schon Grenzsteuersätze haben und dass wir eine Progressionslinie haben. Sie haben versucht zu suggerieren, dass, wenn man mehr Geld bekommt, man weniger zur Verfügung hätte. Das ist schlicht falsch. Die Frage ist, ob der Durchschnittssteuersatz ansteigt oder nicht. Aber natürlich bleibt mehr übrig, weil die Steuer ein Prozentsatz von einem Mehr ist.
Jetzt zu der Frage eins, Herr Lindner, die mich am meisten interessiert. – Nein, Herr Dr. Schäuble, hat kein Konzept vorgelegt, das Nordrhein-Westfalen von Einnahmeausfällen freigestellt hätte. Er hat sehr wohl einen höheren Anteil angeboten. Aber das Konzept war nicht gegenfinanziert. Deswegen war es richtig, im Bundesrat dieses Konzept so nicht durchzuwinken.
Aber wir haben einen anderen Vorschlag gemacht, den Herr Dr. Schäuble und die schwarz-gelbe Bundesregierung damals hätten annehmen können. Das haben Sie ausdrücklich nicht gewollt, weil Sie sich von einem Nein parteipolitisch davon etwas versprochen haben, was außerordentlich in die Hose gegangen ist, was ich ausdrücklich begrüße, was zumindest den Teil für die FDP anbetrifft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Antrag der FDP kann man auch überschreiben mit den Worten „Im Westen nichts Neues“. Sie frischen die alten Kamellen immer wieder auf, aber sagen nie, wie gegenfinanziert werden soll. Insofern lehnen wir diesen Vorschlag, so wie er jetzt ist, ab. Wir halten es aber durchaus für richtig, darüber zu reden – deswegen stimmen wir der Überweisung in den Ausschuss auch zu –, wie man das Steuersystem gerechter machen kann. Dabei wird die FDP aller Voraussicht nach allerdings nur wenig hilfreich sein können.
Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Abgeordnete Schulz.
Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal! Die Sache ist relativ einfach. Der Antrag wird in den Ausschuss überwiesen. Er soll nicht direkt abgestimmt werden, sodass die FDP – das möchte ich einmal aufgreifen – wohl hier und heute keine Wahlgeschenke wird verteilen können.
Von daher begrüßen wir vonseiten der Piratenfraktion natürlich, dass das im Ausschuss einmal beraten wird. Denn in der Tat: Das, was Herr Gabriel der Presse gegenüber geäußert hat, dass die kalte Progression sozial ungerecht ist, steht wohl außer Frage. Das wird seit Jahr und Tag diskutiert und moniert. Insofern kann man auch den Antrag der FDP begrüßen, weil man darüber einmal diskutieren sollte.
Ja, ich greife das Argument von Herrn Zimkeit auf, der sagt: Wir brauchen ein finanzpolitisches Gesamtkonzept. In Deutschland hört man seit 30 Jahren, dass da mal irgendetwas geschehen soll. Bis heute geschieht nichts. Es wird immer rumgewerkelt und rumgefrickelt an irgendwelchen kleineren und größeren Stellschrauben. Das hier ist auch so eine Geschichte.
Allerdings muss man sagen: Von der kalten Progression werden die sogenannten mittelhohen Einkommen erfasst – also alles das, was jenseits von 8.354 € an jährlich zu versteuerndem Einkommen liegt. Dieser Betrag stellt das Existenzminimum dar. Sie reicht dann bis 52.882 € an jährlich zu versteuerndem Einkommen. Alles, was darüber hinausgeht, wird fix besteuert: 42 % plus Solidaritätszuschlag. Jenseits von 52.882 € schlägt die kalte Progression nicht zu.
Wir reden also hier von Einkommenssituationen, die, wie ich denke, nahe 80 bis 90 % der Bevölkerung betreffen. Das ist in der Tat ein Punkt, den wir auch einmal in einem nordrhein-westfälischen Ausschuss besprechen können und sollten. Gleichwohl wird die Angelegenheit nicht in Nordrhein-Westfalen geklärt werden. Deshalb zielt der Antrag auch darauf hin, dass die Landesregierung aufgefordert werden möge, im Bundesrat eine Gesetzinitiative einzubringen.
Auch ich bin der Meinung – das kam hier schon zur Sprache –, dass vonseiten der SPD- und CDUgeführten Bundesregierung vielleicht einmal ein Vorstoß im Hinblick auf das finanzpolitische Gesamtkonzept gewagt werden sollte. Ob das allerdings in dieser Legislaturperiode passieren wird, wage ich zu bezweifeln; denn die Auffassungen bezüglich der einzelnen Punkte des Steuerkonzeptes sind sicherlich zu unterschiedlich.
Ich denke auch, dass wir im Landtag NordrheinWestfalen nicht zu einer einheitlichen Linie kommen werden. Wir brauchen gar nicht darüber zu diskutieren, ob und inwieweit jetzt die Steuermehreinnahmen ausreichen oder nicht. Fakt ist jedenfalls, dass Nordrhein-Westfalen selbstverständlich von Steuereinnahmen im Bund abhängig ist. Das, wovon wir hier reden – auch die Steuereinnahmen, die über die kalte Progression hereinkommen –, sind Steuereinnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen, die vom Bund abgeleitet werden.
Deshalb wird man sich Gedanken darüber machen müssen, wie eine Kompensation dieser dann durch den Wegfall der kalten Progression eintretenden Mindereinnahme stattfinden werden soll. Ob das möglicherweise durch Anheben des Spitzensteuersatzes, Wiedereinführung der Vermögensteuer oder Anheben der – das wird immer wieder, auch vonseiten der SPD, gefordert – Reichensteuer geschieht – jenseits von 250.000 € muss ein geringfügig höherer Steuersatz gezahlt werden –, wird diskutiert werden müssen.
Wir können das aber nicht im Haushalts- und Finanzausschuss des Landes Nordrhein-Westfalen diskutieren. Ich denke, da haben wir eine andere Bühne im Bund zu bespielen. Wir Piraten können das momentan leider nur im Hintergrund und nicht im Bundestag. Die FDP teilt im Moment jedenfalls das gleiche Schicksal wie wir. Deswegen haben wir vonseiten der Piratenfraktion durchaus Verständnis für diesen Antrag und freuen uns auf die Beratung der Frage des Abbaus der kalten Progression im Haushalts- und Finanzausschuss. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Nun spricht der fraktionslose Abgeordnete Stein. Bitte schön, Herr Kollege Stein.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier und zu Hause! Die Diskussion um die kalte Progression ist nicht neu. Neu ist allerdings der Bruch zwischen dem nordrhein-westfälischen Finanzminister und Sigmar Gabriel. Sigmar Gabriel – das haben wir gerade schon in den Vorreden gehört – hat jüngst erklärt, er könne sich vorstellen, die kalte Progression auch ohne Steuerhöhungen abzubauen. So hat er sich beispielsweise in der „FAZ“ am 6. Mai geäußert.
Der nordrhein-westfälische Finanzminister Dr. Walter-Borjans hingegen widersprach am 08.05. gegenüber der „WAZ“ dem Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler, indem er sagte, das Plus sei nicht so hoch, um gleichzeitig Schulden abzubauen und Steuern zu senken. Dazu kommen aus anderen Ecken der Partei noch Murren und eher zweifelhafte Vorschläge wie eine Sonderabgabe für Autofahrer.
Heute Morgen konnte man dann noch den neu gewählten Vorsitzenden des DGB, Herrn Reiner Hoffmann, auf „Deutschlandfunk“ hören. Er sagte dort, er habe mit vielen Bundestagsabgeordneten der SPD gesprochen. Auch diese hätten den Abbau der kalten Progression – und zwar ohne Gegenfinanzierung – für gut gehalten. Woraufhin der Moderator erwiderte, er habe wiederum mit vielen SPDBundestagsabgeordneten gesprochen, die den Abbau der kalten Progression ohne Gegenfinanzierung nicht gutheißen.
Wir sehen also: In der SPD wird anscheinend gestritten. Dabei sollte eine sozial ausgerichtete Partei ein großes Interesse am Abbau der kalten Progression haben, da diese insbesondere die niedrigen und mittleren Einkommen belastet.
Natürlich! Wenn Sie die Inflation mit einbeziehen, ist das so. Das habe ich auch gesagt. Hören Sie zu! – Diese kalte Progression im engeren Sinne will der Finanzminister aber offensichtlich nicht abbauen. Er will diese versteckte Steuererhöhung beibehalten. Das in Zeiten, in denen quasi jeden Monat aufs Neue eine Rekordsteuereinnahme die nächste jagt.
Auf „wdr.de“ konnten wir am 08.05. nachlesen, dass Bund, Länder und Kommunen allein bis 2018 mit fast 20 Milliarden € an Steuermehreinnahmen rechnen können. Das sind, gemittelt, jährlich rund 4 Milliarden €. Doch der nordrhein-westfälische Finanzminister lehnt Entlastungen für die Bürger aus rein ideologischen Gründen ab. Ich behaupte: Er ist nicht nur nicht fähig, Schulden abzubauen und zu sparen, nein, der notwendige Wille fehlt ganz deutlich. Sein Effizienzteam ist ja nicht durch Zufall gescheitert.
Nun will er doch eben über die Hintertür an das wohlverdiente Geld der Bürgerinnen und Bürger. Er weiß, direkte Steuererhöhungen sind unpopulär. Also wird es indirekt über die kalte Progression mitgenommen. Ich finde, dass das gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern nicht fair ist. Sie sollten den Bürgern ganz offen sagen, dass Sie auf Mehreinnahmen setzen und nicht mit den gegebenen Mitteln auskommen können. Ich finde, da haben Sie einfach ein Manko. Sie sollten lernen, mit diesen Rekordsteuereinnahmen endlich auszukommen,
Vielen Dank, Herr Stein. – Nun spricht für die Landesregierung der Finanzminister, Herr Dr. Walter-Borjans.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Offenheit von Herrn Schulz ist frappierend. Er sagt wenigstens, wie es ist: Dieses Thema, das hier auf der Tagesordnung steht, muss deswegen behandelt werden, weil man keine Gelegenheit hat, das im Bundestag zu tun. Es wäre schön, wenn sich die FDP dazu durchringen würde, zu sagen: Der Grund, weswegen man hier einen Ersatzschauplatz
Es ist gleichwohl – wenn der richtige Akzent gesetzt wird – überhaupt keine Frage, dass man über dieses Thema auch in einem Landtag beraten kann
Mehrausgaben und Mindereinnahmen haben nun einmal gemeinsam, dass sie Geld kosten und die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben vergrößern und die Konsolidierung erschweren.
Zwar sieht es die FDP immer wieder anders, aber wir wie auch die Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Tribüne wissen: Es gibt auch Mehrausgaben, die Sinn machen und notwendig wären, über die wir zum Beispiel Straßen reparieren und Bildung verbessern könnten. Wir müssen aber feststellen: Zurzeit ist das nicht machbar, wenn es keine Gegenfinanzierung gibt.
Genauso gibt es wünschenswerte Korrekturen bei den Einnahmen, auch solchen, die wir als ein Gebot der Gerechtigkeit empfinden würden. Voraussetzung ist aber eine Antwort auf die Frage: Wer zahlt die Rechnung?
Wer dafür eintritt, dass man eine Antwort auf die Frage bekommt, wie das finanziert wird, der muss Vorschläge machen. Der Fehler des schwarzgelben Vorschlags der früheren Bundesregierung war, den Menschen die Illusion zu vermitteln, man könne sie entlasten, es gebe genügend Möglichkeiten, das zu bezahlen, ohne dass neue Lücken auftreten und die Menschen auf etwas verzichten müssen.
Dazu kann ich nur sagen: Die Menschen im Land wissen es besser. Sie wissen, dass – wenn man auf Einnahmen verzichtet – an anderer Stelle das Geld fehlt. Deswegen hat in einer Umfrage in der vergangenen Woche die ganz große Mehrheit der Menschen gesagt: Wenn es über Steuern Mehreinnahmen gibt, möchten wir, dass die Schulden zurückgeführt und wichtige Aufgaben des Staates erledigt werden, bevor darüber nachgedacht wird, wo Steuern gesenkt werden.
Wir haben heute schon so viel über die Finanzministerkonferenz in Stralsund und auf Schloss Granitz gesprochen. Genau dort hat mich die Nachricht ereilt, dass die Kanzlerin und der Bundesfinanzminister angesichts der doch sehr revidierten Steuerschätzung gesagt haben, dass es einen Spielraum für die Absenkung der kalten Progression bzw. der inflationsbedingten Progression eben nicht gebe. Ich finde es interessant, dass Herr Optendrenk darauf gar nicht hingewiesen hat.
Noch einmal: Ich bin nicht gegen den Abbau dieser inflationsbedingten Progression, bei der dann – wenn man einen Prozentsatz X mehr verdient – etwas mehr als X Prozent an Steuern abgezogen wird.
Aber dann stellt sich sofort wieder die Frage: Woher kommt die Gegenfinanzierung? – Man muss sich fragen: Was haben wir mitgemacht? Was haben wir nicht mitgemacht? – Herr Witzel hat die Frage ge
Antwort: Der Grundfreibetrag, der das Existenzminimum steuerfrei stellt, leitet sich aus einem verfassungsrechtlichen Auftrag ab, der erfüllt werden muss. Ich will Ihnen einmal sagen, was das gekostet und bewirkt hat:
Die Erhöhung des Grundfreibetrags auf rund 8.300 € hat genau den Teil der Menschen, die dann steuerfrei gestellt wurden, um 10 bis15 Millionen € entlastet. Er hat gleichzeitig zu Steuermindereinnahmen von 2,6 Milliarden € geführt. 2,59 Milliarden € entlasten überhaupt nicht die, für die der Grundfreibetrag erhöht worden ist.
Sondern alle in den darüber liegenden Einkommensgruppen haben davon nicht nur genauso, sondern sogar mehr profitiert als die Gruppe, um die es laut Etikett ging. Das war das Ergebnis.
Auch dazu sage ich noch einmal: Das ist in Ordnung, weil damit schon ein Teil der kalten Progression abgebaut worden ist. Es sind dann nämlich jeweils alle darüber liegenden schon ein Stück weit, nämlich um 2,59 Milliarden €, entlastet worden.
Jetzt kommt die Frage, was man als Nächstes hätte tun können. Es gab zwei Vorschläge: Man verschiebt um 300 € alle weiteren Tarifeckwerte. Das hätte noch einmal 2 Milliarden € gekostet. Oder man macht es sogar gestreckt für die höheren noch ein bisschen mehr. – Genau das war der Teil, bei dem der Bundesfinanzminister gesagt hat: Das würde ich auf meine Kappe nehmen! – Er hat nicht die 2 Milliarden € kalten Progressionsabbau, der wirklich den unteren Teil betroffen hätte, gemeint, sondern er hat uns ködern wollen, noch etwas für die Hochverdienenden zu tun, für weitere 2 Milliarden €, um dann zu sagen: Ich übernehme diesen Teil!