Protokoll der Sitzung vom 21.06.2012

und dass die zu erwartenden enormen Kosten für die Bürger dazu in keinem vernünftigen Verhältnis stehen.

(Renate Hendricks [SPD]: Welche Kosten?)

Und deshalb lehnen wir Piraten diese Dichtheitsprüfung in dieser Form ab und fordern eine neue Ausarbeitung. Die Notwendigkeit, die Risiken, wenn man darauf verzichtet, und die Kosten dieser Dichtheitsprüfung müssen transparent gemacht und nachvollziehbar abgewogen werden. Das ist unsere Forderung. Mit dieser Forderung sind wir auch in den Landtagswahlkampf gezogen.

(Beifall von den PIRATEN)

Es gab am letzten Wochenende in Dülmen ein landesweites Treffen von Bürgerinitiativen, die sich zu diesem Thema zusammengeschlossen hatten. Dort war außer mir für die Piraten auch der Kollege Höne für die FDP anwesend. Es waren dort also die beiden kleinen Fraktionen aus dem Landtag vertreten, die drei großen Fraktionen hatten es nicht nötig, dort zu erscheinen. Der Landtagswahlkampf war eben vorbei. Das ist schade, denn das Treffen war interessant, und es wurde engagiert und sachlich berichtet und diskutiert.

Wir Piraten sagen: Wir werden uns weiterhin an solchen Treffen beteiligen und uns als eine Art Proxy für diese Initiativen und für die betroffenen Bürger zur Verfügung stellen, damit deren Anregungen, Bedenken und Vorschläge in den Landtag, in die Ausschüsse eingebracht werden und in die Gesetzgebung einfließen können, wenn sie dann mehrheitsfähig sind.

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

Es gibt Zweifel, ob § 61a Landeswassergesetz wirklich verfassungsgemäß oder vielleicht verfassungswidrig, zumindest problematisch ist. Wir behalten uns ausdrücklich die Option vor, wenn er nicht geändert wird, und zwar so geändert wird, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt werden, vielleicht eine Normenkontrollklage anzuregen und durchzuführen, also weitere Abgeordnete zu suchen, die mit uns zusammen das gegebenenfalls durchführen würden. Das ist ein Vorschlag, den die Bürgerinitiativen in Dülmen am Wochenende gemacht haben.

Wir möchten, dass wir von der Regierung vor solchen Gesetzesnovellen, bevor wilde Behauptungen aufgestellt werden, 80 bis 90 % der Leitungen seien undicht und es bestehe eine Gefahr, dass stattdessen eine evidenz- und faktenbasierte Politik gemacht werde, wirklich wissenschaftliche Nachweise bekommen, dass von undichten Leitungen eine Gefährdung ausgeht. Wir wollen keinen Generalverdacht. Wir sind als Piraten ständig in Generalver

dacht, der auch in anderen Bereichen immer wieder vorgebracht wird, um Gesetzesverschärfungen durchzuführen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wie beim Schorn- stein!)

Wir wollen lieber, dass dort, wo wirklich ein konkreter Verdachtsmoment besteht, gezielte Kernbohrungen durchgeführt und Bodenproben genommen und analysiert werden. Die Netzbetreiber kennen die entsprechenden Stellen im Netz, wo man solche Probebohrungen und Probeentnahmen durchführen könnte, um zu schauen: Was passiert dort, wo es undichte Stellen gibt, wie viel Abwasser geht dort wirklich raus, und welche Folgen hat das? Man muss bedenken, dass Boden auch Leben ist, dass dort ständig organisches Material von den Oberflächen eingebracht wird und nicht jede Einbringung von organischen Materialien für die Abwässer unbedingt eine Gefährdung darstellt.

Auch die Koalitionsfraktionen haben offensichtlich erkannt, dass es bei diesem Thema noch Handlungsbedarf gibt. Das zeigt, dass das Thema im Koalitionsvertrag angeschnitten wird, wenn auch leider wenig konkret. Es ist dort eher eine Sonntagsredenprosa festzustellen. Aber immerhin ist das besser als gar nichts.

Wir empfehlen jetzt, dass dieser Gesetzentwurf von CDU und FDP zunächst einmal aus der ersten Lesung heraus in die Ausschüsse gegeben und dort weiter diskutiert wird, Anregungen und Verbesserungsvorschläge vonseiten der Bürgerinitiativen aufgenommen und eingepflegt werden können. Dann haben auch die Regierungsfraktionen die Gelegenheit, vom Allgemeinen zum Konkreten zu kommen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

Herr Rohwedder, herzlichen Glückwunsch zur ersten Rede und vielen Dank. – Um auf das Ganze zu reagieren, steht am Pult schon der heute frisch vereidigte Minister Herr Remmel bereit. Bitte schön, Herr Remmel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch von meiner Seite, Herr Rohwedder, Herr Höne, herzlichen Glückwunsch zu Ihren Jungfernreden, wobei ich eine Äußerung von Ihnen, Herr Höne, gern zurückweisen möchte: den Vorwurf an die Regierungsfraktionen, von den Auswirkungen der Funktionsprüfung keine Ahnung zu haben.

Für mich selbst kann ich sagen, dass ich bei meinem Haus eine solche Prüfung durchgeführt habe.

Insofern weiß ich, wovon ich spreche. Ich bin auch froh, dass ich es gemacht habe, weil damit Schäden für die Zukunft vermieden wurden. Ich glaube, es hat in der letzten Legislaturperiode kein Thema gegeben, das so intensiv bis hin zur DIN-Norm, zu technischen Anleitungen und zu Prüfungsarten diskutiert worden ist wie das Thema „Dichtheitsprüfung“. Insofern können Sie diesem Haus durchaus einen gewissen Sachverstand unterstellen, gerade was dieses Thema angeht, welches in der letzten Legislaturperiode nicht nur einmal diskutiert worden ist.

Ich würde sogar so weit gehen – insofern ereilt uns auch wieder das eine oder andere Argument –, dass es sich bei dem Thema „Funktionsprüfung“ um eine Art Erbsünde handelt, wobei diejenigen, die sündig geworden sind, an verschiedenen Stellen sündig geworden sind, also zum einen eine Verankerung im Baurecht schon in den 90er-Jahren, zum anderen eine Novellierung durch die schwarz-gelbe Landesregierung in der Zeit von 2005 bis 2010 sowie eine Verankerung im Bundesrecht. Auch da gibt es eine Ableitung.

Deshalb ist es nicht ganz einfach, in einer Neugestaltung die bereits stattgefundene Rechtsgeschichte, aber auch die Wirkungsgeschichte – es ist nicht so, dass Rechtsetzungen der Vergangenheit nicht auch zu Wirkungen bei Kommunen, bei Bürgerinnen und Bürgern geführt haben – jetzt zu einem anderen Ende zu bringen.

Das alles muss bei einer Novellierung bedacht werden. Da machen Sie es sich zu einfach, allein sozusagen rechts umzukehren und auf Verdacht zu begründen.

Die Argumente sind in der Tat ausgetauscht, aber sie müssen beantwortet werden. Wir haben gut 70.000 km öffentliche Kanäle mit einem Anspruch – ich finde zu Recht –, dass diese Kanäle dicht und funktionssicher sein müssen. Wir haben

200.000 km Kanäle, die in privater Hand sind. Die Frage zum Beispiel ist von Ihnen nicht beantwortet worden: Wie ist das Verhältnis von öffentlicher Pflicht, die Kanäle funktionsfähig und dicht zu halten, und der dann daraus folgenden privaten Pflicht? Diese Frage muss beantwortet werden. Das muss genauso beantwortet werden, wie der Vorsorgegrundsatz im Wasserrecht rechtlich umgesetzt wird, den Sie auch hochgehalten haben.

Im Übrigen – darauf habe ich schon verwiesen – ist die Funktionsprüfung eigentlich dem Baurecht entwachsen, sodass mit der Funktionsprüfung auch verbunden ist, die Frage der Standfestigkeit sowohl von Leitungen als auch von Gebäuden entsprechend zu überprüfen.

Herr Kollege Schmeltzer hat schon darauf hingewiesen, dass es hier eine Analogie zu anderen Prüfungen gibt, die das Recht vorsieht, um in Abständen bestimmte Funktionen von technischen Anla

gen zu überprüfen. Das ist der Grundsatz, der an der Stelle im Wasserhaushaltsgesetz des Bundes verankert ist.

All das muss bei einer Novellierung bedacht werden. Deshalb ist der Ansatz der Koalitionsfraktionen und auch des Koalitionsvertrags richtig, dies unter diesen Vorzeichen in eine Novellierung und Veränderung einzubringen. Die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen haben ein Recht darauf, dass es eine verlässliche Grundlage durch politische Rahmensetzungen gibt und dass diese auch über Legislaturperioden hinaus schon begangene Rechtshandlungen unterstützt und zukünftige absichert.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

In diesem Zusammenhang ist auf ein Gutachten verwiesen worden, das der parlamentarische Gutachterdienst des Landtages in der letzten Legislaturperiode vorgelegt hatte. Ich hatte seinerzeit im Ausschuss angekündigt, dass es dazu auch eine rechtliche gutachterliche Stellungnahme seitens der Landesregierung geben wird. Diese gutachterliche Stellungnahme ist fremd vergeben worden und wird in Kürze dem Landtag zugestellt.

Darüber hinaus ist zu Recht darauf zu verweisen, dass wir möglichst bundeseinheitliche Regelungen bekommen. Die Landesregierung wird hierzu zukünftig den Weg über die entsprechenden Gremien wie die Umweltministerkonferenz oder über entsprechende Anträge im Bundesrat suchen.

Eines sage ich aber an dieser Stelle auch ganz klar: Ich finde es schon etwas schizophren, wenn der Spitzenkandidat der CDU im Wahlkampf auftritt und sich gegen die Funktionsprüfung ausspricht. Er hätte längst die Möglichkeit gehabt, durch eine Rechtsverordnung auf Bundesebene – so sieht es jedenfalls das Wasser0haushaltsgesetz vor – diese Frage einheitlich zu klären. Es ist schon etwas komisch, sich im Wahlkampf hinzustellen und zu sagen, ich bin dagegen, aber die Regelungen auf Bundesebene nicht zu treffen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb steht hier auch die Bundesregierung in der Verantwortung, für Klarheit in der Bundesrepublik zu sorgen und damit auch für uns eine rechtssichere Verhandlungsgrundlage zu schaffen.

In diesem Sinne wird sich die Landesregierung unterstützend an dem weiteren Diskussionsprozess beteiligen. – Ich bedanke mich für die Debatte.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Remmel. – Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort dem Kollegen Biesenbach. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin enttäuscht.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Ja, das lässt sich gar nicht vermeiden. Ich bin enttäuscht darüber, dass die Koalitionsfraktionen heute eigentlich nichts anderes getan haben, als zu wiederholen, was wir von ihnen kennen.

Das Buch, lieber Herr Schmeltzer, ist schön und angenehm. Aber es beantwortet leider nicht die Fragen, die wir seinerzeit gestellt haben. Es ist gerade nicht Ihr Gegenbeweis zu unserer bisherigen These. Es mag ja toll sein, wenn ich demnächst weiß, warum die Gletscher schmelzen. Es mag auch toll sein, wenn ich demnächst weiß, warum Schmelzwasser lebensnotwendig ist, und wenn ich einen Weg durch die Kläranlagen nachlesen kann.

(Heiterkeit)

Aber leider finde ich nicht die Antwort auf die Frage, die wir eben gestellt haben und die Herr Kollege Markert eben mit seinem Vorsorgegrundsatz noch einmal plakativ in den Raum stellte. Auch wenn Minister Remmel den Vorsorgegrundsatz ebenfalls noch einmal anspricht und auf andere Analogien zu Prüfungen verweist – nein, Sie haben den Beweis nicht antreten können, dass die Analogie möglich ist.

Nehmen wir den TÜV: Wir kennen die Allgemeingefahr eines PKWs, eines Busses oder eines Motorrades. Das erleben wir leider fast jeden Tag. Darum muss der PKW und muss das Motorrad zum TÜV. Wir haben aber nicht die Analogie und wir haben keinen Beweis, dass die privaten Hausanschlüsse, selbst wenn sie undicht sind, das Grundwasser verunreinigen oder gefährden. Diesen Beweis sind Sie doch bis heute schuldig geblieben. Das ist aber nicht einmal vorwerfbar, denn Sie können den Beweis gar nicht antreten. Solange Sie den Beweis nicht antreten können, hilft es auch nicht, dass Sie hier markig auftreten und versuchen, das rhetorisch ganz toll darzustellen: Umweltschutz hat Vorrang. Wir wollen keine Gefährdung.

Ja, wir auch nicht. Der Kollege Hovenjürgen und ich haben nach dem Januar von vielen Unternehmern Besuche bekommen, von Verbandsvertretern, die Unternehmer vertreten. Die waren nach einem halbstündigen Gespräch so frei zu sagen: Eigentlich sei ihr Interesse kein Interesse des Umweltschutzes; sie wollten doch nur den Hauseigentümern helfen, den Wert zu erhalten. – Für die sind dichte und geschlossene Haushaltsanschlüsse werterhaltender als möglicherweise nicht funktionierende.

Das ist aber – Entschuldigung – nicht unsere Aufgabe. Wir haben keine öffentliche Gefahrenabwehr im Sinne von Werterhalt. Das ist private Angelegenheit, das gehört zu den ureigensten Rechten der Hauseigentümer. Das ist aber kein Recht, mit dem

wir ihn beglücken können, weil es die Gefahr, die Sie voraussetzen, nicht gibt.

Ich bedanke mich ausdrücklich bei dem Kollegen Rohwedder, der das ja auch sehr deutlich gesagt hat.

(Beifall von der CDU)

Ich hätte mir gewünscht, Herr Kollege Schmeltzer, dass Sie etwas zu dem Thema „gewässerschützende Regelungen“ gesagt hätten. Kollege Hovenjürgen hat nicht umsonst gerufen: „Kennen Sie die Haltung der Bielefelder SPD?“ Wahrscheinlich kennen Sie die. Darauf sind Sie aber nicht eingegangen. Sie sind auf die beiden vorhandenen Gutachten, die rechtliche Bedenken äußern, auch nicht eingegangen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Haben Sie Herrn Remmel nicht zugehört?)