Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den Ausführungen von Herrn Kollegen Eiskirch ist mir ein Satz von Jean Paul Getty eingefallen. Bei ihm heißt es, wenn ich mich recht erinnere, ungefähr: Wenn man einem Menschen trauen kann, erübrigt sich ein Vertrag. Wenn man ihm aber nicht trauen kann, ist ein Vertrag nutzlos.
Vertrauen ist gerade für die Tarifpartnerschaft in unserem Land wichtig. Gerade auch in Krisenzeiten gelingt es oftmals, zwischen Unternehmen und Belegschaften Regelungen zu vereinbaren, die einerseits der Unternehmensseite die Möglichkeit geben, flexibel auf wirtschaftliche Probleme zu reagieren, bei denen aber andererseits auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie ihre Familien nicht aus den Augen verloren werden.
„Pacta sunt servanda“ ist ein altes Prinzip der Vertragstreue. Doch das scheint – so ist es auch den Ausführungen von Herrn Eiskirch zu entnehmen gewesen – in diesen Tagen immer öfter nicht mehr zu gelten. Aktuell gibt es zwei Fälle dazu. Wir sprechen jetzt über Outokumpu. Ich möchte aber daran erinnern, dass wir das Gleiche schon einmal im April dieses Jahres bei der FAG Schaeffler mit Standort in Wuppertal erlebt haben.
Im Falle Schaeffler wurde im April dieses Jahres bekanntgeben, dass von insgesamt 1.500 Arbeitsplätzen die Hälfte dort vor dem Aus stünden. Das war umso unverständlicher, wenn man berücksichtigt, dass die Belegschaft bereits seit 2008 massiv
So arbeiten die Beschäftigten in Wuppertal unter anderem unentgeltlich fünf Stunden pro Woche mehr, als ursprünglich vereinbart war. Es ist schlicht enttäuschend, wenn auf Unternehmensseite das Engagement der Belegschaft nicht honoriert wird. Anstatt die Bemühungen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu honorieren, werden die Belegschaft und ihre Familien verunsichert, die noch vor kurzem eindrucksvoll ihre Verbundenheit unter Beweis gestellt haben.
Was helfen Regelungen, was nützen noch Gespräche, wenn sich eine von zwei Vertragsseiten nicht an geltende Vereinbarungen hält? Was nützen Ankündigungen, man wolle mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen offen und konstruktiv diskutieren, wenn zuvor Vertrauen so massiv beschädigt wurde? Offene und konstruktive Gespräche sind vor diesen Hintergründen wirklich schwer vorstellbar, meine Damen und Herren.
Schaut man auf die Homepage von Outokumpu, findet man dort – mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, möchte ich gerne zitieren – folgendes Statement:
Ich empfehle daher der Unternehmensleitung, noch einmal auf ihre eigene Homepage zu schauen. Vielleicht bekommt man dann einen anderen Blick.
Mit dem vorliegenden Antrag soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die rot-grüne Regierungskoalition die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen im Blick hat. Dazu gehört selbstverständlich auch die Einhaltung von Tarifverträgen. Ich kann mich nur Herrn Kollegen Eiskirch anschließen. Auch ich hätte mich gefreut, wenn sich auch in diesem Fall – wie schon einmal geschehen – eine breitere Mehrheit in diesem Hohen Hause dazu gefunden hätte. Wir werden alle bestehenden Mittel nutzen, um zum einen den Unternehmen diese Verantwortung bewusst zu machen und zum anderen die generellen Möglichkeiten zum Bruch von Tarifvereinbarungen zu begrenzen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die angekündigte Schließung des Outokumpu-Werkes in Bochum ist ein herber Schlag in das Gesicht der Mitarbeiter.
450 Beschäftigte würden ihren Arbeitsplatz verlieren. Es gilt aber das Thema der heutigen Debatte: Pacta sunt servanda. Das heißt, Verträge sind einzuhalten.
Ein Verstoß gegen den Tarifvertrag wäre nicht hinzunehmen; denn ein Vertrag ist die Grundlage für ein vertrauensvolles und verlässliches Miteinander. Wer sich nicht an den Tarifvertrag hält, rüttelt an den Grundfesten des Miteinanders und unserer sozialen Marktwirtschaft.
Nun mag es wirtschaftliche Gründe geben, die dazu führen, dass man sich nicht an eine einmal gemachte Zusage halten kann. Diese Gründe wären aber – wie von der IG Metall in diesem Fall gefordert – auch darzulegen und zunächst einmal mit dem Vertragspartner zu besprechen.
Man kann aber nicht – wie am 1. Oktober geschehen – um 10 Uhr eine Pressemitteilung herausgeben und um 11 Uhr eine Medientelekonferenz durchführen, bevor man mit dem Betriebsrat darüber spricht. Aber auch dann gebietet es der Geist der Vereinbarung, dass man alles unternimmt, um den Vertrag dennoch zu erfüllen. Das heißt in diesem Fall: Standorte und Arbeitsplätze erhalten.
Die bestehende Gesetzeslage ist eindeutig. An dieser Stelle unterscheiden wir uns von der Position des Eilantrags. Tarifverträge haben unmittelbare schuldrechtliche und normative Wirkung. Das heißt: Sie sind Gesetz! Tarifvereinbarungen geben den Beteiligten die notwendigen Handlungsspielräume. Sie geben auch die Möglichkeit, bestehende Rechte und Vereinbarungen durchzusetzen.
In dieses von der Verfassung geschützte und funktionierende System wollen wir und sollten wir nicht eingreifen. Es gibt auch keinen Grund, den aktuellen Fall zum Anlass zu nehmen, neue gesetzliche Regelungen im Tarifrecht oder Sanktionen zu fordern.
Es wird ein Gesetz gefordert, das darüber wacht, dass Gesetze eingehalten werden. Das ist vollkommen unnütz. Die Solidarität mit den Betroffenen ist das eine.
Nein, im Augenblick nicht. – Man darf den Betroffenen aber nicht vorgaukeln, Politik könne in einer bestehenden wirtschaftlichen Situation durch den Ruf nach neuen Gesetzen etwas bewirken. Man muss die bestehenden Gesetze, zu denen auch Tarifvereinbarungen zählen, anwenden.
Indem SPD und Grüne jetzt den Eindruck erwecken, dass neue Gesetze erforderlich sind, um bestehende Gesetze zu verwirklichen, schwächt man in Wirklichkeit die Position von Betriebsräten und Gewerkschaften und beschränkt letztlich die Tarifautonomie.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDULandtagsfraktion bekennt sich klar zur Tarifautonomie mit all ihren Gestaltungsmöglichkeiten. Wir haben volles Vertrauen in die Betriebsräte und Gewerkschaften, die Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen notfalls auch mithilfe der Gerichte zu vertreten und durchzusetzen.
Meine Damen und Herren von SPD und Grünen, in Ihrem Entschließungsantrag weichen Sie wieder einmal aus und schieben die Verantwortung von sich. Bekennen Sie sich doch einmal klar zu den Möglichkeiten, die jetzt schon bestehen! Stärken Sie so den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Rücken, statt so zu tun, als gebe es Lücken im System, für die nicht Sie, sondern andere verantwortlich seien! Tun Sie das, was in Ihrer Verantwortung liegt: Machen Sie eine Industriepolitik mit Rahmenbedingungen, die es attraktiv machen, in NRW zu investieren, und gar nicht erst den Gedanken aufkommen lassen, wertvolle Standorte aufzugeben!
Geben Sie der Industrie eine Zukunft und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine verlässliche Perspektive! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Kollege. Bleiben Sie bitte einen Moment am Rednerpult. Es liegt der Antrag auf eine Kurzintervention des Kollegen Eiskirch vor. – Herr Kollege Eiskirch, ich erteile Ihnen hiermit das Wort.
Auf Ihre politische Trittbrettfahrerei möchte ich ungerne eingehen. Ich möchte vielmehr festhalten, ob ich die CDU richtig verstanden habe: Wenn ein Vertragspartner einen zwischen zwei Vertragspartnern unter der Tarifautonomie ausgehandelten Vertrag schlicht und ergreifend bricht,
halten Sie es für einen Eingriff in die Tarifautonomie, wenn ein solcher Bruch sanktionierbar ist! – Ehrlich gesagt bin ich fassungslos.
Nein. Diese Interpretation ist falsch. Ich habe ja eben ausgeführt, dass es sich dabei um einen Vertragsbruch handelt. Aber das bedeutet doch nicht, dass die Rechte, die einmal
durch eine vertragliche Vereinbarung begründet worden sind, damit außer Kraft gesetzt werden. Die Rechte, die begründet worden sind, bestehen natürlich weiterhin. Und das wissen Sie auch.
Wenn in einem Tarifvertrag betriebsbedingte Kündigungen für eine bestimmte Zeit ausgeschlossen sind, sind sie auch dann ausgeschlossen, wenn es zu einem Tarifbruch kommt. Selbstverständlich wird sich jeder einzelne Arbeitnehmer und jede einzelne Arbeitnehmerin auf diese vertragliche Vereinbarung berufen können.
(Vereinzelt Beifall von der CDU – Dietmar Bell [SPD]: Tosender Beifall der CDU- Fraktion! Mein Gott, schämen Sie sich! – Marc Herter [SPD]: Steine statt Brot!)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Vorweg: Wir beobachten vonseiten der FDP die Vorgänge in Bochum sehr genau: siehe Nokia, siehe Opel. Wir sind jederzeit zu Gesprächen mit Betriebsräten und Geschäftsführung bereit, da auch wir uns uneingeschränkt zur Tarifautonomie bekennen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, wie Sie es in Ihrem Antrag richtig beschrieben haben, übernahm der finnische Konzern Outokumpu die Nirosta-Sparte – Entschuldigung, aber ich kenne das seit Kindestagen unter der Bezeichnung – der ThyssenKrupp AG. Wie Sie ebenfalls richtig berichten, ist ein Tarifvertrag mit der IG Metall geschlossen worden, der unter anderem beinhaltet, dass der Standort Bochum bis mindestens Ende 2016 erhalten bleibt und eine Wirtschaftlichkeitsprüfung bis Ende 2015 abgeschlossen sein soll.
Nun hat nach Ihrer Darstellung Outokumpu bekanntgegeben, Bochum vorzeitig schließen zu wollen, zugesagte Investitionen nicht durchzuführen sowie den Kündigungsschutz vorzeitig aufzuheben. Dies schildern Sie unseres Erachtens recht einseitig.
Nach unseren Informationen liegt der IG Metall ein Schreiben vom 9. Oktober vor. Noch heute Morgen – Sie haben es erwähnt, Herr Eiskirch – ist eine neue Absichtserklärung eingegangen. Aus beiden Schreiben geht hervor, dass sich Outokumpu an die Tarifverträge halten will.