Protokoll der Sitzung vom 21.06.2012

Ich freue mich, dass der Kollege Biesenbach jetzt im Saal ist – er wird auch gleich das Wort ergreifen –; denn nach der nochmaligen Lektüre der Plenardebatte vom 26. Januar dieses Jahres ist es mir ein besonderes Bedürfnis, Herr Biesenbach, Sie noch einmal anzusprechen. Bei vielen haben Sie damals den Eindruck erweckt, von unseren Abwasserkanälen gehe keine Gefahr aus. Ich bin mir sehr sicher, dass das bei der anstehenden Sachverständigenanhörung widerlegt werden wird. Herr Sagel hat Sie damals wie folgt interpretiert: Sie wollten zurück ins Mittelalter; wir bräuchten überhaupt keine Abwasserkanäle mehr.

Herr Kollege Biesenbach, manchmal ist es ratsam, sich in der Kinderwelt umzuschauen. Kennen Sie Fenja Firn? Fenja Firn ist ein Wassertropfen, der in einem wunderschönen Kinderbuch seinen Weg vom Gletscher bis in die Erde unter unseren Städten – durch die Abwasserkanäle und das Klärwerk, das Sie im Januar mehrfach zitiert haben – und wieder sauber in einen Fluss findet. Auf seinem Weg wird Fenja Firn, der Wassertropfen – das ist alles hier nachzulesen; ich schenke Ihnen dieses Buch gerne –, mit all dem, was Sie in Zweifel stellen, konfrontiert: mit Verschmutzungen jeglicher Art, mit der Sinnhaftigkeit dichter Abwasserkanäle und auch mit deren Überprüfung. Die Kinder lernen in diesem Buch sehr gut

den Umgang sowohl mit Frischwasser als auch mit Abwasser.

Ich werde Ihnen dieses Buch gleich schenken – nach der Debatte; ich mache hier nicht so ein Szenario, wie andere das mit Rotwein früher gemacht haben – und hoffe, dass Sie aufgrund dieser Anschaulichkeit in dem Kinderbuch die Sache wirklich einmal mit Kinderaugen betrachten und dann auch die Sachlichkeit darin erkennen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Schicken Sie es auch nach Bielefeld zu Ihren Parteifreunden!)

Herr Hovenjürgen, das sagt der Richtige.

Wir werden sachlich-fachlich mit den Betroffenen eine dem Koalitionsvertrag entsprechende Regelung erarbeiten. Ich bin mir relativ sicher, dass Ihr populistischer Entwurf auf der Basis von Kanal-Kai mit all seinen Rechtsunsicherheiten dabei keine Rolle spielen wird.

Herr Hovenjürgen, Herr Biesenbach, wir waren im Sommer 2010 schon mit Ihnen von der CDU auf einem guten Weg. Nehmen Sie das von Ministerpräsidentin Kraft erst gestern wiederholte Angebot an, und lassen Sie uns gemeinsam zum Wohle der Menschen in unserem Land das Thema sach- und fachgerecht in einem offenen Dialog diskutieren.

Ich freue mich nicht nur auf die Beratungen im Ausschuss, sondern insbesondere auch auf die Sachverständigenanhörung, die hoffentlich die Klarheit erbringen wird, die der Sache angemessen ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Schmeltzer.

(Rainer Schmeltzer [SPD] überreicht Peter Biesenbach [CDU] ein Buch. – Zuruf von der SPD: Aber auch lesen! – Gegenruf von Rei- ner Priggen [GRÜNE]: Das sind Comiczeich- nungen! – Gegenruf von Rainer Schmeltzer [SPD]: Nein, das wäre zu schwer!)

Nun spricht für die grüne Fraktion Herr Markert.

Herr Präsident! Liebe anwesenden Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In den letzten Wochen im Wahlkampf und in den Wochen danach war viel von der personellen und inhaltlichen Erneuerung von CDU und FDP die Rede.

Personell – wir haben es eben gehört; Glückwunsch zu Ihrer Jungfernrede, Herr Höne – ist auch einiges passiert. Der bisherige Bundesumweltminister, der auch bei diesem Thema eine andere Meinung als die CDU-Landtagsfraktion hatte, ist gar nicht mehr im Amt.

Nun waren wir heute sehr gespannt, in der quasi ersten regulären Sitzung zu hören, wie die inhaltliche Erneuerung von CDU und FDP aussieht. Da kommen Sie auch mit einem wahrhaft neuen Thema an. Das ist ganz spannend. Gefühlt haben wir in den letzten 20 Monaten auch nur ungefähr 20 Mal über dieses Thema die Meinungen ausgetauscht. Die Standpunkte sind im Grunde genommen klar. Sie sind sogar sonnenklar. Die Standpunkte der Koalitionsfraktionen auch zu diesem Thema kann man im Koalitionsvertrag nachlesen.

(Friedhelm Ortgies [CDU]: Eben nicht! Das ist es ja!)

Wir bekennen uns aus wasserrechtlichen, baulichen und ökologischen Gründen ausdrücklich zur Notwendigkeit einer Kanalfunktionsprüfung. Aus wasserrechtlichen Gründen stehen wir wie bisher voll und ganz hinter dem Besorgnisgrundsatz, also dem Vorsorgegedanken in unserem Wasserrecht.

Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, wollen uns jetzt zum x-ten Mal eine Beweislastumkehr nahebringen. Was, bitte schön, heißt das denn? Warten wir bei diesem Thema tatsächlich in Zukunft immer ab, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist? Dann dürfte es im Einzelfall, wenn der Kanal einstürzt oder wenn das Grundwasser verunreinigt ist, in der Tat zu spät sein.

Derzeit findet ja die Konferenz Rio+20 statt. Viele Staaten auf dieser Erde schauen fast neidvoll auf unseren guten Wasserzustand und auf unsere guten wasserrechtlichen Vorgaben. Und Sie wollen daran jetzt sägen, während andere das zum Vorbild nehmen wollen?

Herr Höne, Ihre Partei hat sich mal ganz anders mit Umweltschutz auseinandergesetzt. Da waren Sie noch nicht geboren. Ich zitiere:

„Umweltschutz hat Vorrang vor Gewinnstreben und persönlichem Nutzen.“

Das kennen Sie vielleicht nicht mehr. Das sind die Freiburger Thesen. Herr Lindner ist jetzt nicht da. Der war damals, glaube ich, gerade noch nicht geboren, als das beschlossen wurde. Für die neuen Kollegen in der FDP wiederhole ich mich gerne: Gerade beim Thema „Umweltschutz“ zeigt sich: früher Karl-Hermann Flach, heute nur noch flach – das ist die FDP.

(Beifall von den GRÜNEN – Christof Rasche [FDP]: „Hohes“ Niveau – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Regen Sie sich doch nicht so auf! Bleiben Sie auf dem Teppich, meine Damen und Herren von der FDP!

In unserem Grundgesetz – die früheren Bürgerrechtsliberalen haben sich ja auch am Grundgesetz orientiert – findet sich übrigens in Artikel 14 – das

zur Erinnerung – der Hinweis, dass Eigentum verpflichtet.

Wir sind aber auch für eine flächendeckende Funktionsprüfung aus baulichen Gründen, aus Gründen der Standsicherheit. Kollege Schmeltzer hat ja vorhin andere Beispiele, wo es regelmäßige Untersuchungen gibt, erwähnt. Wenn der Schornsteinfeger kommt, dann geht es ja auch darum, ob der Schornstein, der Kamin standsicher ist. Genau um diese Angelegenheiten kümmern wir uns bei der Funktionsprüfung auch. 80 % der Abwasserkanäle sind in einem sanierungsbedürftigen Zustand.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Woher wissen Sie das? Unglaublich!)

Fragen Sie gerne nach, Josef Hovenjürgen. Ich mache das wie am 26. Januar, als wir hier auch schon einmal zusammengestanden haben. Ich zitiere gerade für den jungen Kollegen, der seine Jungfernrede gehalten hat, einen FDP-Unternehmer.

(Rainer Schmeltzer [SPD] und Josef Hoven- jürgen [CDU] führen ein Zwiegespräch.)

Das wird mir jetzt aber nicht auf die Redezeit angerechnet, wenn sich die Herren jetzt duellieren, oder?

Auf keinen Fall.

Gut. – Weil Sie das in Zweifel ziehen, zitiere ich gerne noch einmal – das habe ich bereits am 26. Januar getan – einen FDP-Unternehmer aus Hennef. Der betreibt dort die Firma Abwasser-Service Volkner GmbH. Er hatte damals – Herr Papke erinnert sich – eine E-Mail, die offensichtlich an viele gegangen ist, an Herrn Papke geschrieben. Er schrieb damals, weil er die ganzen Pirouetten der FDP nicht mehr nachvollziehen konnte:

Aus der Erfahrung der letzten fünf Jahre können wir Ihnen versichern, dass mindestens 85 % der untersuchten Grundleitungen, die vor 1970 erstellt wurden, undicht sind.

Zitat Ende. – 85 %! Das schreibt ein FDPHandwerker.

Weil uns gleich Herr Biesenbach auch noch die Ehre geben wird – wir freuen uns schon alle darauf –, will ich auch den dritten Punkt, warum wir uns ausdrücklich zur flächendeckenden Funktionsprüfung bekennen, nennen: die ökologische Notwendigkeit.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Neue Datenauswertungen des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz stützen ausdrücklich die Aussage des zuständigen Abteilungsleiters des CDU-geführten Bundesumweltministeriums Helge Wendenburg, hier vorgetragen in einer Anhörung des Landtags. Sie gehen nämlich davon

aus, dass durch die umfangreiche Wasserverunreinigung, die in unseren Haushalten stattfindet, und die marode Situation der Kanäle sehr wohl eine Gefahr für das Grundwasser und das Rohwasser besteht. Lesen Sie es nach, das ist hoch interessant.

Deswegen, meine Damen und Herren: Rasches Handeln ist geboten. Wir streben eine ausgleichende, faire und auf Dauer angelegte Lösung an. Dabei geht es um die Angleichung der privaten und öffentlichen Kanaluntersuchungen. Es geht um verträgliche Fristen, wobei wir sagen: In Wasserschutzgebieten, gerade bei älteren Häusern ist besondere Sorgfalt anzulegen.

Wir bekennen uns im Koalitionsvertrag ausdrücklich zur Vermeidung sozialer Härten, weil uns auch „Oma und Opa ihr klein Häuschen“ am Herzen liegt.

Wir wollen einen fairen Interessenausgleich, Verlässlichkeit und Rechtssicherheit für Kommunen, Umwelt, Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer und natürlich Handwerkerinnen und Handwerker.

Abschließend noch einmal: Es waren Ihre Pirouetten von CDU und FDP, die zur Verunsicherung im Land geführt haben. Das wollen und werden wir zeitnah beenden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Markert. – Das ist das besondere Vergnügen am Beginn einer Legislaturperiode: Wir haben eine weitere Jungfernrede zu erwarten, diesmal von Herrn Kollegen Rohwedder von der Piratenfraktion. Herzlich willkommen am Pult, Herr Rohwedder. Auch Ihnen viel Glück für die erste Rede.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich mache es heute ganz kurz, auch wenn es eine Jungfernrede ist.

Zum Schutz von Böden, Wasser und Oberfläche muss gewährleistet sein, dass Abwässer ordentlich entsorgt werden, nicht nur Abwässer, aber eben auch Abwässer. Die Dichtheitsprüfung, wie sie gemäß § 61a im Landeswassergesetz NordrheinWestfalen vorgesehen und im Land durchgeführt werden soll, ist jedoch abwassertechnisch und ökologisch verkehrt bewertet. Das sagen unabhängige Gutachten. Sie ist volkswirtschaftlich untragbar, sie ist in manchen Fällen existenzgefährdend für die Hausbesitzer, für die Bürger, und sie ist rechtlich bedenklich, möglicherweise verfassungswidrig. Diese Gutachten haben ergeben, dass die unterstellten Gefahren für unser Trinkwasser, für das Grundwasser und die Oberflächen aus den defekten privaten Abwasserleitungen vergleichbar gering sind

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

und dass die zu erwartenden enormen Kosten für die Bürger dazu in keinem vernünftigen Verhältnis stehen.