Sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass es auch ein Stück weit Arroganz gegenüber Menschen in Deutschland ist, zu behaupten, dass wir in der Frage des Internets jeden Tag nicht Neuland beträten? Das hat die Bundeskanzlerin wohl damit auch gemeint. Finden Sie es nicht anmaßend, dass das jetzt genutzt wird, um einen kleinen Effekt in der Frage zu erhaschen, wer die Deutungshoheit im Internet und im WWW hat?
Herr Kollege, ich habe seit gestern Mittag nicht mit der Bundeskanzlerin darüber sprechen können, wie sie ihre Äußerung gemeint hat. Das ist aus Ihrer Sicht jetzt eine sehr wohlmeinende Formulierung gewesen. Auf der anderen Seite muss man sehen, was ich gerade inhaltlich ausgeführt habe, wie nämlich diese Bundesregierung – an der Spitze steht nun einmal Kanzlerin Merkel – netzpolitisch agiert hat. Ich habe eben sehr eindeutig skizziert, wo das große Versagen dieser Bundesregierung liegt.
Man sollte mir nicht deshalb Arroganz unterstellen, weil wir Grüne und andere Fraktionen bessere Konzepte haben, weil wir beispielsweise für die gesetzliche Absicherung der Netzneutralität sind und nicht für diese Larifari-Lösung, die Sie gemacht haben, weil wir dafür sind, eine zukunftsfähige Infrastruktur zu schaffen, weil wir dafür sind, ein zukunftsfähiges Urheberrecht zu haben, weil wir dafür sind, dass es zukunftsfähigen Datenschutz gibt, der diesem Jahrhundert angemessen ist, das ist falsch.
Das ist keine Arroganz, sondern das ist einfach die Einsicht darin, dass das Internet eine Jahrhundertinnovation ist, mit der wir umgehen müssen, und dass der digitale Wandel ein Wandel unserer Gesellschaft ist, den wir gestalten müssen. Das hat nichts mit Arroganz zu tun, sondern das hat vor allem etwas damit zu tun, dass Schwarz-Gelb das vier ganze Jahre verpennt hat. Das beenden wir am 22.09.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Skandal um das Prism-Programm wurde einmal mehr eine zentrale Frage des digitalen Zeitalters aufs politische Parkett gebracht. Wie gestalten wir Freiheit und Sicherheit im digitalen Zeitalter? Die Antwort im Rechtsstaat darf darauf nicht lauten – ich bin froh, das von meinen Vorrednern in mehr oder weniger intensiver Schärfe gehört zu haben –: Der Zweck heiligt die Mittel. Das darf nicht die Antwort des Rechtsstaates sein. Die Antwort des Rechtsstaates darf auch nicht Misstrauen sein. Die Antwort darf auch nicht lauten: Generalverdacht, anlasslose Überwachung. Das große Versprechen, das Selbstverständnis des freien demokratischen Rechtsstaates ist vielmehr – das müssen wir bei allen Fragen, und zwar auch bei denen, die sich neu stellen –, darauf zu achten, dass wir diese Freiheit, diese
Liebe Kolleginnen und Kollegen, man muss richtigerweise sagen, dass wir nicht seriös abschätzen können, was alles in diesem Prism-Programm enthalten ist. Wir haben keine Gewissheit über die konkreten Rechtsgrundlagen, wir kennen nicht die konkreten Inhalte, und wir wissen nicht, worin die konkreten Maßnahmen bestehen. Aber die Vorwürfe, die im Raum stehen und über die wir heute debattieren, sind doch immens.
Die Vorwürfe von Edward Snowden zielen auf schwerwiegende Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung. Angeblich wurde eben tatsächlich die vollständige elektronische Kommunikation überwacht. Ein solches Ausmaß haben viele befürchtet; es galt vielen aber auch lange als Verschwörungstheorie. Aber langsam setzt sich die Gewissheit durch, dass es sich dabei eben um ein reales Szenario, um eine reale Gefahr für unsere Freiheit und möglicherweise auch um einen Anschlag auf unsere verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte handeln kann.
Es ist unklar, welche Internetdienste überwacht wurden, welche Mitwirkungspflichten vorliegen, wie das amerikanische Recht die Möglichkeiten definiert, wie dem nachgekommen wird. Ich habe bisher nicht wahrgenommen, dass die US-Regierung ein ernstes Interesse daran gezeigt hätte, das konkret aufzuklären und zu konkreter Aufklärung beizutragen.
Ich habe nur Zahlen von einzelnen Anbietern gehört, die ich durchaus schockierend fand. Erst recht schockierend fand ich auch Nachrichten wie die, dass beispielsweise Microsoft über Sicherheitslücken in seinen Produkten erst den amerikanischen Geheimdienst informiert hat und deutlich später erst seine Nutzerinnen und Nutzer. Das sind einfach Fragen, die wir auch klären müssen.
Die US-Regierung hat bisher offensichtlich kein Interesse an Aufklärung. Deshalb ist es auch Sache der Bundesregierung, dafür zur sorgen, dass wir diese Vorgänge aufgeklärt bekommen.
Das ist gerade vor dem Hintergrund notwendig, dass Deutschland nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen der Staat in Europa ist, in dem am meisten Daten im Rahmen von Prism abgefangen wurden. Dazu habe ich deutliche Worte der Kanzlerin vermisst. Vielleicht hat sie sie nichtöffentlich gesprochen. Ehrlich gesagt, glaube ich das nicht. Ich habe diese Worte jedenfalls vermisst, auch in ihren Statements in der Öffentlichkeit; denn die Eingriffe in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung sind massiv und auch unverhältnismäßig.
Deshalb muss die Bundesregierung jetzt ehrlich aufklären. Der augenzwinkernde Verweis auf das „Neuland“ Internet im Stil des „Neuland“-Statements reicht einfach nicht. Wenn bei der Entdeckung eines
Neulands etwas schiefgeht, wenn Grundrechte unverhältnismäßig eingeschränkt werden, wenn aus Big Data Big Brother wird, meint Frau Merkel: Tja, das ist dann halt ein Kollateralschaden. – Diese Logik dürfen wir ihr nicht durchgehen lassen. So viel Ignoranz gegenüber der realen Gefährdung von Freiheitsrechten hat es selten gegeben. Das dürfen wir der Kanzlerin in der Tat nicht durchgehen lassen.
Kollege Hegemann hat gerade einen Widerspruch aufzuzeigen versucht, der so nicht existiert. Es gibt ein legitimes Sicherheitsinteresse der Bürgerinnen und Bürger, gerade auch unter den Bedingungen der Digitalisierung. Diesen Diskurs müssen wir führen. Wir müssen ihn nach vorne führen. Der Umgang mit Prism wird ein entscheidender Beitrag dazu sein, wie wir den Datenschutz im 21. Jahrhundert im Sinne von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aufstellen.
Gestatten Sie mir, als Schlussbemerkung einen Kommentar aus der Onlineausgabe der „Zeit“ von gestern zu zitieren. Darin schrieb der Kommentator:
„Angst ist ein schlechter Begleiter bei der Erkundung von Neuland. Es braucht mutige Pioniere, zumindest ein paar.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Menschheit hat bei der Erkundung von Neuland auch nicht immer nur gute Erfahrungen gemacht. Bei der sogenannten Entdeckung Amerikas wurde den Ureinwohnerinnen und Ureinwohnern unfassbares Leid angetan. Die ersten Menschen, die zum Mond geflogen sind, haben ein paar schöne Steine mitgenommen und viel Müll dagelassen. Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Geschichte an dieser Stelle bei der Entdeckung der digitalen Welt nicht wiederholt. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Hegemann, viele Bürger und Unternehmen sind über das, was geschehen ist, wirklich verunsichert. Ich hatte bei Ihrem Wortbeitrag das Gefühl, dass die Balance zwischen den Empfindlichkeiten auf der einen Seite und den Notwendigkeiten auf der anderen Seite etwas fehlt. Deswegen möchte ich für uns Liberale ganz klar sagen: Wir sind nicht damit zufrieden, dass Überwachungsprogramme wie Prism viele Daten von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen abgreifen. Wir halten dies für ein sehr
ernstes Thema, das wir natürlich auch in Deutschland in der Politik begleiten müssen und bei dem wir nicht tatenlos zusehen dürfen.
Lieber Kollege Bolte, wieso hat eigentlich SchwarzGelb es vergeigt? Soll ich Ihnen einmal aufzählen, welche Datenmonster Sie in Ihrer Regierungszeit alle auf den Weg gebracht haben?
Wir haben ELENA gestoppt, um nur ein großes Beispiel zu nennen, bei dem wir auch hier in Deutschland zuständig waren.
Wir verhandeln die Datenschutzrichtlinien auf Europaebene, weil sie uns nicht ausreichen. Da sind wir doch einer Meinung, denke ich.
Schauen Sie auch einfach einmal einen Tag zurück. Sozialdemokraten und Grüne haben gestern ein Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen verabschiedet, bei dem heute schon klar ist, dass die Datenregelungen der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts nicht entsprechen. Sie haben gestern bewusst ein Gesetz in die Welt gesetzt, auf dessen Grundlage Sie Daten sammeln, die Sie auf diese Art und Weise nicht erheben und aufbewahren dürfen, weil Sie Löschungsfristen und Ähnliches nicht beachten, meine Damen und Herren. Dann können Sie sich auch nicht so hierhin stellen.
Herr Jäger ist im Übrigen auch dafür bekannt, dass er die Vorratsdatenspeicherung gerne ausweitet, meine Damen und Herren.
Wenn wir uns hier über diese Themen unterhalten, sollten wir das also bitte seriös tun – und nicht auf diese Art und Weise.
Wir haben uns dafür eingesetzt und setzen uns weiter dafür ein, dass das deutsche Datenschutzniveau ein Vorbild für andere Länder ist. Wir müssen gemeinsam dafür streiten, dass das Datenschutzniveau in Deutschland durch Europarecht nicht nach unten nivelliert wird. Wir sollten auch gemeinsam dafür eintreten, dass unser Datenschutzniveau ein Markenzeichen wird und dass viele Unternehmen einen marktwirtschaftlichen Anreiz haben, ihre Leistungen bei uns anzubieten, weil die Bürgerinnen und Bürger vielleicht auch weltweit dafür sensibilisiert sind, dass andere in ihre E-Mails hineinschnüffeln.
Meine Damen und Herren, das sind die richtigen Wege. Ich hätte mir gewünscht, dass wir den Antrag der Piraten als Einstieg in eine solche Debatte
Vielen Dank, Herr Dr. Orth. – Für die Landesregierung spricht nun der für dieses Thema zuständige Minister, Herr Minister Jäger.
Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Antrag ist ein Sammelsurium verschiedener Betrachtungsweisen, was die digitale Welt angeht, was Datenschutz angeht, was Bürgerrechte angeht, was tatsächliche oder vermeintliche Mängel angeht. Wegen der begrenzten Redezeit kann ich nur auf einige wenige eingehen – insbesondere auf den in diesem Antrag erhobenen Vorwurf, die Landesregierung tue nicht alles, um die Daten ihrer Bürgerinnen und Bürger zu schützen, oder – noch viel mehr – es gebe bei der Landesregierung unzureichende Sicherheitsvorkehrungen.
Wir alle hier im Saal wissen wohl, dass kein 100%iger Schutz einer IT-Infrastruktur vor unerlaubtem Zugriff durch Schadsoftware oder Ähnliches existiert. Sie mögen aber erkennen, was diese Landesregierung bereits tut, wenn Sie sich vor Augen führen, dass wöchentlich ca. 600 Hackerangriffe auf die IT-Infrastruktur der Landesregierung und ihrer Ministerien begangen werden. Darunter sind vier bis fünf wirklich schwere, die uns ernsthaft Arbeit machen und Sorgen bereiten. Trotzdem glaube ich, dass wir in diesem Bereich alles Menschenmögliche tun, um die Sicherheit der IT-Infrastruktur der Landesregierung zu garantieren und dabei insbesondere sensible Daten gerade von Bürgerinnen und Bürgern zu schützen.
Wenn wir als Landesregierung Daten erheben, tun wir das immer unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und selbstverständlich nur dann, wenn es dafür auch eine gesetzliche Grundlage gibt.
Viel zu kurz kommt mir in dem Antrag – das sage ich auch ganz offen; es wird nur mit einem Satz gestreift – das Verhalten der Internetnutzer selbst.
Um es deutlich zu sagen: Internetbrowser zu nutzen, ohne einmal die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelesen zu haben, ist in der Tat leichtfertig. Ich habe schon vor langer Zeit meine Konsequenzen daraus gezogen. Die Entscheidung, ob man Google als Internetbrowser nutzen sollte oder nicht, sollte jeder User für sich selbst treffen.
ist. Der Umgang mit den sensibelsten Daten in den Unternehmen ist – bildlich gesprochen – wie das Lesen in einem offenen Buch. Durchaus hohe Kompetenzen, ein großes Maß an Wissen und Wirtschaftlichkeit werden aus diesen offenen Büchern – insbesondere von Ländern, die mit Bürgerrechten und Datenschutz einen leichtfertigen Umgang betreiben – „abgesaugt“.
Das muss man wissen. Deshalb muss unsere gemeinsame Anstrengung darin bestehen, das Bewusstsein bei den Bürgerinnen und Bürger dahin gehend zu schärfen, dass sie ihre privaten und geschäftlichen Daten sowie ihre eigene Infrastruktur besser schützen müssen.
Wir als Landesregierung respektieren selbstverständlich die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger. Ich habe bereits gestern bei der Debatte zum Polizeigesetz versucht, deutlich zu machen, dass sich Freiheit und Sicherheit eben nicht ausschließen. Wir alle in diesem Saal sind uns, glaube ich, darüber einig, dass wir keine pauschale, lückenlose und globale Überwachung wollen.
Herr Herrmann, Sie haben das Ganze – nämlich den Umgang mit Prism und die Frage von Bestandsdaten- und Vorratsdatenspeicherung – jedoch zu einem großen Brei zusammengerührt. Das sind aber zwei Paar Schuhe, die nichts miteinander zu tun haben. Selbstverständlich muss die Bundesregierung mit den Amerikanern in den Ring gehen und Aufklärung darüber verlangen, zu welchem Zweck und in welchem Umfang über Prism Daten auch von deutschen Bürgern erhoben wurden und was damit gemacht worden ist. Das ist überhaupt keine Frage.
Diesen Punkt jedoch im gleichen Atemzug zu nennen wie die Frage, ob Polizei und Verfassungsschutz Bestandsdaten ermitteln dürfen, das finde ich ungeheuerlich. Ebenso ungeheuerlich ist die Annahme, dass wir in übertriebenem Maße zu diesem Mittel greifen würden. Bei der Bestandsdatenauskunft geht es ausschließlich darum, dass Sicherheitsbehörden unter ganz bestimmten hohen juristischen Hürden an einen Provider herantreten und fragen dürfen, unter welcher Nummer beispielsweise Ralf Jäger dort geführt wird.