gerade von einer Fraktion, die alles herauspostet und twittert – Sexualleben, was weiß ich, alles gehört in die Öffentlichkeit – und die sagt: Um Gottes willen, mein Schriftverkehr des Landtags gehört besonders geschützt!
Ich weiß nicht, ob es ernst gemeint war, was Sie vorgeschlagen haben, aber der amerikanische Geheimdienst wird sich weiß Gott unglaublich langweilen, wenn er den Schriftverkehr des Landtags von
Nordrhein-Westfalen lesen würde. Er soll ihn nicht lesen, aber wenn er ihn lesen würde, weiß Gott, dann würde ihn wenigstens einer lesen.
Vielen Dank für das Zulassen dieser Frage. Herr Hegemann, ist Ihnen bewusst, dass der gesamte Datenverkehr des Landtags Nordrhein-Westfalen bis vor gar nicht so langer Zeit zur Spam-Abwehr über einen amerikanischen Server gelaufen ist und dass möglicherweise genau das, was Sie gerade beschrieben haben, passiert ist, nämlich, dass der amerikanische Geheimdienst auf diese Art und Weise auf den gesamten Datenverkehr des Nordrhein-westfälischen
Ja, das ist mir bewusst. Ich glaube sogar, es ist noch so. Wenn ich richtig informiert bin – ich gehöre zu den etwas Älteren, die das Internet kennen –, war es ein Schweizer Server, den wir benutzt haben. Der Server ist an einen USKonzern verkauft worden. Damit waren wir in USamerikanischen Händen. Das ist bekannt.
Ich will das auch nicht. Ich kann aber auch niemanden unter Generalverdacht stellen, indem ich sage: Wenn ein amerikanischer Server irgendwo steht, betreibt er damit Missbrauch. – Wenn das so ist, müssen wir das bekämpfen. Ich bitte aber alle: Machen Sie einfach ein Häkchen, wenn es um die allgemeinen Geschäftsbedingungen geht. Gucken Sie, wem Sie gestatten, irgendwo hineinzuschauen.
Eines ist ganz klar, und das sagt nicht die CDU, sondern das sagt der WDR. Der WDR sagt, es sei kein einziger Terrorist, Salafist, Bombenattentäter in Nordrhein-Westfalen, Herr Innenminister, gefasst worden ohne amerikanischen Geheimdienst – Paul Elmar Jöris im WDR-Kommentar letzter Woche.
Herr Hegemann, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie sagten gerade, es interessiere keinen, was im EMail-Verkehr des Landtags geschrieben werde. Deute ich das richtig, dass Sie bereit sind, Ihren gesamten E-Mail-Verkehr an die Piratenfraktion umzuleiten?
Darauf antworte ich: Das, was ich privat schreibe, schreibe ich sowieso nicht darüber. Das sollten wir auch nicht, weil es eine dienstliche Adresse ist. Was meinen Dienstverkehr anbelangt, dazu muss ich Ihnen sagen:
Nehmen Sie sich nicht so wichtig, dass wir hier Gesetze ändern und verschärfen müssen, dass wir demnächst nicht nur mit einem Token durch die Gegend laufen müssen, wenn wir in unser Programm wollen, sondern auch noch mit einem elektronischen Vorhängeschloss. Nehmen Sie das nicht ganz so wichtig. Wir müssen eine Menge tun. Deshalb überweisen wir den Antrag zur weiteren Beratung.
Ich sage aber auch eines mit Blick auf die Wut von Geheimdiensten – und alle Geheimdienste entwickeln Wut bei der Sammlung von Daten, auch unser Geheimdienst –: Wenn der Bundesnachrichtendienst zwei Tage später sagt, wir werden
2,4 Millionen zusätzliche Datensätze, sprich Personen, Institutionen, sammeln, darüber regt sich in Deutschland kein Mensch auf. Nur wenn es die Amerikaner machen, dann regen sie sich auf.
Mich ärgern mindestens genauso viel, wenn nicht noch mehr, Hackerangriffe aus China auf die deutsche Wirtschaft und damit auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Man muss auch darüber reden, was da geschieht. Ich sage Ihnen, wenn Sie jemanden, der gegen Gesetze verstößt, so niedlich als Whistleblower darstellen, der straffrei ausgehen müsse: Jeder, der sich in dieser Tätigkeit bewegt, weiß, dass er seinem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet ist, ob er etwas an Wikileaks weitergibt oder ob Snowden etwas an andere weitergibt. Übrigens war es heute interessant festzustellen: Beim Stichwort „Snowden“ konnten Sie in einer Google-Suchmaschine gar nichts finden. Heute Morgen hat sich das wohl geändert. Mittlerweile bietet auch Google zum Stichwort „Snowden“ etwas
Jeder, der sich in dem Bereich illegal tummelt, muss sich mit den Gesetzen des Landes auseinandersetzen. Man kann nicht sagen: Er hat aber öffentlich etwas Gutes gemacht. Deshalb muss er straffrei ausgehen. – Wenn jemand etwas von Ihnen öffentlich macht, möchten Sie ihn jahrelang hinter schwedische Gardinen schicken. Wenn aber jemand Geheimdienstinformationen nach außen gibt, zum Beispiel als Militärangehöriger, muss er auch so mutig sein, sich der Verantwortung zu stellen.
Danke schön, Herr Hegemann. Bleiben Sie bitte am Rednerpult stehen. – Danke sehr. Sie haben eine Kurzintervention zu beantworten oder darauf zu reagieren, natürlich nur, wenn Sie möchten.
Sie können auch schweigen. Das Recht hätten Sie auch, aber das sollten Sie nicht. – Herr Dr. Paul von der Piratenfraktion hat eine Kurzintervention beantragt. Er hat 90 Sekunden für die Kurzintervention Zeit. Anschließend hat Herr Hegemann 90 Sekunden Zeit für die Antwort.
Bezüglich Zwischenfragen möchte ich noch einmal sagen: Nach § 33 Geschäftsordnung sollen nicht mehr als zwei pro Redebeitrag zugelassen werden. Deswegen bitte ich um Verständnis, wenn ich nicht laufend Zwischenfragen zulasse. Zwei Zwischenfragen hatten wir bereits.
Lieber Herr Hegemann. Ich bin Ihrem Beitrag sehr aufmerksam gefolgt und habe wahrgenommen, dass Sie doch in allgemeine Richtungen, nicht in spezielle Richtungen, einen latenten Vorwurf des Antiamerikanismus losgelassen haben. Ich möchte hier für mich persönlich, für die Piratenfraktion und für die Partei erklären, dass wir sehr solidarisch mit dem amerikanischen Volk sind und dass es in einigen Punkten Dinge gibt, die durchaus nachahmungswürdig sind in Europa. Das US-amerikanische Stiftungsrecht zum Beispiel ist wesentlich besser und demokratischer als unseres. – Vielen Dank.
Danke schön, Herr Hegemann. – Jetzt sind wir gespannt auf den nächsten Debattenbeitrag. Für die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen spricht nun Herr Kollege Bolte.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, am heutigen Tag wird der Begriff „Neuland“ noch häufiger fallen natürlich vor dem Hintergrund, dass gestern, dreiundzwanzig Jahre nach dem Freischalten des öffentlichen Zugangs zum World Wide Web, die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland neben dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika vor der versammelten Weltpresse sitzt und erklärt, dass sie jetzt das Internet entdeckt und gesagt hat: Das ist Neuland.
Das haben viele, wie gerade auch mein Vorredner, Herr Hegemann, mit einem gewissen Amüsement aufgefasst. Bei mir ist es eher Fassungslosigkeit und Verzweiflung. Es ist Fassungslosigkeit über so viel Ignoranz gegenüber einer epochalen Veränderung und Verzweiflung über das eklatante Versagen dieser Bundesregierung, über die verheerende Bilanz in Netzpolitik- und Datenschutzfragen.
Alle großen Aufgaben hat die schwarz-gelbe Koalition vergeigt. Netzneutralität, zukunftsfähige Infrastruktur, ein Urheberrecht für dieses Jahrhundert genauso wie den Schutz unserer Privatsphäre. Thomas de Maizières Rote-Linien-Gesetz hat sein Nachfolger erst auf Eis gelegt. Die EU
Datenschutzreform versucht die Bundesregierung, wo immer es geht, auszubremsen. Die Stiftung Datenschutz findet ohne Datenschützer statt. Hinzu kommt, dass die Überwachungsfantasien der CDU praktisch grenzenlos sind. Das zeigte uns gerade gestern erst hier im Haus unser Kollege Biesenbach, als er in der Debatte ums Verfassungsschutzgesetz groß beweinte, dass es im neuen Gesetz keine Onlinedurchsuchungen gibt.
Vielen Dank. – Herr Kollege, Sie haben eben das Thema „Neuland“ angesprochen. Das ist auch mehrfach in den Reden der Piraten vorgekommen.
Sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass es auch ein Stück weit Arroganz gegenüber Menschen in Deutschland ist, zu behaupten, dass wir in der Frage des Internets jeden Tag nicht Neuland beträten? Das hat die Bundeskanzlerin wohl damit auch gemeint. Finden Sie es nicht anmaßend, dass das jetzt genutzt wird, um einen kleinen Effekt in der Frage zu erhaschen, wer die Deutungshoheit im Internet und im WWW hat?