Steuerzahler bemerken die Wirkung der kalten Progression vor allem dann, wenn es um eine Anpassung des eigenen Gehalts geht. Steigt der ausgezahlte Bruttolohn in gleichem Maße wie die durchschnittliche Preisentwicklung, kann sich der Steuerzahler von seinem Nettogehalt am Ende weniger leisten. Das, meine Damen und Herren, ist schreiend ungerecht.
Wenn Arbeitnehmer in unserem Land Lohnsteigerungen als Inflationsausgleich erhalten, damit ihr Warenkorb nicht kleiner wird, oder als Leistungsprämie, weil auch sie ihren gerechten Anteil am Aufschwung und an dem bekommen sollen, was sie selbst erarbeitet haben, darf das durch den Effekt der kalten Progression nicht zerstört werden. Denn ein wachsender Teil des zusätzlichen Lohns wandert bei Ihrem heutigen System an den Staat. Auf diese Weise steigt das Einkommensteueraufkommen bereits bei real konstanten, also inflationsbereinigten Löhnen und Gehältern, überproportional an.
Diese Ungerechtigkeit gilt es, nun zu beseitigen. Das sagt nicht nur der Präsident des Bundes der Steuerzahler Reiner Holznagel. Das sagen nicht nur die Wirtschaftsweisen in ihrem aktuellen Jahresgutachten 2014 mit dem Zitat: „Eine Korrektur des Tarifs ist mittlerweile überfällig“. Das sagt DGB-Chef Reiner Hoffmann. Das sagt SPD-Chef Sigmar Gabriel, wie gerade dargestellt, der sich jetzt Sorgen macht, dass die SPD ihr Ansehen in der Arbeitnehmerschaft völlig ruiniert. Und das sagt auch Norbert Barthle, haushaltspolitischer Sprecher der
„Der Staat erhält über die kalte Progression Steuergelder, die eigentlich den Bürgerinnen und Bürgern zustehen. Dieses Geld müssen wir ihnen wieder zurückgeben.“
Die Erkenntnisse, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind nicht neu – die kann man ja dem Gesetzentwurf von Schwarz-Gelb aus dem Jahr 2012 entnehmen – mit den beiden Zielen: Grundfreibetrag anheben und Tarifverlauf anpassen. Beides beseitigt nur diesen Effekt. Wir haben Lösungen für die Abmilderung von potenziellen Steuerausfällen für die Länder angeboten. Das wissen Sie auch, Herr Dr. Walter-Borjans.
Was ist das Resultat des Vermittlungsausschusses? – Die Anpassung des Grundfreibetrages, die die Länder im Wesentlichen das Geld kostet, machen Sie mit. Aber da, wo der Bundesfinanzminister Ihnen in der letzten Legislatur für eine Anpassung des Tarifverlaufs Kompensationen auf Länderseite angeboten hat, da wird das eben gerade nicht verabredet.
Je nachdem, wie man rechnet, ob man den Gesamteffekt des Jahres 2010 nimmt oder erst bei 2014 anfängt zu rechnen, haben wir nach Rechnung des Bundesfinanzministers ein Volumen von entweder 28 Milliarden € oder seit dem letzten Anpassungszeitpunkt 2010 von über 55 Milliarden €, die hier den Arbeitnehmern fehlen.
Unser Motto ist: Leistung muss sich lohnen! Menschen, die mehr Geld verdienen, die sich beruflich entwickeln, die Inflationsausgleich kriegen, dürfen das, was sie sich da selber erstritten oder hart erarbeitet haben, nicht vom Staat auf dem anderen Wege wieder kalt aus der Tasche gezogen bekommen.
Deshalb: Sorgen Sie jetzt dafür, dass wir beim Thema der eiskalten Progression nicht nur heiße Luft haben. Wir müssen diese Ungerechtigkeit im Steuersystem abschaffen – im Interesse der Arbeitnehmer und im Interesse von mehr Leistungsgerechtigkeit in unserem Land!
Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Witzel, das war ja beeindruckend vorgetragen. Nur: Wer war es denn, der eine Anpassung bei der kalten Progression verhindert hat? – Das war die FDP.
Der Vorschlag der SPD und anderer lag auf dem Tisch, die kalte Progression abzumildern und dies durch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes gegenzufinanzieren, gerecht und solide.
Das zeigt doch, um was es Ihnen dabei geht. Ihnen geht es wieder mal um die politische Schlagzeile, aber bestimmt nicht um die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Man merkt ja auch an den Bemerkungen: Es ist Wahlkampf. Es ist ja bekannt, dass die FDP im Wahlkampf ihre bisherigen Positionen gerne mal über Bord schmeißt und das Gegenteil dessen behauptet, was sie noch vor Kurzem behauptet hat. Die FDP auf Bundesebene, die FDP im NRWLandtagswahlkampf und Herr Witzel in jeder Sitzung des HFA verkünden immer: Die Priorität muss auf dem Schuldenabbau liegen. – Herr Witzel nennt als Dogma im HFA immer wieder den Satz: Zusätzliche Finanzeinnahmen müssen zum Schuldenabbau genutzt werden.
Jetzt stellt er sich hin – ich zitiere ich Sie – mit den Spendierhosen und will Wahlkampfgeschenke verteilen. – Das ist eine nicht stringente Politik.
Ja, es gibt Ungerechtigkeiten im Steuersystem. Lassen Sie uns darüber diskutieren! Lassen Sie uns die anpassen! Was ist mit der ungerechten Vermögensverteilung im Land? Was ist mit der ungerechten Abgeltungsteuer, die Besserverdiener bevorteilt? Was ist mit den Kosten der Bankenrettung, an denen sich die Banken nicht beteiligen? Was ist mit der zu geringen Steuerbelastung für Großverdiener? Was ist mit der fehlenden Besteuerung großer Erbschaften? – Das sind alles wichtige Themen im Bereich der Steuergerechtigkeit, die angepackt werden müssen. Aus populistischen Gründen beschränkt sich die FDP wieder mal auf einen Punkt.
Da muss man doch wirklich deutlich machen: Wem nutzt es? – Jemand, dessen Einkommen im Jahr 10.000 € beträgt, profitiert von Ihren Vorschlägen im Umfang von 2,70 € im Monat. Jemand mit 250.00 € Einkommen hat 25 € im Monat.
Vor diesem Hintergrund und vor dem Hintergrund, dass Sie eine Refinanzierung durch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes abgelehnt haben, zu sagen, Sie wollen hier was für Geringverdiener tun, ist schlicht und einfach absurd.
Wenn sich die FDP dann plötzlich als Kronzeugen den DGB nimmt, dann gucken Sie sich das Steuerkonzept des DGB doch mal an: Erhöhung des Spitzensteuersatzes, Einführung der Vermögensteuer, eine höhere Erbschaftsteuer, Finanztransaktionssteuer. – Das sind gute Vorschläge. Wann kommt denn der FDP-Antrag, diese Teile des DGBGesamtkonzeptes im Bundesrat einzubringen? Da
Wir bleiben dabei, dass es nicht darum gehen kann, im Wahlkampf die Spendierhosen anzuziehen, sondern dass es darum gehen muss, im Interesse des Landes und insbesondere der Kommunen in NRW zu handeln.
Wir hätten riesige Steuerausfälle in NRW bis zu 500 Millionen € im Jahr. Wir hätten eine Belastung der Kommunen in NRW von 90 Millionen €. Die Kommunen profitieren nicht von den höheren Steuereinnahmen, die jetzt prognostiziert werden.
Vor diesem Hintergrund wollen Sie Ihre Steuergeschenke zulasten der Kommunen finanzieren. Sie wollen Ihre Steuergeschenke finanzieren, indem Sie für die Schließung von Hallenbädern und von Bibliotheken sind. Das werden wir so nicht mitmachen.
Aus unserer Sicht braucht es ein finanzpolitisches Gesamtkonzept für mehr Steuergerechtigkeit, die angemessen alle Einkommensarten einbezieht, eine Finanzausstattung, die es sowohl Ländern als auch Kommunen ermöglicht, in die Zukunft zu investieren, in Infrastruktur, in Bildung, und eine solide Finanzpolitik, die den Schuldenabbau im Blick behält. All das wird von diesem vorliegenden Antrag ausgeblendet.
In einem solchen Gesamtkonzept ist es auch notwendig und richtig, über die Frage der kalten Progression zu reden. Aber sich ausschließlich auf diesen Punkt zu beschränken, ist populistisch und ist nicht im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und erst recht nicht im Interesse der Kommunen und des Landes Nordrhein-Westfalen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Steuerschätzung, die zeitgleich zur Finanzministerkonferenz stattfand, sagt 19,3 Milliarden € zusätzliche Einnahmen des Staates bis 2018 voraus. Allein für das Jahr 2018 sollen es 3,2 Milliarden € sein: Also für alle, die einen Haushalt zu verwalten haben, ein Grund der Freude. Auch NRW erwartet einen zusätzlichen, vermutlich und hoffentlich bisher unter Soliditätsgesichtspunkten nicht eingeplanten zusätzlichen Geldsegen. Vorsichtig geschätzt werden es zwischen 2014 und 2018 etwa 1,8 Milliarden € mehr sein.
Das zeigt erneut, wir haben in Nordrhein-Westfalen, wir haben bundesweit kein Einnahmenproblem; wir haben ein Ausgabenproblem.
Die Steuereinnahmen steigen jedes Jahr stärker als das Wirtschaftswachstum. 1990 – dem Jahr der Wiedervereinigung – hatten wir in Nordrhein-Westfalen Steuereinnahmen von 27 Milliarden €. 2018 werden es nach der Prognose der Steuerschätzer gut 54 Milliarden € sein, also doppelt so viel. In der Bundesrepublik werden es 740 Milliarden € sein. Das sind 100 Milliarden € mehr als noch 2014.
Wer angesichts solcher Zahlen behauptet, der Staat könne nicht genug in Bildung, Infrastruktur oder Zukunftstechnologien investieren, der verdrängt die Wirklichkeit
oder versteht die Grundrechenarten nicht. Die Bürgerinnen und Bürger wissen ganz genau, dass wir kein Einnahmenproblem haben und dass wir immer noch viel zu viel neue Schulden machen und jeden Tag über 10 Millionen € nur für Zinsen zahlen. Deshalb ist dieses Leben auf Pump, das wir veranstalten, ein Riesenproblem für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
Das noch mit der Behauptung zu kombinieren, das würde man alles für Zukunftsinvestitionen ausgeben müssen, und deshalb seien diese Schulden gute Schulden, ist eine Mogelpackung der ganz besonderen Art. Deshalb gehören eine Begrenzung und ein Abbau der Neuverschuldung, eine Tilgung von Schulden und eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger bei Steuern zusammen. Es ist ein Zeichen von ganz besonderer Entscheidungsunwilligkeit und -fähigkeit dieser Regierung seit 2010, den Steuerzahler die Nichtveränderung von Strukturen und das Unterlassen von Aufgabenkritik bezahlen zu lassen. Das ist dann rot-grüne Sozialdialektik.
Herr Finanzminister, Sie werden an diesem Rednerpult noch viel öfter über zu kurze Finanzdecken klagen können, wenn draußen längst Hochsommer ist. Das bringt nichts, wenn Sie als rot-grüne Landesregierung Ihre Politik, Ihre Art, dieses Land zu führen, nicht verändern. Es kann gar keine hinreichend lange Decke geben, wenn man sich nicht anstrengt und sich nicht wie alle anderen dem Wettbewerb stellt, sondern immer nur jammert.