter der Kontrolle der amerikanischen Regierung bzw. des Militärs und der Geheimdienste dort. Diese haben es schon früh verstanden, dass gesetzliche Grundlagen möglichst allgemein formuliert werden, um möglichst wenig in ihrer Tätigkeit eingeschränkt zu werden – Stichwort Lawful Interception oder, auf Deutsch: gesetzlich geregelte Eingriffsmöglichkeit. Es gibt kein Kommunikationsnetz weltweit ohne Schnittstellen für Sicherheitsbehörden.
Die Nutzungsbedingungen für diese Schnittstellen unterscheiden sich noch ein bisschen von Land zu Land. In den USA sind aber nach 9/11 quasi alle Schranken gefallen. Protect America Act, Patriot Act, FISA und verschiedene andere Gesetze und Regelungen machen auch das Überwachungspro
Doch auch in Europa hingen wir nicht weit hinterher. Im Stockholmer Programm der Europäischen Union sind viele Schritte für die Überwachung der gesamten Bevölkerung definiert, die auch nach und nach umgesetzt werden.
Dass Europa und auch Deutschland von den USA gelernt haben, wie Überwachungsgesetze umgesetzt werden, mussten wir gerade im Bundesrat erleben, als Minister Jäger mit „Achtung!! Achtung!! Terrorismus und Kinderpornografie!“ jede Diskussion um bürgerliche Grundrechte zum Gesetz zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft zur Seite gewischt hat. – Ja, so ist das.
Gestern haben die regierungstragenden Fraktionen hier dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz die Aufdeckung der Identität von Internetnutzern nach eigenem Ermessen gestattet. Heute Abend entscheiden wir darüber, ob die Polizei in Nordrhein-Westfalen in Zukunft auch Internetforen überwachen darf. Kein anderes Bundesland hat sich das bisher getraut.
Zu Prism und den anderen Überwachungsaktivitäten amerikanischer Geheimdienste ist im Moment festzustellen, dass wohl für alle Handlungen irgendeine Rechtsgrundlage nach amerikanischem Recht vorgelegt werden kann. Uns kann das selbstverständlich nicht zufriedenstellen, vor allem nicht, wenn Deutschland ganz besonders im Fokus der Überwachungen zu stehen scheint.
Es gibt somit genug Potenzial, sich aufzuregen. Dass sich gerade viele Menschen aufregen, ist durchaus ein positives Zeichen. Denn das heißt, es gibt Hoffnung, dass sich noch Menschen Gedanken machen und weitere Fragen stellen. Mein Dank gebührt hier ganz besonders Edward Snowden, der mit seinem Gang an die Öffentlichkeit bestätigt hat, was bisher meist als Verschwörungstheorie abgetan wurde.
Bitte machen Sie sich bewusst, dass er damit seine Zukunft und sein Leben aufs Spiel gesetzt hat! Wir müssen uns dafür einsetzen, dass Menschen, die solche Missstände aufdecken, Schutz gewährt wird und dass sie nicht um die halbe Welt flüchten und um ihr Leben fürchten müssen.
Meine Damen und Herren, wir haben in unserem Antrag viele Fragen aufgeworfen, die wir gemeinsam in den Ausschüssen diskutieren und beantworten müssen – allen voran die Frage, ob wir überhaupt eine dermaßen umfassende Überwachung wollen oder ob uns unsere Freiheit nicht ein bisschen Unsicherheit wert ist.
Wir befinden uns erst am Anfang des Internetzeitalters. Aber schon jetzt ist abzusehen, dass das Internet mehr ist als ein von Geheimdiensten zu überwachendes Kommunikationsnetz. Das Internet wird Teil unseres Lebens in der Zukunft. Daher müssen wir dafür Sorge tragen, dass unsere Grundrechte dort auch zur Geltung kommen.
Wir brauchen für die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen, für uns alle, eine Perspektive für ein freies und selbstbestimmtes Leben in einer digital vernetzten Welt ohne Angst vor Dauerüberwachung und dem großen Bruder. „Big Brother is watching you“ darf hier nicht Realität bleiben. – Danke für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die deutsche Bevölkerung steht unter Generalverdacht – Verzeihung, nicht nur die deutsche, sondern die gesamte Weltbevölkerung.
Systematisch werden vom US-amerikanischen Geheimdienst NSA das Internetverhalten und die Telefongespräche aller überwacht, dokumentiert und weltweit ausgewertet. Die wahre Dimension des Ausmaßes der Überwachung ist völlig unklar, und das bisher Bekannte ist nur die Spitze des Eisbergs. Gigantische Datenmengen werden jeden Tag gesammelt. Dabei kann der amerikanische Geheimdienst auf eifrige Helfer setzen. Amerikanische Großkonzerne geben ihm direkten Zugriff auf ihre Server.
Das mag deren Weltbild und Rechtsgrundlage entsprechen. Aber wir sind nicht in den USA. Wir verfügen in Deutschland und der Europäischen Union über eine eigene demokratisch legitimierte Gesetzgebung und Rechtsprechung, nicht aber der amerikanische Präsident auf europäischem Boden.
Die Aufgabe der Bundesregierung ist es nicht, die Interessen anderer Regierungen zu verteidigen, sondern sich für die Interessen der eigenen Bevölkerung einzusetzen und Eingriffe in die Grundrechte abzuwehren. Nicht ohne Grund sieht das Grundgesetz nicht nur einen Schutz vor dem Staat, sondern explizit auch den Schutz durch den Staat vor. Zwingend erforderlich ist, dass die Bundesregierung mithilfe ihrer US-amerikanischen Gesprächspartner für eine umfassende Aufklärung sorgt.
Das gestrige Treffen der Bundeskanzlerin mit dem amerikanischen Präsidenten zum US-Spähprogramm Prism hatte ein Ergebnis, das zu erwarten
war: Amerika wird weiterhin seinem Geheimdienst NSA beauftragen, die Menschheit unter Generalverdacht zu stellen, seinem Datensammelwahn freien Lauf lassen und alle Daten sammeln, derer er habhaft werden kann. Die Bundeskanzlerin hat zaghaft auf freiheitliche Grundrechte hingewiesen und sich ansonsten gegenüber dem Ansinnen der Supermacht devot verhalten. Wie sagte doch die Kanzlerin? Die Balance und die Verhältnismäßigkeit müssen gewahrt bleiben. – Jetzt ist klar, warum Internet Neuland ist.
Die Behauptung, dass durch die Überwachung im Netz mehr als 50 Anschläge verhindert worden sind, darunter auch in Deutschland, kann nicht über die moralisch zweifelhaften und fehlenden gesetzlichen Grundlagen hinwegtäuschen. Diese Argumentation ist ein Spiel mit der Angst der Menschen. Der Gesellschaft wird suggeriert, dass die Terrorgefahr durch Zuhilfenahme von Mitteln, die zweifelhaft und nicht rechtens, dafür aber erfolgreich und effizient sind, gebannt werden kann.
Auch wenn angeblich deutsche Behörden von den Erkenntnissen der amerikanischen Geheimdienste profitiert haben sollen, ist der Missbrauch gerade persönlicher Daten nicht hinnehmbar und nicht tolerierbar, auch nicht durch staatliche Organisationen.
Dem Sicherheitsinteresse der Bevölkerung und des Staates muss selbstverständlich Rechnung getragen werden. Die Grundrechte dürfen dabei nicht außer Acht gelassen werden. Das hat nach Spielregeln zu erfolgen. Das heißt, geltendes Recht muss zwingend eingehalten werden – auch oder gerade im Zeitalter des Internets.
Wir brauchen deshalb starke europäische Datenschutzregeln, die die Bürgerinnen und Bürger auch schützen, wenn sie US-Dienste nutzen. Insbesondere brauchen wir klare Regeln für den Zugriff von Geheimdiensten und Strafverfolgungsbehörden auf unsere Daten. Die EU muss endlich eine eigene, starke Position zum Thema „Datenschutz“ entwickeln. Das betrifft unter anderem das zwischen der EU und den USA auszuhandelnde Rahmenabkommen über den Zugang von Strafverfolgungsbehörden zu persönlichen Daten, aber vor allem die europäischen Datenschutzreform. Der Entwurf liegt vor und muss nur noch von der EU-Kommission umgesetzt werden.
Das systematische Ausspionieren der deutschen Bevölkerung durch amerikanische Sicherheitsbehörden ist für die SPD absolut inakzeptabel.
Jeder deutsche Staatsbürger, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, sollten von ihrer Regierung erwarten können, gegen das Ausspionieren durch andere Regierungen geschützt zu werden. Die Bundesregierung darf nicht wegschauen. Sie hat eine Sorgfaltspflicht und trägt Verantwortung gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich trotz der ernsten Angelegenheit mit einer lustigen Geschichte beginne, die aber den Ernst der Angelegenheit darstellt. Gestern, in einer Karikatur in „WhatsApp“ zu sehen, geht ein kleiner Junge zum amerikanischen Präsidenten und sagt: Mein Vater hat mir gesagt, Herr Präsident, Sie könnten in meinen Computer schauen. – Darauf der Präsident: Es ist nicht dein Vater.
Das wäre in der Tat der staatliche Missbrauch von Daten. Aber, meine Damen und Herren, wir sind uns einig darüber, wie ich glaube, dass der Gier von Staaten, alles über die Menschen zu wissen, Einhalt geboten werden muss und dass gerade die Amerikaner dies sehr intensiv betreiben. Sie wissen ebenfalls, dass Sie bei einer Einreise in die USA die Frage beantworten müssen, ob Sie einen terroristischen Anschlag planen. Mich würde interessieren zu wissen, wie viele diese Frage schon mit Ja beantwortet haben.
Die Amerikaner sind besonders sensibel. Das ist für uns nicht nachvollziehbar. Sie sind aber wie kein anderer Staat Zielobjekt von Terroristen. Ich sage auch: Wenn irgendwo in der Welt etwas brennt, wird nach dem Feuerwehrmann USA gerufen. Wenn er aber eingreift, sagen wir: Es ist doch deine eigene Schuld, dass die Leute dich nicht lieben. – Etwas mehr Gelassenheit in der Diskussion wäre angezeigt,
gerade von einer Fraktion, die alles herauspostet und twittert – Sexualleben, was weiß ich, alles gehört in die Öffentlichkeit – und die sagt: Um Gottes willen, mein Schriftverkehr des Landtags gehört besonders geschützt!