Diesen Punkt jedoch im gleichen Atemzug zu nennen wie die Frage, ob Polizei und Verfassungsschutz Bestandsdaten ermitteln dürfen, das finde ich ungeheuerlich. Ebenso ungeheuerlich ist die Annahme, dass wir in übertriebenem Maße zu diesem Mittel greifen würden. Bei der Bestandsdatenauskunft geht es ausschließlich darum, dass Sicherheitsbehörden unter ganz bestimmten hohen juristischen Hürden an einen Provider herantreten und fragen dürfen, unter welcher Nummer beispielsweise Ralf Jäger dort geführt wird.
Wenn zum Beispiel – was hoffentlich nie passieren wird – Ralf Jäger oder eine andere Person als vermisst gilt oder wenn Demenzkranke umherirren, dann ist es hierüber möglich, deren Handy zu orten. Es geht darum, dass wir selbstverständlich wissen müssen – übrigens erst nach richterlicher Anordnung –, welcher Internetnutzer möglicherweise über welche IP-Nummer verfügt. Es geht darum, dass das Internet eben nicht nur die große, weite Welt bedeutet, sondern auch Tatort ist.
Ein Rechtsstaat kann nur Rechtsstaatlichkeit gewähren, wenn er die Instrumente dazu erhält. Dies muss in einer sehr ausgewogenen Art und Weise
geschehen, zwischen Verhältnismäßigkeit, Bürgerschutz und Datenschutz auf der einen Seite und der Bekämpfung von Straftaten auf der anderen Seite.
Sämtliche dem Staat zur Verfügung stehenden Instrumentarien nun in Bausch und Bogen als Spionagemittel gegenüber den Bürgerinnen und Bürger zu titulieren, das ist nicht in Ordnung, Herr Herrmann. Das muss ich in aller Deutlichkeit sagen.
Würden Sie Opfer einer Straftat, wären Sie der Allererste, der nach der Polizei rufen und Aufklärung verlangen würde. Das wäre ja auch Ihr Recht als Bürger. Den zuständigen Sicherheitsbehörden
müssen hierfür aber die notwendigen Instrumentarien an die Hand gegeben werden. Das hat nichts mit Prism zu tun. Sie haben jedoch alles zu einem großen Brei vermengt.
Ich bin der Auffassung, dass wir als Landtag gut beraten sind, dafür zu sorgen, dass die Bundesregierung mit den Amerikanern in den Ring steigt und Aufklärung darüber verlangt, welche Daten zu welchem Zweck und zu welchem Ziel ermittelt worden sind.
Noch ein letzter Punkt. Herr Hegemann, Sie haben Paul Elmar Jöris zitiert, und ich hoffe, Sie haben ihn richtig zitiert. Dieser soll gesagt haben, dass ohne amerikanisches Wissen aus deren Nachrichtendiensten kein Terrorist in Deutschland gefangen worden wäre und kein Anschlagsversuch hätte verhindert werden können.
Ich schätze Herrn Jöris als eine herausragende Persönlichkeit im Journalismus sehr. Wenn er dies tatsächlich gesagt hat, dann ist es allerdings nicht zutreffend. Gerade deutsche und nordrhein
westfälische Sicherheitsbehörden haben einiges zur Aufklärung beigetragen. Die Vereitelung des Anschlagsversuchs im Bonner Hauptbahnhof vor wenigen Monaten und die Ermittlung der Täter gehen insbesondere auf die Arbeit nordrhein-westfälischer Sicherheitsbehörden zurück und nicht auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse anderer Staaten. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Bleiben Sie bitte am Pult; es gibt eine angemeldete Kurzintervention von Herrn Kollegen Schwerd von der Piratenfraktion.
Herzlichen Dank. Das Wort „kurz“ habe ich sehr wohl vernommen. – Ich möchte gerne zwei Punkte ansprechen, Herr Minister. Vorhin hat auch Herr Hegemann immer wieder eine Vermischung durchgeführt von einerseits Ha
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass nach den jeweiligen Gesetzeslagen – zum Beispiel in Amerika – das Vorgehen der Sicherheitsbehörden keine Straftat darstellt. Nach amerikanischem Recht ist das Handeln durchaus legal. Insofern nützt es herzlich wenig, wenn man darauf verweist, Hackerangriffe abzuwehren und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Das ist das eine.
Das andere ist: Sie sprachen vorhin den Punkt „Bestandsdaten“ an und hoben hervor, dass eine Bestandsdatenspeicherung durch deutsche Sicherheitsdienste damit nicht verglichen werden könne. Sie verwiesen dabei auf die hohen juristischen Hürden in Deutschland.
Ich gehe davon aus, dass die NSA und andere amerikanische Sicherheitsbehörden ganz genauso argumentieren. Sie werden ebenfalls sagen: Wir haben hohe Sicherheitshürden, wir haben auch hohe Anforderungen; unser Tun dient einem guten Zweck, nämlich der Abwehr der Terrorgefahr usw. – Insofern sehe ich sehr wohl eine Parallele zwischen der hier geplanten Bestandsdatenspeicherung und der Vorgehensweise der NSA.
Die sind schon herum? – Dann möchte ich noch kurz auf die Verhältnismäßigkeit hinweisen, die bei solchen Grundrechtseingriffen gewahrt sein muss. – Danke.
Herr Schwerd, ich habe mich auf Ihren Antrag bezogen. In diesem Antrag steht sinngemäß, wir als Landesregierung sollten endlich einmal unsere ITInfrastruktur unter die Lupe nehmen und für die größtmöglichen Sicherheitsstandards sorgen.
In diesem Sinne habe ich Ihnen geantwortet: nämlich dass wir dieser Aufforderung nicht unbedingt bedürfen, sondern dass dies bei uns Alltagsgeschäft ist. Ich habe mit Zahlen belegt, welchen Angriffen – damit meine ich überhaupt nicht die Amerikaner – allgemeiner Art unsere IT-Struktur im Internet ausgesetzt ist.
Das Zweite ist: Ich finde es bemerkenswert, dass Sie die – möglicherweise nicht rechtswidrige – Vorgehensweise der NSA mit einer Bestandsdatenauskunft nach richterlicher Anordnung bei Gefahr für Leib und Leben vergleichen, wenn die nordrhein
westfälische Polizei erfährt, welche Rufnummer ein Teilnehmer hat. Das spricht für sich, Herr Schwerd.
Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Nun hat sich für die CDU-Fraktion noch einmal Herr Hegemann zu Wort gemeldet. – Sie ziehen den Wortbeitrag zurück.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren auf der Tribüne und im Netz, die zusehen – hoffentlich nur diese! Ein kleines Beispiel: Denken wir an die Fotos des letzten Sommerurlaubs von Herrn Laumann, denken wir an den möglichen Videochat von Herrn Lindner mit seinem Steuerberater, denken wir an jede private Mail, die einer von uns Abgeordneten an irgendwelche Personen schreibt. Diese Aufzählung könnten wir noch beliebig fortsetzen.
Wir gehen grundsätzlich erst einmal davon aus, dass das, was wir dort machen, privat ist, dass das Privatsphäre ist. Aber all dies ist nach den Informationen der letzten Tage vielleicht gar nicht mehr geheim, sondern wird vom amerikanischen Geheimdienst NSA aufgezeichnet, ausgewertet und archiviert.
Jeder von uns kann in die Fänge des USGeheimdienstes und der Überwachungsprogramme gelangen, auch Berufsgruppen, die in Deutschland zu Recht unter einem besonderen Schutz stehen, beispielsweise Journalisten, die ihre Informanten schützen müssen, Ärzte, Anwälte.
Herr Hegemann, so wie ich Sie gerade verstanden habe, kommt mir das schon ein bisschen komisch vor. Sie tun so, als ob all das, was in den letzten Tagen bekannt geworden ist, eigentlich okay sei.
Sie haben den Eindruck vermittelt, dass Sie ohnehin kein Internet nutzen, dass Sie vielleicht mal ein paar Mails schreiben, in denen aber nichts Wichtiges steht, und deswegen könne die Überwachung stattfinden, deshalb sei all das in Ordnung. – Das ist es nicht, Herr Hegemann.
Wie der Zugriff durch den US-Geheimdienst stattfindet, ist bisher nur grob umschrieben. Genau dieses Nichtwissen öffnet vielen Spekulationen Tür und Tor.
Lassen Sie mich zusammenfassen, was bekannt ist: Sicher scheint zu sein, dass eben nicht nur, wie in Deutschland häufig diskutiert, IP-Adressen oder Verbindungsdaten gespeichert werden, sondern die tatsächlichen Inhalte der Kommunikation, Inhalte aus E-Mails, Fotos, Videos, Chats und der Aufruf von Webseiten. Von all dem erfährt der überwachte Nutzer nichts – Herr Laumann genauso wenig wie Herr Lindner oder ich. Meine Damen und Herren, all diese Inhalte sind privat. Sie gehen weder deutsche Behörden noch erst recht nicht den US
Neben dem schweren Eingriff in die Privatsphäre der Menschen muss aber auch der Aspekt der Wirtschaftsspionage beachtet werden. Wo landen die Daten deutscher Unternehmen eigentlich, die durch den amerikanischen Geheimdienst abgefangen werden? Werden diese für einen Wettbewerbsvorteil amerikanischer Unternehmen genutzt? – Das gesamte Thema wirft eine ganze Menge Fragen auf, die beantwortet werden müssen.
Gestern hatte die Bundeskanzlerin die Gelegenheit, dem US-Präsidenten genau diese Fragen zu stellen. Sie hatte die Gelegenheit, klarzumachen, dass wir es nicht wollen, dass ein amerikanischer Geheimdienst die private Kommunikation deutscher Staatsbürger und deutscher Unternehmen speichert. Anstatt klarer Worte, so wird Merkel zitiert, habe sie die Frage der Verhältnismäßigkeit angesprochen; es sei eine Frage der Balance.
Sie haben erklärt, dass die Bundeskanzlerin unzureichend mit Herrn Obama über das Thema gesprochen habe. Ich habe heute in keiner Zeitung gelesen, dass Herr Steinbrück das Thema angesprochen hat.
Er hat sich gedrängt, mit dem Präsidenten zu reden, und hat mit ihm über die deutschen Sprachfertigkeiten seiner Halbschwester und über Kultur gesprochen. Meinen Sie, das sei ausreichend?
Herr Hegemann, ich freue mich darüber, dass Sie Herrn Steinbrück mittlerweile genauso viel Gewicht beimessen wie der Bundeskanzlerin.