Protokoll der Sitzung vom 15.05.2014

Das flackerte noch mal auf – ich weiß es noch genau, weil ich mit Herrn Wittke und mit vielen anderen gesprochen habe –, als der Gerichtsbeschluss kam. Die CDU konnte da aber schon nicht mehr zurück, obwohl einige Witterungspolitiker unterwegs waren und gefragt haben: Können wir sie an diesem Urteil „aufspießen“? Geht alles wieder zurück? – Nein, die Klugen, die Pragmatischen haben sich durchgesetzt. Und wir haben diesen Schulkonsens beschlossen. Und das ist gut so!

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn

Prof. Sternberg?

Aber ja.

Das habe ich mir gedacht. – Bitte schön, Herr Professor.

Vielen Dank, Frau Ministerin, für die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen.

Ich wollte Folgendes feststellen: Wir hatten auf unserem Parteitag einen Beschluss gefasst, der ziemlich genau das enthielt, was nachher auch im Schulkonsens stand. Das war auf jeden Fall nicht die Gemeinschaftsschule.

Würden Sie mir zustimmen, dass die unmittelbare Gefahr bestand – nachdem von den ursprünglich geplanten 90 Gemeinschaftsschulen noch zehn übrig geblieben waren und Sie sogar noch im Juni die Genehmigung für eine Schule aufheben mussten, für die bereits im Februar die Anmeldungen gelaufen waren –, dass Ihnen das Gemeinschaftsschulkonzept insgesamt um die Ohren fliegen würde, und Sie dann im Konsens bereit waren, auf ein Modell einzugehen, das wir in unseren Parteitagsbeschlüssen genau so formuliert hatten, wie wir es nachher im Konsens stehen hatten?

(Beifall von der CDU)

Herr Prof. Sternberg, danke für diese Frage. Wir hatten nicht 90 Schulen geplant, sondern wir haben gesagt: Es gibt einen Schulversuch, um – weil wir keine gesetzliche Grundlage schaffen konnten; die Linken wollten sogar eine Schule für alle von eins bis zehn …

(Armin Laschet [CDU] und Dr. Joachim Stamp [FDP]: Wir auch! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Eine von oben verordnete Schule hat in unseren Parteiprogrammen nie gestanden, und zwar schon vor dem Hamburger Ergebnis. Das ist übrigens auch an Fakten ablesbar.

Herr Prof. Sternberg, wir haben gesagt: Es gibt die Schulen, die vor Ort gewollt sind, und keine anderen.

Das Gerichtsurteil zu Finnentrop war sehr interessant. Es besagte: Die Frage, ob das kommunal gewollt ist, braucht man nicht mehr zu erproben. – Das Gericht hat also nicht gegen das Konzept argumentiert, sondern es hat dagegen gesprochen, dass man es überhaupt versuchen müsse, und gesagt, dass man es direkt ins Gesetz schreiben könnte. Das war der entscheidende Punkt des OVG-Urteils zu Finnentrop.

Herr Laschet hat gesagt, wir hätten uns wegen des Gerichtsbeschlusses anders entschieden. Die Daten belegen eindeutig: Der Beschluss der CDU war eine Reaktion auf die Wahlniederlage. Die ist auch durch die Bildungspolitik entstanden:

(Armin Laschet [CDU]: So ist es!)

weil Sie gegen Ihre Kommunen und gegen die Interessen Ihrer eigenen CDU-Bürgermeister einfach keine Entwicklung erlauben wollten, weil Sie Freiheit nicht gewährt haben. Auch die FDP hat Freiheit nicht gewährt. Wir dagegen haben gesagt: Vor Ort wird in Freiheit und Verantwortung entschieden. – Das ist der entscheidende Punkt.

Eine weitere Ungenauigkeit, lieber Herr Laschet: Sie haben gesagt, Sie hätten die Gliederung in der Verfassung durchgesetzt. Das stimmt nicht. Die Gliederung stand immer in der Verfassung – und die Hauptschule als einzige Schulform.

(Armin Laschet [CDU]: Richtig!)

In der Bildungskonferenz ist uns dringend empfohlen worden, die Hauptschulgarantie aus der Verfassung zu streichen. Denn auch die Verankerung der Hauptschule in der Verfassung hat ja nicht dazu geführt, dass die Eltern für ihre Kinder die Hauptschule wählen. Deswegen haben wir gesagt: Wir schreiben keine Schulform mehr in die Verfassung. Sie wollten ja eigentlich das Gymnasium in die Verfassung schreiben. Das haben wir aber nicht getan. Stattdessen haben wir auch das längere gemeinsame Lernen in der Verfassung verankert. Das zu akzep

tieren war einer Ihrer wesentlichen Beiträge zum Schulkonsens. Und es ist gut, dass Sie diesen Beitrag geleistet haben.

Entscheidend in den Diskussionen war, dass wir Wert darauf gelegt haben, dass die Sekundarschulen und die Gemeinschaftsschulen – die sich bis auf die Oberstufe ja nicht sehr unterscheiden; dafür haben wir aber die Gesamtschulen – auch gymnasiale Standards erhalten, damit sie für die Eltern attraktiv sind, die für ihre Kinder eine Schule wollen, die alle Bildungsabschlüsse ermöglicht. Darauf kam es entscheidend an. Und das ist umgesetzt worden.

Herr Prof. Sternberg, Sie wollten, dass das „Verbundschule“ heißt. Wir wollten, dass das „Gemeinschaftsschule“ heißt. Also musste ein neuer Name her. Und das war die Geburtsstunde der Sekundarschule. – Bei diesem Gespräch, lieber Herr Prof. Sternberg, waren Sie, glaube ich, nicht dabei; es war ein sehr kleiner Kreis. Es ist ja auch in Ordnung, dass niemand aus diesem Kreis etwas ausgeplaudert hat. Die Entwicklung gibt uns allen recht.

Ich möchte jetzt noch kurz auf Herrn Lindner eingehen. Herr Lindner, Sie trauen mir ja echt eine Menge zu. Ich bin schon sehr beeindruckt, was Sie mir alles zutrauen.

(Christian Lindner [FDP]: Viel!)

Ich kann heute also mit einem guten Gefühl nach Hause gehen.

Sie trauen mir zu, dass ich mit meiner perfiden Strategie durch Ideologisierung 197 kommunale Gebietskörperschaften und Bürgermeister dazu bringe, Schulen zu beschließen, die sie eigentlich nicht wollen. Super Sache!

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie trauen mir zu, dass alle Verbände in dieser Bildungskonferenz so etwas tun. Damit erklären Sie im Grunde, dass all diese Menschen – ich muss das hier ja parlamentarisch ausdrücken – nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte seien, weil sie mir alle auf den Leim gingen. Sie behaupten, die gymnasiale Elternschaft, der Philologen-Verband, der Verband Bildung und Erziehung, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die Direktorenvereinigungen der Gymnasien und alle kommunalen Spitzenverbände hätten diese perfide Strategie von Frau Löhrmann nicht durchschaut und deswegen Ja gesagt, womit sie die Gymnasien und andere Schulen dieses Landes ins Elend stürzten.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Ich glaube, lieber Herr Lindner, da überschätzen Sie meine Fähigkeiten. So etwas würde ich aber auch gar nicht wollen. Wir vertreten nämlich das Konzept, dass es in Nordrhein-Westfalen die Schulen gibt, die die Menschen vor Ort wollen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dafür gibt es zwei Kriterien. Das sind der Elternwille und der Bedarf – nichts anderes. Von Landesseite wird keine Schulform abgeschafft. Das unterscheidet unseren Weg vom Saarland und von SchleswigHolstein. Wir haben gesagt: Wenn es vor Ort Schulen gibt, die gut sind und angenommen werden, zwingen wir die Schulen nicht in eine andere Organisationsform. Umso beachtlicher ist, dass auf diesem Weg der Freiwilligkeit und der Ermöglichung so viele Schulen aus der eigenen kommunalen Verantwortung, dem Subsidiaritätsprinzip folgend und entsprechend, entstanden sind.

Natürlich möchte ich jetzt noch kurz etwas zur Inklusion sagen. Wir haben etliche Zeit über dieses Gesetz beraten. Wir haben in diesem Gesetz den Elternwillen angelegt. Wir haben in diesem Gesetz ein schrittweises Aufwachsen angelegt. Wir haben parallel begleitende Unterstützungsmaßnahmen – Fortbildung, Weiterbildung, Qualifizierung – angelegt. Wir investieren eine Milliarde €.

Und wir haben uns, lieber Herr Laschet, mit den kommunalen Spitzenverbänden geeinigt, damit es keine juristische Auseinandersetzung auf dem Rücken der Kinder in Nordrhein-Westfalen gibt. Hätten Sie einmal so viel Dialog mit den Kommunen über das KiBiz geführt,

(Armin Laschet [CDU]: Ach, Quatsch! Lächer- lich!)

dann müssten wir nicht im Landeshaushalt nachträglich Mittel bereitstellen,

(Beifall von den GRÜNEN)

weil Sie vorher die Konnexitätsfrage nicht mit den kommunalen Spitzenverbänden geklärt haben, lieber Herr Laschet!

(Armin Laschet [CDU]: Das KiBiz haben die Kommunen unterschrieben!)

Sie haben zu Ihren Gesetzen doch Konnexitätsurteile in Hülle und Fülle vom Verfassungsgericht kassiert!

Wir haben uns also geeinigt. Bezüglich der Inklusion gibt es einen geordneten Umsetzungsprozess. Das bestätigen uns auch andere. Trotzdem wird es natürlich an der einen oder anderen Stelle Probleme geben. Das kann auch gar nicht anders sein. Es ist gut, wenn Sie uns darauf hinweisen. Dann gehen wir diesen Problemen nach und steuern im Prozess der Umsetzung nach. Schließlich handelt es sich um das erste Gesetz zur Umsetzung der Inklusion in Nordrhein-Westfalen.

Nun komme ich zu G8 und G9. Sie können nicht von Ihrer Verantwortlichkeit ablenken. Dieser Versuch ist zwar schön. Ihnen haben aber doch auch die Journalisten aufgeschrieben, dass Sie für die stümperhafte Einführung von G8 in NordrheinWestfalen verantwortlich sind und dass wir noch heute unter den Folgeproblemen leiden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist absurd, so zu tun, als seien wir die Auslöser.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie haben das doch beschlossen und nichts gemacht!)

Sie haben das im Juni 2006 beschlossen. Zum 1. August 2006 musste es dann umgesetzt werden – ohne Mensen, ohne Lehrpläne, ohne Schulbücher, ohne Fortbildung, ohne eine Veränderung der Kernlehrpläne. Das ist der Geburtsfehler des G8 in Nordrhein-Westfalen, meine Damen und Herren von CDU und FDP. Das wissen auch alle Beteiligten. Es ist aber gut, dass ich bei dieser Gelegenheit noch einmal daran erinnern kann.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Den runden Tisch haben wir nicht aus der Not geboren jetzt gegründet. Ihn hat es von Anfang an gegeben, weil wir eine Kultur der Beteiligung mit allen Beteiligten pflegen. Aufgrund der Verunsicherung setzen wir uns natürlich mit allen Fragen auseinander, die dort konstruktiv angesprochen werden.

Das gilt auch für die Frage: Welche Möglichkeiten des Ganztags gibt es denn zwischen den verschiedenen Formen, die wir bisher haben? Von einer Benachteiligung der Gymnasien kann hier nicht die Rede sein, lieber Herr Lindner; denn alle Gymnasien, die in Nordrhein-Westfalen Ganztag anbieten, bekommen genauso wie die Realschulen und die Gesamtschulen einen 20%igen Zuschlag für diesen Ganztag. Deswegen kann man nicht von einer Benachteiligung sprechen.

Man kann auch deshalb nicht von einer Benachteiligung sprechen, weil die Gymnasien zum Beispiel im letzten Jahr 1.000 Stellen behalten durften, um nicht Zwangsversetzungen vornehmen zu müssen, und in diesem Jahr noch einmal 500 Stellen. Die Gymnasien haben also über den Bedarf hinaus zusätzliche Stellen bekommen, um sie bei diesem schwierigen Umstellungsprozess zu begleiten. Weil wir in der Schullandschaft eine ganz solidarische Kultur haben, haben sogar die anderen Schulformen das nicht kritisiert, sondern akzeptiert.