Protokoll der Sitzung vom 14.05.2014

Vielen Dank, Herr Kollege Alda. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Warden.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Ulrich Alda! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Kollege Ulrich Alda hat gerade gesagt, wir sollten das Thema möglichst kleinteilig diskutieren. Wir sehen auch, dass wir hier die Frage eines Liquiditätsproblems haben und möglicherweise ebenfalls das Thema Bürokratieabbau behandeln. Ich würde vorschlagen, dieses Thema genauer im Ausschuss anzugehen.

Heute an dieser Stelle muss ich für meine Fraktion erklären, dass wir Ihrem Antrag in der Form so nicht zustimmen werden. Wir werden ihn aber im Ausschuss diskutieren.

Sie von der FDP-Fraktion fordern die Landesregierung auf, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, die Vorverlegung der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge aus dem Jahr 2005 zurückzunehmen. Sie möchten damit das Handwerk und den Mittelstand entlasten und – wie gerade gesagt – von zusätzlicher Bürokratie befreien.

Einem solchen Ansinnen kann man grundsätzlich nichts entgegensetzen. Für meine Fraktion ist klar, dass wir die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, insbesondere Mittelstand und Handwerk, in ihrer Leistungsfähigkeit in jeder Form unterstützen möchten.

Denkt man aber heute Ihre Forderung weiter, müssten die Sozialabgaben – Ihre Ausführungen gingen

schon ein bisschen in diese Richtung – zukünftig erhöht werden, denn die damalige Verschiebung und Vorverlegung des Fälligkeitstermins durch die seinerzeitige rot-grüne Bundesregierung hatte die Erhöhung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung auf 20 % verhindert. Es ging um die Frage: 0,5 Prozentpunkte rauf oder runter. 0,5 Prozentpunkte belasten Arbeitnehmer und Arbeitgeber jährlich in Millionenhöhe. Das ist wahrlich keine Kleinigkeit.

Ich komme auf Ihre Antragsbegründung zu sprechen: Würde man jetzt zur alten Regelung zurückkehren, würden im Jahr der Umsetzung nur noch elf Monatsbeiträge bei den Sozialkassen eingehen. Das hätte zur Folge, dass es zu einer massiven Beeinträchtigung der Liquidität käme und die Nachhaltigkeitslücke auf die Hälfte reduziert würde. Eine Beitragserhöhung mit den eben beschriebenen Folgen wäre unumgänglich. Damit würde kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht geholfen werden.

Zu dem von Ihnen genannten Thema Bürokratieabbau möchte ich sagen, dass sich eine Mehrbelastung für die Unternehmen aus dem jetzigen Verfahren nach unserer Feststellung bisher nicht erkennen lässt. Der neue Rhythmus hat sich eingespielt. Weder Handwerk noch die Vertreter der kleinen und mittelständischen Unternehmen in Nordrhein

Westfalen haben eine ernsthafte Kritik an dem Verfahren geäußert. Ein Jahr nach Änderung des Fälligkeitstermins für die Sozialabgaben gab es eine Anfrage bei den Arbeitgeberverbänden in Nordrhein-Westfalen. Es gab keine Rückmeldung, dass das Verfahren wieder geändert werden sollte.

Die Höhe der Sozialabgaben ist nicht abhängig davon, ob Kunden ihre Rechnung pünktlich bezahlen oder nicht, sondern abhängig vom Monatsgehalt der Beschäftigten. Das bedeutet, dass das eben beschriebene Liquiditätsproblem nicht auf die Sozialabgaben zurückzuführen ist. Ebenso muss nicht jeden Monat spitz abgerechnet werden, sondern man könnte sich auch am durchschnittlichen Mittel orientieren.

Ich möchte gern noch einen Punkt ansprechen, der mir bei der Recherche zu Ihrem Antrag aufgefallen ist. Denselben Antrag haben die Fraktionen der CDU und der FDP im Sächsischen Landtag und in anderen Landtagen bereits 2012 gestellt. Zu der Zeit saß Ihre Fraktion noch mit am Tisch des Bundeskabinetts. Ich habe mich gefragt, wenn Sie vom Inhalt Ihres Antrags überzeugt sind, warum Sie die Vorverlegung des Fälligkeitstermins nicht rückgängig gemacht haben, denn damals hatten Sie die Möglichkeit dazu im Bundestag.

Wir werden den Antrag im Ausschuss noch intensiv beraten. Der Überweisung werden wir selbstverständlich zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Warden. – Nun spricht für die CDUFraktion Kollege Kerkhoff.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was der Kollege Alda ausgeführt hat, ist inhaltlich in der Tat in vielen Teilen schlüssig. Wir unterstützen dies auch in weiten Bereichen. Es ist schon ein Stück weit politisch verwegen, denn die eigene Regierungszeit in Berlin liegt noch nicht so lange zurück, als dass man sagen könnte: Damit haben wir uns nicht beschäftigen können.

Meiner Ansicht nach war die Vorverlegung der Fälligkeit der Sozialabgaben im Jahr 2005 ein Fehler. Man hätte auch andere Wege finden können, die Sozialbeiträge stabil zu halten. Es ist so, dass das, was damals mehr eingenommen wurde, jetzt – im Grunde wie im richtigen Leben auch – verfrühstückt ist. Das ist weg. Man hatte sich damals 13 statt zwölf Monatseinnahmen genehmigt.

Zum Thema Bürokratie lassen Sie mich sagen, dass schon damals ab 2006 ein vereinfachtes Verfahren gewählt worden ist. Seitdem ist die Zahlung des Beitragsvorschusses in der Höhe des abgerechneten Vormonatsergebnisses zulässig und nicht mehr, wie davor, die Zahlung der voraussichtlichen Beitragsschuld. Mit einem solchen pauschalierten Verfahren kann die Entgeltabrechnung insgesamt auf einen Termin konzentriert werden. Die Schätzung der voraussichtlichen Beitragsschuld ist seither entbehrlich.

Was das Thema der Liquidität angeht, teile ich in der Tat das, was Sie gesagt haben. Weil das aber nicht einmal eben zu korrigieren ist, ist es weder der ersten Großen Koalition 2005 bis 2009 noch Schwarz-Gelb im Anschluss gelungen, dies zu korrigieren. Diese Korrektur hätte 25 Milliarden € gekostet. Aus dem gleichen Grund ist es nicht Teil der Koalitionsvereinbarung der zweiten Großen Koalition in Berlin, selbst wenn es auch aus meiner Sicht sicherlich ein wünschenswerter Punkt gewesen wäre.

Auch wenn ich mir persönlich das wünsche, bleibt doch festzuhalten, dass eine Korrektur die Finanzausstattung der Sozialversicherungen massiv verschlechtern würde. Allein für die Rentenversicherung würden dies 14 Milliarden € weniger an Einnahmen bedeuten, für die Krankenversicherung gut 8,5 Milliarden €, für die Pflegeversicherung rund 1 Milliarden € – und das zu einer Zeit, in der wir richtigerweise die Situation der Pflegenden verbessern wollen. Für die Arbeitslosenversicherung wären es 1,6 Milliarden € weniger an Einnahmen. Ich sage aber auch: Es ist richtig, an diesem Thema dranzubleiben. Deshalb ist es gut, wenn wir den Antrag heute überweisen und im Ausschuss noch einmal darüber sprechen.

Kollege Alda, wir sollten das Thema vielleicht auf die Liste der Punkte setzen, auf der all die Dinge stehen, die wir vielleicht gemeinsam umsetzen würden, wenn wir zusammen noch einmal in Berlin regieren. Ich glaube, das wäre nicht nur aus dem Grund eine gute Geschichte. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Zurufe von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Kerkhoff. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Maaßen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kerkhoff, diese Vision teile ich nicht. Das hätten wir nicht so gern.

(Zuruf von Matthias Kerkhoff [CDU])

(Ulrich Alda [FDP]: Das beruhigt ihn!)

Das beruhigt ihn? Ach so, ein Schwarz-Grüner ist er nicht. Das können wir hier einmal feststellen. Okay.

(Zurufe)

Oder gerade. Gut. Jetzt aber kommen wir in eine Diskussion, die uns von dem Antrag wegführt. Ich möchte ohnehin nur kurz reden. Daher haben wir noch genug Redezeit für solche Geplänkel.

Lieber Ulrich Alda, ich – wie auch meine anderen Kollegen – sehe das ähnlich wie Frau Warden. Sie hätten in der schwarz-gelben Regierung die Zeit und die Chance gehabt. Ich meine auch, in meiner Recherche erkannt zu haben, dass Sie in Sachsen noch mit in Regierungsverantwortung sind und dort eine Bundesratsinitiative mit auf den Weg gebracht haben – gerade noch zur rechten Zeit, weil es im August dort auch vorbei ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte aber jetzt zum Inhalt kommen. Wir können dem einiges Bedenkenswertes abgewinnen. Dennoch sind wir der Auffassung, dass wir intensiv prüfen müssen, welche Auswirkungen das auf die Sozialversicherungsträger hat. Aber ich sehe auch Ihr Argument, das Sie jetzt auch noch einmal vorgebracht haben, dass man die Belastungen der Arbeitgeber sehen muss. Von daher sollten wir das ausgiebig im Ausschuss beraten, weil es da unterschiedliche Facetten und unterschiedliche Auswirkungen gibt.

Ich muss aber dazu sagen, dass ich einen direkten Handlungsdruck – den würde ich auch ein Stück erwarten von den Kammern, vom Handwerk, von den kleinen und mittleren Unternehmen – so nicht erkennen kann. Es gibt einige Stellungnahmen. Mich hat in letzter Zeit eine von der IHK erreicht.

Vielleicht haben Sie das auch zum Anlass genommen, diesen Antrag zu formulieren. Aber dass das massiv eingefordert wird und die Problemlagen uns auch über diese Einrichtungen verdeutlicht werden, kann ich so nicht sehen. Von daher haben wir noch stärkeren Beratungs- und Informationsbedarf.

Wir sehen auch die Problematik gerade bei Unternehmen, die mit variablen Entgelten zu tun haben. Da müssen wir schauen, ob wir da Lösungen finden oder die kritischen Umstände nehmen, um dann festzustellen, dass wir tatsächlich das ganze System umkrempeln müssen. Dieses Meinungsbild haben wir derzeit noch nicht. Von daher freuen wir uns auf die Beratungen im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Schwerd.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrtes Publikum! Meine Vorrederinnen und Vorredner sind bereits auf die Vorgeschichte dieses Antrages eingegangen. Insofern brauche ich das nur noch ganz kurz zu skizzieren.

Um die klammen Sozialkassen zu entlasten, entschied die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2005, in die Trickkiste zu greifen. Zukünftig sollten Sozialabgaben ein paar Tage früher bezahlt werden.

Was nach einer banalen Änderung klingt, hatte zwei Konsequenzen. Erstens müssen Unternehmen nun zwei Abrechnungen anfertigen, eine vorläufige und eine finale. Der Verwaltungsaufwand hat also zugenommen. Zweitens profitieren die Sozialkassen von der Bilanzkosmetik. Ihre Rücklagen erhöhten sich deutlich durch die Umstellung, da ihnen durch den früheren Zahlungstermin mehr Liquidität zur Verfügung steht. Das sind keine Peanuts. Das ist ein zweistelliger Milliardenbetrag. Inzwischen sind die Sozialkassen gut durchfinanziert. Grund ist dieser Einmaleffekt sowie die gute Konjunkturlage. Ende 2013 betrugen die Rücklagen der Rentenversicherung knapp 32 Milliarden €.

Was soll nun mit diesem Geld passieren? Die einfachste und fairste Lösung scheint keine Lobby zu haben, nämlich die Beiträge zu senken. Stattdessen gibt es andere Pläne. Die Große Koalition in Berlin möchte ihr Rentenpaket durch die Rücklagen der Rentenversicherung querfinanzieren. Am schönsten sind die Wahlgeschenke, die man nicht selber bezahlen muss.

Der Wirtschaft wäre es lieber, wenn der seit dem 1. Januar 2006 geltende Fälligkeitstermin zurückgenommen wird, da es ja nun diesen Finanzierungsspielraum gibt. Diesen Wunsch drückt der vorliegende Antrag aus.

Wir Piraten sympathisieren mit diesem Antrag und der zugrunde liegenden Idee. Warum sollte man den kleinen und mittelgroßen Unternehmen die Doppeltabrechnung nicht ersparen? Warum muss man ihnen unnötigerweise Liquidität entziehen?

Die Sache hat nur einen Haken. Das Rentenpaket und die Änderung des Zahlungstermins zugleich sind wohl nicht finanzierbar.

Ich meine, dass der federführende Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales die Aufgabe übernehmen sollte, einen nachhaltigen Finanzierungsspielraum für diesen Vorschlag aufzuzeigen.

Denn bei aller Sympathie für diesen Antrag steht für uns fest: Es ist nicht akzeptabel, dass der Zahlungstermin der Sozialversicherungsabgaben in jedem Konjunkturzyklus nach Gusto vor- oder zurückgeändert wird. Die daraus entstehenden Anpassungs- oder Bürokratiekosten wären deutlich größer als der intendierte Entlastungseffekt. Also müssen wir uns langfristig für eine Option entscheiden. Die nachhaltige Finanzierung der Sozialkassen darf dabei nicht gefährdet werden.

Der Überweisung an den Ausschuss stimmen wir selbstverständlich zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Schneider das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Beginn des Jahres 2006 gibt es Änderungen in den Bestimmungen zur Fälligkeit der Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Davor wurden die Sozialversicherungsbeiträge spätestens bis zum 15. des Folgemonats zur Zahlung gebracht. Ab 2006 werden die Sozialversicherungsbeiträge spätestens bis zum drittletzten Bankenarbeitstag des laufenden Monates entrichtet. Steht die tatsächliche Beitragsschuld wegen schwankender Entgelte nicht fest, so ist sie zu schätzen.