Protokoll der Sitzung vom 10.07.2013

Sie haben keine konzeptionellen Vorschläge, wie es gelingen soll, wie man Versorgungssicherheit, Preisstabilität, Energiewende erreichen soll. Das haben Sie alles nicht.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Wenn Sie auf die CDU und die FDP zeigen, haben Sie an einer Stelle recht: Wir sind nach Ihnen gekommen, was den Atomausstieg angeht. Ja! Aber es wäre Ihre Aufgabe gewesen, bei den Folgefragen weiter vorwegzugehen.

Ein letzter Punkt zum Schluss: Wenn Sie den Protest in der Eifel abtun, dann komme ich mir ein bisschen vor wie im falschen Film. Es war doch kein Protest dieser Republik vor Ihrer Unterstützung si

cher. Was ist denn mit Ihren Bekenntnissen, Betroffene zu Beteiligten zu machen? Wenn es Ihnen nicht in den Kram passt, dann ist Protest nicht in Ordnung. Sie waren gegen Flughäfen, gegen Bahnstrecken, gegen Autobahnen, gegen alles Mögliche. Und auf einmal, wenn Protest da ist, wenn es Bürgersorgen gibt, heißt es: Das geht jetzt aber wirklich nicht, das ist ein grünes Projekt, das brauchen wir, da darf man nicht gegen sein. – So geht es nicht! Sie wechseln Ihre Kleider, wie es Ihnen passt. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Danke, Herr Kollege Wüst. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege van den Berg.

Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon beachtlich, dass Herr Wüst uns hier in einem ordentlichen Abwägungsverfahren ernsthaft vorschlagen will, vorab politische Festlegungen zu treffen. Welchen Bärendienst erweisen Sie damit einem solchen Projekt? Das müssen Sie mir an dieser Stelle mal erklären.

Das Einzige, was ich bei Herrn Wüst heute gelernt habe, ist die Tatsache, dass er den Landesentwicklungsplan studiert hat. Umso interessanter ist es daher, sich Ihren Antrag einmal genauer anzuschauen. Sie schreiben in Drucksache 16/3502, der neue LEP „sehe für konventionelle Kraftwerke einen elektrischen Mindestwirkungsgrad von 58 % vor“.

Meine erste Feststellung: Sie verkennen das Regelungsobjekt. Da können Sie sich vielleicht Nachhilfe von Herrn Ellerbrock holen. Ein LEP kann überhaupt keine Wirkungsgrade für Kraftwerke vorschreiben. So etwas ist allenfalls im Bundesimmissionsschutzrecht möglich. Der LEP beschäftigt sich lediglich damit, wie die Standortentscheidungen ausfallen sollen. Auf diese Weise qualifiziert er Standorte und hat dadurch steuernde Wirkung für Regional-, Bauleit- und Fachplanung.

Meine zweite Feststellung, Herr Wüst: Sie verwechseln die Rechtsgrundlage. Der neue LEP entfaltet seine Rechtskraft erst mit der Rechtswirkung. Auch das ist vorhin deutlich dargestellt worden. Hier eine Scheindiskussion um BoAPlus aufzumachen, obwohl wir alle wissen, dass die Abwicklung noch nach dem alten LEP erfolgt, ist schon beachtlich. Der Beschluss des Regionalrates in Köln über eine Flächenausweisung für BoAPlus erfolgt nach geltendem Recht, und das soll auch weiterhin so sein.

Herr Schmalenbach hat vorhin – obwohl ich inhaltlich nicht damit übereinstimme – das Ganze zumindest sauber unterschieden. Er hat deutlich darauf hingewiesen, dass wir zwischen den „Zielen der Raumordnung“, die nach dem nachgeordneten Planungsrecht strikt zu beachten sind, und den

„Grundsätzen der Raumordnung“ unterscheiden müssen. Diese Grundsätze bieten den nachgeordneten Planungsebenen in Abwägungsprozessen Rahmen zur Berücksichtigung. Das ist ein Unterschied.

Sicherlich kann man darüber nachdenken, ob der neue, im LEP-Entwurf formulierte Grundsatz Probleme machen könnte. Das hat der Regionalrat in Köln im Übrigen auch getan. Ich verweise Sie in diesem Zusammenhang auf die Regionalratsvorlage und zitiere gerne – mit Genehmigung der Präsidentin –:

„Die 5. Änderung des Regionalplans für den Regierungsbezirk Köln, Teilabschnitt Region Köln – Kraftwerksstandort Bergheim-Niederaußem – ist damit“

und vorher wurde sehr viel abgewogen –

„mit den in Aufstellung befindlichen Zielvorgaben des Entwurfs eines neuen LEP NRW zu neuen Kraftwerksstandorten im Regionalplan vereinbar.“

Siehe da! Also: Alles nur heiße Luft.

Meine dritte Feststellung: Sie verkennen die Rechtswirkung. Ein Grundsatz der Landesplanung ist der Abwägung mit anderen Zielen und Grundsätzen zugänglich. Er ist nicht als endabgewogenes Ziel formuliert. Das ergibt ja auch Sinn; denn gerade im Braunkohlebereich macht die Nähe von Rohstoff und Verstromung den wahren Wert des Energieträgers aus.

Kraftwerke liegen an den Rändern der Tagebaue. Es soll gerade nicht dazu kommen, dass lange Transportwege für große Massen notwendig werden. Für den theoretischen Fall einer Flächenausweisung nach BoAPlus gibt es keinen ernstzunehmenden Vorschlag, Braunkohlekraftwerke in verdichtete Siedlungsbereiche zu verlegen, nur um dort Wärmesenkung zu erreichen. Das wäre ökologisch wie ökonomisch völliger Unsinn. Beschäftigen wir uns doch einmal mit diesem Fall und prüfen, wie die Abwägungsverfahren wirklich aussehen.

Meine vierte Feststellung: Sie befinden sich offenbar in Unkenntnis über die weiteren Schritte des Kraftwerkserneuerungsprogramms. Wenn BoAPlus genehmigt ist, gibt es überhaupt keine Planungen mehr, neue Standorte im rheinischen Revier für Kraftwerke auszuweisen. Vielmehr soll das umgesetzt werden, was wir fordern, und zwar Zug um Zug, alt für neu. Das Ganze wird an bestehenden Standorten geschehen und soll anlagenbezogen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erfolgen. Hier spielt der LEP überhaupt keine Rolle.

Sie lenken also ab. Sie behaupten, dieser Landesentwicklungsplanentwurf sei – Zitat – „das Ende des Kraftwerkserneuerungsprogramms“. Das ist auch historisch falsch. Denn zwischen 2005 und 2010 war es gerade die damalige Landesregierung, die

immer wieder neue Kraftwerkspläne abgelehnt hat, ähnlich wie wir das heute mit den Pumpspeicherkraftwerken erleben. Damals war die CDU in der Verantwortung.

Wir können eigentlich erst mit dem Jahreswechsel 2012/2013 feststellen, dass wir uns wieder in einem ordentlichen Kraftwerkserneuerungsprogramm befinden; denn seitdem wurden 16 150-MegawattBlöcke abgeschaltet.

Ihre These ist vor allen Dingen aktuell grotesk. Denn keiner behauptet, dass derzeit Kraftwerke wegen des nordrhein-westfälischen Planungsrechts nicht ans Netz gingen. Selbst Herr Kufen nickt an dieser Stelle. Alle sagen, es liege an den bundespolitischen Rahmenbedingungen.

Ich empfehle Ihnen, Herr Kufen: Lesen Sie hierzu doch die Pressemitteilung von RWE vom 5. Juli 2013. Darin wird darauf verwiesen, dass endlich die „Voraussetzungen für die Wirtschaftlichkeit“ geschaffen werden müssen. Es wird außerdem darauf verwiesen, dass auf Bundesebene „aktuell sehr schwierige Rahmenbedingungen“ herrschen. Das müssen Sie an dieser Stelle anpacken.

Wir stellen fest: Selten hat eine Bundesregierung von Industrie- und Energieversorgern so schlechte Noten bekommen wie die aktuell amtierende.

(Beifall von der SPD)

Erst am letzten Montag konnte man im „Handelsblatt“ nachlesen, dass Siemens und E.ON Warnrufe ausgestoßen und auf die Folgen des Stillstandes auf Bundesebene für Industrie und Wettbewerb hingewiesen haben.

Meine Damen und Herren, es ist höchste Zeit, dass sich an dieser Stelle etwas ändert. Sie betreiben hier Wahlkampf und werfen Nebelkerzen. Außerdem legen Sie ein schlechtes Zeugnis über Ihr Studium im Landesplanungsrecht ab, Herr Wüst. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege van den Berg. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Lindner.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, nachdem ich den nüchternen Vortrag von Hannelore Kraft gehört habe.

Ich will noch mal in Erinnerung rufen, worüber wir hier eigentlich debattieren.

(Dietmar Bell [SPD]: Das ist auch nötig! Wunderbar!)

Datteln 4 hat eine wichtige Rolle im nordrheinwestfälischen Stromnetz. Das hat sich zuletzt bei

der Diskussion über die Bahnstromversorgung gezeigt. Es ist im Übrigen eine Milliardeninvestition in einem strukturschwachen Raum und ein Technologieprojekt, dessen Bedeutung über die Landesgrenzen hinausweist.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Deswegen wundern wir uns auch so!)

Dabei geht es auch um Investitionssicherheit in einem großen industriellen Maßstab.

(Beifall von der FDP)

Wir führen hier eine Debatte, bei der sich die Ministerpräsidentin hinstellt und einen Rechtsvermerk nüchtern und leidenschaftslos abliest.

(Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD] – Reiner Priggen [GRÜNE]: Das sind alles Krokodils- tränen!)

Bei einer Frage dieser Bedeutung schlüpft Hannelore Kraft in die Rolle der Sachbearbeiterin und verkriecht sich zwischen den Aktendeckeln der Staatskanzlei.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Frau Kraft, das Land Nordrhein-Westfalen braucht in dieser Frage keine Sachbearbeiterin in der Staatskanzlei, sondern politische Führung,

(Dietmar Bell [SPD]: Das ist alles Wahl- kampfgetöse!)

damit wir das Energieland Nummer eins bleiben können!

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Viele Worte, keine Inhalte!)

Das wäre eigentlich die Anforderung gewesen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Minister Ralf Jäger: Wer hat es denn verbockt? – Zu- ruf von Minister Johannes Remmel)

Herr Remmel, auf Sie komme ich in dem Zusammenhang gleich noch zu sprechen.