Protokoll der Sitzung vom 28.11.2013

Dann kümmern Sie sich um so Themen wie die Abfallwirtschaft. Herr Meesters, Sie haben das gerade angesprochen, darum will ich gerne darauf eingehen. Es ist uns doch allen klar, dass wir in diesem Bereich Überkapazitäten haben. Durch Ihre Planwirtschaft in diesem Bereich dämmen Sie doch nicht den Mülltourismus ein, sondern Sie verlängern eigentlich nur die Existenz von Überkapazitäten, halten diese künstlich am Leben.

Das wird dazu führen, dass durch Ihre Regierungspolitik im Portemonnaie der Menschen vor Ort mal wieder Geld fehlt, weil weniger Wettbewerb natürlich zu höheren Müllgebühren führen wird. Kümmern Sie sich doch bitte um die wichtigen Dinge! Lassen Sie das Geld der Bürger doch da, wo es ist.

(Beifall von der FDP)

Ihr Handeln hat mit einer nachhaltigen und durchdachten Umweltpolitik leider wenig zu tun. Wir meinen, an zu vielen Stellen verzetteln Sie sich. Sie machen die Kür vor der Pflicht, und darunter leiden die Pflichtfachbereiche, bei denen es eigentlich genug zu tun gäbe.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Markert.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Deppe, das war ein bemerkenswerter Einstieg in die Nachhaltigkeitspolitik, vor allen Dingen eine sehr begrenzte und verengte Definition des Nachhaltigkeitsbegriffs. Denn wenn Sie sich schon auf die Brundtland-Kommission beziehen, dann ist es zumindest in meiner Wahrnehmung und nach meiner Kenntnis der Definition so, dass sich die BrundtlandKommission zum Ziel gesetzt hatte, unser heutiges Handeln so auszurichten, dass die Chancen der nachfolgenden Generationen nicht infrage gestellt werden. Das, was Sie hier dargeboten haben, stellt

an vielen Stellen die Chancen der nachfolgenden Generationen massiv infrage.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Werter Herr Kollege Höne, ich komme ja noch zu Ihnen, keine Panik. Ich finde, vieles von Ihrer Kritik – Kritik in der Haushaltsdebatte zu üben gehört natürlich zu Ihrer Rolle als Opposition – wäre glaubwürdiger, wenn Sie es fertiggebracht hätten, auch nur einen einzigen Antrag im Haushaltsausschuss zu stellen oder hier zu präsentieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Seit ich Mitglied dieses Landtags bin, seit 2010, werden Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, nicht müde, deutlichere Einsparbemühungen von der Landesregierung zu fordern, und zwar nicht zuletzt im Umweltetat und dort ohne inhaltlich erkennbare strategische Zielrichtungen.

Nachdem Umweltminister Johannes Remmel im Umweltausschuss detailliert die strategische Zielrichtung unseres Einzelplans dargelegt hat, erlauben Sie mir einige grundlegende Bemerkungen zur Finanzierung der Umweltpolitik:

Die CDU hat in Ihrem aktuellen sogenannten Sanierungskonzept globale Kürzungen im Umweltressort von 51,5 Millionen € in 2014 vorgeschlagen. Wir reden bei diesem Etat übrigens von lediglich 1,5 % des Gesamthaushalts, und die CDU von 51,5 Millionen € Pauschalkürzungen.

Der vielleicht bedeutendste deutsche Ökonom des 20. Jahrhunderts und einer der Väter unserer sozialen Marktwirtschaft, Walter Eucken, hat sehr früh und sehr klar die ordnungspolitischen Aufgaben benannt, die der Staat in seiner Rahmensetzung für eine Wettbewerbsordnung zu erfüllen hat.

Eucken beklagt, die einzelnen Wirtschaftsakteure kalkulierten in ihren individuellen Kostenrechnungen nicht die gesamtwirtschaftlichen Kosten von durch sie verursachten Umweltschäden mit ein.

Besser also, als eingetretene Kosten der Umweltzerstörung nachträglich zu internalisieren, ist es, einen klaren Ordnungsrahmen zu setzen, der Umweltschäden vermeidet und der für alle Akteure gleichermaßen gilt. Das ist ein Prinzip, das ich gerne nachhaltige Ordnungspolitik nennen möchte. Sie verlangt, werter Herr Kollege Deppe, keinen haushalterisch zurechtgekürzten Nachtwächterstaat, der sich mit unverbindlichen Absichtserklärungen und Symbolpolitik zufriedengibt, sondern einen starken Staat, der auch in der Umweltpolitik Regeln definiert, durchsetzt und auch zu kontrollieren im Stande ist.

Sie haben hier Wesseling zum zweiten, dritten oder vierten Male zu Recht angesprochen. Ja, genau da muss der Staat in der Lage sein, zu reagieren. Wenn Sie den Etat vorher zusammengestrichen

und zusammengekürzt haben, ist das ein handlungsunfähiger Nachtwächterstaat.

Solch einen Staat, wie ich ihn eben beschrieben habe, schreibt übrigens nicht die Wirtschaftsordnung vor, sondern er schreibt die Ordnung in der Wirtschaft vor.

Daher werden wir im Jahr 2014 beispielsweise bei der Abfallwirtschaftsplanung, die der Kollege Meesters hier richtigerweise angesprochen hat, mit unserem Ziel der Kreislaufwirtschaft die regionale Entsorgungsautarkie stärken, indem wir klare ökologische Kriterien und Anreize zur Vermeidung und zum Recycling formulieren. Darum werden wir auch die Umweltüberwachung nicht abbauen, wie es CDU und FDP getan haben und offenbar wieder planen, sondern weiter stärken, indem wir die Umsetzung des Umweltinspektionserlasses begleiten, eine risikobasierte Prioritätensetzung verfolgen und dabei besonders auf die Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern achten.

Wussten Sie eigentlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und vor allem auch werter Kollege Höne, dass Walter Eucken bereits 1949 die ordnungspolitische Vermeidung von „gesundheitlichen Schäden“ durch unsere Wirtschaftstätigkeit anmahnte? – Darum haben wir heute auch Immissionsgrenzwerte vorgesehen. Daher werden wir in diesem Einzelplan auch eine Minderungsstrategie formulieren, mit der die europaweit vorgegebenen Grenzwerte bei Stickoxiden durch verursacherbezogene Maßnahmen eingehalten werden. Und das, lieber Kollege Höne, ist Teil unseres Programms „Umwelt und Gesundheit“.

Meine Damen und Herren, wir sind langsam dazu gezwungen, immer mehr Mittel für die Reparatur von Umweltschäden aufzuwenden. So werden wir gemäß dem vorgelegten Einzelplan rund 30 Millionen € für den Hochwasserschutz aufwenden und zudem weitere Bebauung in Überschwemmungsgebieten vermeiden. Die ökonomischen, sozialen und politischen Kosten, die Freiheitsverluste am Ende, die uns eine jäh abgestoppte Energiewende auf Bundesebene aufbürden würde, sind kaum noch abzuschätzen.

Darum reicht es eben nicht mehr aus, nur Sparorgien zu verlangen. Es reicht nicht mehr aus, sich mit Traditionen wie der der Ordoliberalen zu schmücken. Nein, wir müssen sie wieder ernst nehmen, und das nicht nur in der Umweltpolitik. Wir sehen dafür im Einzelplan eine gute Grundlage und werden ihm deswegen zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Markert. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Rohwedder.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) : Vielen

Dank – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und auch draußen im Stream! Die Lage im Land, was Umwelt und Natur angeht, ist weiterhin kritisch und weit von einer durchgreifenden Verbesserung entfernt. Das zeigt für einen Teilbereich schon der letzte Waldzustandsbericht des Umweltministeriums aus dem Jahr 2012. Die Situation in den nordrheinwestfälischen Wäldern ist nach wie vor schlecht.

Der aktuelle Umweltbericht zeigt kein besseres Gesamtbild. Das Bild ist traurig, und Besserung ist nicht in Sicht. Arten sind bedroht, Habitate gehen verloren, der Druck durch ungebremsten Flächenverbrauch nimmt zu. Wir finden großflächige und weiter akkumulierende Schadstoffbelastungen

durch Kohlekraftwerke, ebenso großflächige und zunehmende Monokulturen, Industrialisierung der Landwirtschaft, Belastungen durch Dünger und Pestizide sowie eine zusätzliche Überdüngung durch Stickoxide aus dem Verkehr.

Die Situation wird nicht dadurch besser, dass Nordrhein-Westfalen da kein Alleinstellungsmerkmal hat. BirdLife International hat im letzten Jahr festgestellt, dass die Bestände der Vögel offener Fluren in Europa seit den 1980er-Jahren um 80 % zurückgegangen sind. Bei vielen Insekten sieht es ähnlich aus. Gerade gestern meldete BirdLife International, dass die Anzahl der vom Aussterben bedrohten Vogelarten in der Roten Liste 2013 weltweit so hoch ist wie noch nie.

Man muss bedenken, dass diese Arten nur Indikatoren für komplette Habitate und ganze Ökosysteme sind. Die Biodiversität hat schon stark abgenommen. Man spricht von einem Massenaussterben, das so schnell geschieht, wie man es sonst nur von geologischen Großereignissen kennt. Aber es ist nur das Anthropozän, das ziemlich mies anfängt. Wir stehen ernsthaft in der Verantwortung, unser Scherflein zu einer eindeutigen Verbesserung im Lande beizutragen.

Die vorhandenen Schäden sind Ergebnisse von im menschlichen Maßstab langen Fehlentwicklungen über mehrere Generationen. So darf man keine schnelle Besserung, etwa in Jahresfrist, erwarten. Im aktuellen Umweltbericht gibt es keine nennenswerten Verbesserungen, obwohl er sich auf einen mittelfristigen, mehrjährigen Zeitraum bezieht. Die Erkenntnis ist also, dass die bisherigen Anstrengungen, die wir durchaus anerkennen, bei Weitem nicht ausreichen. Das wiederum kann nur eine Konsequenz haben: Der Einsatz muss massiv verbessert werden.

Es geht beim Umweltschutz aber nicht nur um Natur, sondern auch um den Menschen. Umweltschutz kostet nichts, wenn man sich die Behandlung von Krankheiten sparen kann, die durch unsere Wirtschaftsweise und den rücksichtslosen Umgang mit

der Biosphäre als großem Müllabladeplatz entstehen.

Wir sehen in allen Bereichen immer nur ein Erkennen der Probleme und ein zu zaghaftes Angreifen. Wir vermissen ein wirklich stringentes Gesamtkonzept in Nordrhein-Westfalen. Der Landesentwicklungsplan wird zu einer kräftigen Hebelstange werden müssen, um einen Teil der Gesamtproblematik angehen zu können. Das zarte Kleinkind Klimaschutzgesetz muss kräftig gemästet werden. Forstgesetz, neues Jagdgesetz – das alles ist viel KleinKlein, aber insgesamt ist alles noch zu wenig und geht nicht wirklich Hand in Hand.

Wir wissen natürlich auch, dass Berlin und Brüssel nicht immer hilfreich agieren. Es liegt eben nicht nur an Nordrhein-Westfalen allein. Wir hegen auch große Befürchtungen mit Blick auf die geplanten Freihandelsabsprachen, die schlimmer als alles sind, was es bisher in diesem Bereich gab, zum Beispiel TTIP. Das wird ein schäbiger Wettlauf hin zu den schlechtestmöglichen Standards, ein schleichender multinationaler neokonservativer Staatsstreich.

(Zurufe von der FDP: Oh! Ach Gott!)

Wenn das kommt, hat das auch auf Umwelt und Natur Auswirkungen, die nur noch als Ökozid bezeichnet werden können.

(Henning Höne [FDP]: Das tut ja weh!)

Ja, Herr Höne, das tut weh. – Fast unglaublich ist, dass der langsame Koloss EU schon reagiert und ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der Zustände im Vogelschutzgebiet Hellwegbörde eingeleitet hat. Will sich eine rot-grüne Regierung wirklich nachsagen lassen, so langsam und schlecht zu agieren, dass es sogar der Europäischen Kommission auffällt?

Wir erwarten von der Landesregierung deutlich mehr, als sie bisher geleistet hat. Wir erwarten deutliche Besserung nicht nur in der Hellwegbörde. Wir erwarten klare Ansätze und Ansagen zu Themen wie „Suffizienz – oder weiter so?“ „Weiter mit dem fortgesetzten bedingungslosen Primat einer degenerativen Wirtschaftsweise“ oder „konsequenter ökosozialer Umbau“?

Wir können nach vier Jahren Rot-Grün kein besseres Zeugnis ausstellen als: Sie haben sich manchmal bemüht, ohne den Rahmen ihrer Möglichkeiten auszuschöpfen oder zu erweitern. – Sie müssen aber Ihre Möglichkeiten ausschöpfen, ausbauen, ausnutzen. Besser gesagt: Wir alle müssen unsere Möglichkeiten ausbauen, ausnutzen und Fakten schaffen, die wirklich etwas verschlagen. Dabei werden wir in Zukunft mehr brauchen, als die 1,5 %, die jetzt im Landeshaushalt vorgesehen sind, denn das alles gibt es nicht zum Nulltarif.

Ich wünsche uns, dass die nächsten Reden bereits im Laufe des folgenden Jahres von mehr Optimismus geprägt sein können und dass das Zeugnis für

die Landesregierung am Ende der Legislaturperiode besser ausfallen kann. Wir können uns ein „Weiter so“ nicht leisten. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Rohwedder. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Remmel.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Mit Remmel geht es dem Wald schlechter!)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hovenjürgen, das ist genau das Problem – Sie haben es gerade versucht zu verkürzen –, dass Sie von CDU und FDP in der Umweltpolitik wiederum mit Ihren Reden gezeigt haben, dass es Ihnen um kurzfristige populistische Argumentationen und um Verkürzung geht, aber nicht um Orientierung und Problemlösung entlang der vorhandenen Probleme.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wir haben uns an Ihnen ein Beispiel genommen! – Zuruf von Henning Höne [FDP])

Ich bin Herrn Rohwedder dankbar, dass er zumindest den Versuch unternommen hat, die Problemlagen zu beschreiben und einen strategischen Ansatz zu formulieren. Darüber kann man diskutieren. Bei Ihnen fällt es aber schwer, überhaupt zu argumentieren, weil Sie keine Orientierung haben und weil Ihnen der Kompass fehlt. Sie springen zwischen Problemen vor Ort sowie großen Linien, aber eine wirkliche Grundorientierung habe ich Ihren Reden nicht entnehmen können.