Man kann auch deshalb nicht von einer Benachteiligung sprechen, weil die Gymnasien zum Beispiel im letzten Jahr 1.000 Stellen behalten durften, um nicht Zwangsversetzungen vornehmen zu müssen, und in diesem Jahr noch einmal 500 Stellen. Die Gymnasien haben also über den Bedarf hinaus zusätzliche Stellen bekommen, um sie bei diesem schwierigen Umstellungsprozess zu begleiten. Weil wir in der Schullandschaft eine ganz solidarische Kultur haben, haben sogar die anderen Schulformen das nicht kritisiert, sondern akzeptiert.
Das ist konsensuale, pragmatische Schulpolitik, die die Menschen, die Kinder und Jugendlichen und die Beteiligten im Blick hat. Wir wollen diese Politik gerne fortsetzen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die CDU-Fraktion hat sich noch einmal der Fraktionsvorsitzende, Herr Kollege Laschet, zu Wort gemeldet. Bitte.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Teil der rückwärts gewandten Diskussion, was wann wie war, werden wir wahrscheinlich mit der heutigen Debatte abschlie
ßen. Für das Protokoll und die Wahrhaftigkeit dessen, was damals geschehen ist, muss man angesichts Ihrer Unterrichtung aber noch einmal einige Dinge klarstellen, glaube ich.
Sie haben hier gerade erklärt: Das Urteil zu Finnentrop hat nichts mit dem Beginn der Schulkonsensgespräche zu tun gehabt.
Okay, nichts mit dem Parteitag; denn es kam im Juni 2011, und der Parteitag war vorher. – Er war übrigens am Fukushima-Wochenende, also im April 2011.
Doch. Es geht um Wahrhaftigkeit. Frau Löhrmann hat gerade den Eindruck erweckt, als habe das Urteil zu Finnentrop nichts damit zu tun.
Jetzt zitiere ich einmal aus dem Brief der beiden Leute, die Sie heute so gelobt haben, Norbert Röttgen und Karl-Josef Laumann.
Sie haben am 12. April 2011 an die Frau Ministerpräsidentin geschrieben. In diesem Brief begründen sie den Schulkonsens mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 8. April 2011.
Das war nämlich die erste Instanz. Norbert Röttgen und Karl-Josef Laumann schreiben der Frau Ministerpräsidentin, das Verwaltungsgericht Arnsberg habe die Gemeinschaftsschule in Finnentrop mit der Begründung gestoppt, das Ministerium habe planerisches Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Eine Ohrfeige für Ihre Politik!
Weiter erklären Röttgen und Laumann in diesem Brief am Tag des Parteitags: Wir wollen das nicht zum Anlass nehmen, den langjährigen Schulstreit fortzusetzen, sondern bieten Ihnen an, in ein Schulkonsensgespräch mit Ihnen einzutreten. – So ist die Geschichte. So ist die Wahrheit. Die dürfen Sie nicht verdrehen.
Zweitens. Ich war eben wirklich verunsichert, als Sie sagten, das habe damit gar nichts zu tun. Sie haben dem Kollegen, den Sie vorher gelobt haben, im
Nachhinein unterstellt, er habe die falschen Argumente gehabt. Das war das Unredliche an Ihrer Antwort.
Die Aussage der Frau Ministerpräsidentin, sie habe nie die Absicht gehabt, Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen abzuschaffen und habe das auch nicht in den Gesprächen zur Bildung der Großen Koalition 2010 vertreten, hat mich sehr gewundert.
Auch dazu nur zwei Zitate: Am 25. August 2007 gab es den berühmten Parteitag der SPD, bei dem die SPD gesagt hat: „Das gegliederte Schulsystem ist nicht zukunftsfähig.“
Und anschließend hat sie beschlossen – im Gegensatz zu den Grünen; die Grünen haben immer gesagt, wir wollen von unten verändern –: Wir werden die Gemeinschaftsschule verbindlich einführen, und der Landesgesetzgeber muss den Zeitraum festlegen, in dem alle Schulen der Sekundarstufe I in Gemeinschaftsschulen verwandelt werden.
Dann hat Frau Kraft das berühmte RTL-Sommerinterview gegeben, das viel Aufregung ausgelöst. Jetzt zitiere ich Frau Kraft noch einmal wörtlich:
„Wir sagen: Alle Kinder sind an einer Schule mit einem Lehrerkollegium. Es gibt kein Gymnasium mehr, keine Hauptschule mehr und auch keine Realschule und keine Gesamtschule mehr, sondern alle Schulen werden Gemeinschaftsschulen unter einem Dach,...“
Das war die Position, mit der sie in den Wahlkampf gezogen ist. Daraufhin haben ihr 24 SPD-Mitglieder geschrieben – ich verkürze jetzt einmal –: Das können wir nicht machen. Wir sehen nicht, dass wir mit einer solchen Politik eine Mehrheit finden. – Trotzdem ist man – wie ich es eben beschrieben habe – mit dieser Position in den Wahlkampf und danach noch in die Koalitionsverhandlung gegangen.
Herr Kollege Laschet, entschuldigen Sie. Würden sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Beer zulassen?
Danke schön, Herr Kollege Laschet. Ich möchte gar nicht erneut darauf eingehen, dass Ihr Parteitag am 12. März 2011 war. Recherchieren ist immer sinnvoll.
Aber ich möchte Sie Folgendes fragen. Natürlich gehen wir alle mit Parteiprogrammen in Wahlkämpfe hinein. War die CDU in den Koalitionsgesprächen mit der SPD nicht in der Lage, konsensfähige Modelle herzustellen? Und hatte es der rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen bedurft, um zukunftsfähige Konsense bzw. eine Ermöglichungsstrategie für das Land zu verankern?
Zum ersten Teil: Es war in den Koalitionsgesprächen keine Einigung mit Frau Kraft möglich, weil wir gesagt haben, dass wir die Gymnasien nicht abschaffen werden, wie sie es wollte.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Ja, mithilfe der Grünen und mithilfe des Schulkonsenses konnte dieser alte, 40 Jahre andauernde Streit darüber, dass man Schulformen abschaffen will, beendet werden. Und heute steht – vielleicht präziser als vorher – das gegliederte Schulsystem in der Verfassung und nicht das, was Frau Kraft 2010 wollte.
Zum dritten Teil: Ja, auch die CDU hat sich bewegt. Ja, es war ein Fehler, dass wir in der Regierungszeit zuvor nicht mehr Kooperation möglich gemacht haben. Ich kenne ein Beispiel aus Aachen. Dort wollten wir in der Aretzstraße eine Kooperation zwischen Hauptschule, Realschule und Gymnasium möglich machen. Wenn man aber 10 % Wählerstimmen verloren hat, ist es innerhalb einer Partei ein ganz normaler Prozess, zu analysieren, wie man sich neu aufstellt. Und das haben Karl-Josef Laumann und Norbert Röttgen gemacht. Das hat der Parteitag beschlossen. Und das war die Grundlage dafür, anschließend zu einem guten Konsens zu kommen.
Diese Bemerkung von Frau Kraft, das habe sie alles nie gesagt, hat mich wirklich gewundert. Das war die Kampflage des Jahres 2010. Und deshalb, Christian Lindner, habe ich gesagt – du weißt sicher auch noch, wie die damals argumentiert haben –: Mit dem Schulkonsens ist die Schulform des Gymnasiums aus unserer Sicht und mit unserer Mitwirkung auf Dauer gesichert worden. Und das ist der Teil, den wir als Oppositionspartei, die die Wahl eigentlich verloren hat, im Schulkonsens erreicht haben. Deshalb war es neben der fröhlichen Regierungssicht auch aus unserer Sicht ein guter Konsens, der jetzt ermöglicht, dass vor Ort entschieden wird. Und das nennt man mit anderen Worten auch Subsidiarität. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Laschet. – Für die SPD-Fraktion erteile ich der Kollegin Voigt-Küppers das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Schulkonsens war ein guter Kompromiss. Und ich sage: Es war ein historischer Kompromiss. An dieser Stelle möchte ich aus einer ganz anderen Ecke begründen, warum ich glaube, dass es ein historischer Kompromiss war.
Erstens ist in diesem Kompromiss endlich anerkannt worden, dass Eltern für Ihre Kinder lange, offene Bildungsbiographien haben wollen. Zweitens ist in diesem Prozess anerkannt worden, dass Kommunen Schwierigkeiten haben, alle Schulangebote vor Ort vorzuhalten.