Protokoll der Sitzung vom 15.05.2014

Ministerpräsidentin „Kein Kind zurücklassen“ nur eine PR-Aktion ohne Inhalt und Substanz.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Art und Weise, in der Sie dieses Gesetz wieder einmal durchgepeitscht haben, entspricht auch nicht dem, was man zugesagt und versprochen hatte.

(Zuruf von der SPD)

Ich erinnere: Ein Referentenentwurf wurde für Sommer 2013 versprochen, aber nicht eingehalten. Dann wurde er für Herbst 2013 versprochen und nicht eingehalten. Zur Verbändeanhörung wurde der Referentenentwurf am 17. Dezember übersandt – natürlich schön vor den Weihnachtsferien. Die Abgabefrist für eine Stellungnahme lief über Weihnachten und Neujahr am 24. Januar aus usw. Vorgelegt wurde der Entwurf dem Parlament mit Zeitverzögerung, dies allerdings mit Zustimmung, weil Sie es sonst gar nicht auf die Reihe bekommen hätten. Wir hatten kaum Zeit, den Gesetzentwurf durchzulesen.

(Zuruf von Ingrid Hack [SPD] – Weitere Zuru- fe von der SPD)

Das nenne ich keinen kollegialen Umgang mit Blick auf Gesetzentwürfe. Eine sachorientierte und fachliche Diskussion war somit überhaupt nicht gewährleistet.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Nur weil Sie überfor- dert sind! – Zuruf von der SPD: Das ist doch lächerlich!)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das einzig Gute an diesem Verfahren war, dass der Stenografische Dienst dieses Landtags innerhalb von 24 Stunden das Protokoll der Anhörung zur Verfügung stellte. Ein Kompliment geht an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stenografischen Dienstes dieses Hauses!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Würde der rot-grüne Gesetzentwurf eine Klassenarbeit darstellen, müsste man ihn nach Auswertung der Anhörung mit einer Sechs bewerten.

Nun weiß ich, dass die Fraktion der Grünen solche Anhörungen immer wieder völlig anders interpretiert. Das mag daran liegen, dass die Grünen viele Sachen einfach nicht lesen. Oder es mag an der ideologischen Brille liegen, die die Grünen beim Thema „Frühe Bildung und Kita“ aufhaben. Dies geschieht leider zum Schaden einer ganzen Kitageneration, wie wir auch heute feststellen werden. Sie gehen nach dem Motto vor „Das mag alles wohl stimmen, aber wir sehen es anders.“ Es ist keine saubere Politik, die Lebenswirklichkeit auszublenden, meine Damen und Herren von den Grünen.

Was steht nun eigentlich im Gesetz? Der größte Teil der 100 Millionen €, nämlich 55 Millionen €, geht in die Verfügungspauschale, die vorrangig für zusätzli

che Hauswirtschaftskräfte gezahlt werden soll. Umgerechnet sind das pro Arbeitstag 7,69 €.

Damit soll Qualität finanziert und bezahlt werden? Das ist deutlich unter Mindestlohn-Niveau. Herr Minister Schneider, was sagen Sie eigentlich als Gewerkschafter dazu? Was sagen wir beide dazu? Wir können das doch nicht mittragen. 7,69 € im Kitabereich, um damit Qualität zu finanzieren? – Ich finde, Herr Minister, auch darüber sollten Sie mit Ihrer Kollegin einmal sprechen, wie das beim Anspruch einer vernünftigen Qualität eigentlich umgesetzt werden kann.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Rechnen kann er auch nicht!)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Beer?

Bitte schön.

Das ist sehr freundlich von Ihnen. Bitte, Frau Beer.

Lieber Kollege Tenhumberg, das finde ich ganz prima. Ich höre Ihnen mit großer Aufmerksamkeit zu. Deswegen würde ich jetzt gerne im Hinblick auf die kritische Würdigung der Anhörung, die Sie hier bereits ausgeführt haben, fragen: Wie beurteilen Sie eigentlich die Grundanlagen und die Defizite von KiBiz, die ja durch Herrn Laschet in der Zeit von Schwarz-Gelb hier angelegt worden sind? Und was präsentieren Sie uns denn heute als Haushaltsantrag der CDU? Was möchten Sie in das KiBiz zusätzlich investieren?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Frau Kollegin, ich möchte bei Ihnen persönlich nicht unterstellen, dass Sie unsere Anträge nicht gelesen haben. Aber ich verweise auf drei Anträge: den vom Dezember, den vor der Beratung und den heute eingereichten Antrag.

(Zurufe von Sigrid Beer [GRÜNE] und Andrea Asch [GRÜNE])

Wenn Sie insbesondere den letzten Satz deutlich lesen, wissen Sie genau die Konzeption. Im Übrigen: Die Interpretationen von Ihnen aus den Anhörungen kann ich nicht nachvollziehen. Nennen Sie mir doch aus dieser Anhörung einmal irgendjemanden – auch aus dem Protokoll; Sie können es gerne nachlesen –, der gesagt hat: Wir wollen dieses KiBiz nicht.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Keiner hat es gesagt, keiner will zurück zum GTK. Es geht um die Weiterentwicklung des Kinderbildungsgesetzes.

(Beifall von der CDU)

Es muss mit Inhalt gefüllt werden, und es muss Qualität, Qualität, Qualität festgeschrieben werden. Das machen Sie nicht; das ist unser Vorwurf.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, gleichzeitig wollen Sie mit dem Rechtsanspruch auf ein Mittagessen für etwa 90 % der Kitakinder das Angebot ausweiten, aber nur 7,69 € pro Tag bezahlen, und das alles vor dem Ergebnis der Studie der Bertelsmann Stiftung, dass in vielen Einrichtungen überhaupt keine geeigneten Küchen und keine Speiseräume vorhanden sind.

(Walter Kern [CDU]: Ja, das ist die Wahrheit!)

Meine Damen und Herren, mit dem neuen Förderinstrument „plusKITA“ wollen Sie benachteiligte Sozialräume wie bei den Familienzentren fördern. Von den über 9.000 Kitaeinrichtungen erhalten nur 1.800 Einrichtungen diese Mittel. Mehr als 80 % der Einrichtungen, vorrangig im ländlichen Raum, bekommen gar nichts. Sie gehen leer aus,

(Jochen Ott [SPD]: Die Mittel gehen dahin, wo die sozialen Probleme sind!)

obwohl auch hier zusätzlicher Bedarf besteht. 20 % bekommen etwas, 80 % werden allein gelassen.

(Zuruf von der SPD: Ungleiches wird ungleich behandelt!)

Das nenne ich ungerecht und unfair gegenüber Eltern, Kindern und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den Tageseinrichtungen.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, für die Sprachförderung soll in Zukunft etwas weniger Geld zur Verfügung gestellt werden. Das hört sich erst einmal nicht sehr dramatisch an.

(Zurufe von Sigrid Beer [GRÜNE] und Andrea Asch [GRÜNE])

Aber Sie hebeln mit Ihrem Gesetz den individuellen Anspruch auf Sonderförderung aus. – Frau Asch, Ihre Zwischenrufe veranlassen mich, wieder darauf hinzuweisen: Lesen Sie doch endlich einmal den Haushaltsplan! Im Haushaltsplan stehen 27,6 Millionen €.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Sie reden jetzt hier über 25 Millionen €. Und wenn ich heute sage „etwas weniger Mittel“ dann sind diese über 2 Millionen € „etwas weniger Mittel“. Nehmen Sie das bitte einmal zur Kenntnis!

(Weiterer Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Aber okay, Sie wollen das nicht zur Kenntnis nehmen. Die Wirklichkeit auszublenden, ist auch kein Mittel, um die Situation zu verbessern.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Ich war bei der Sprachförderung. Für die Sprachförderung sollen also etwas weniger Mittel zur Verfügung gestellt werden. Sie hebeln damit den Grundsatz des individuellen Anspruchs auf Sprachförderung aus. 50 % der Einrichtungen gehen leer aus, obwohl auch hier viele Kinder sind, die einen anerkannten Förderbedarf haben. Das nenne ich ebenfalls ungerecht. Es dient nicht der Chancengleichheit und widerspricht dem Anspruch „Kein Kind zurücklassen!“

Was steht nun nicht im Gesetz? – Das Problem der Nichtauskömmlichkeit des heutigen Finanzierungssystems wird nicht gelöst. Sie verweigern sich einer angemessenen Neuregelung zum Beispiel über einen Lohnkostenindex. Die übermäßige Belastung der Erzieherinnen und Erzieher wird durch weitere Arbeitsverdichtung zusätzlich verschärft und wird zu noch höheren Krankheitsständen führen. Durch neue Verwendungsnachweise und Dokumentationspflichten erhöhen Sie massiv den Verwaltungsaufwand, was gleichzeitig zu einer Reduzierung der pädagogischen Arbeit am Kind und der Elternarbeit führt.

Das Katholische Büro drückt es in seiner Stellungnahme wie folgt aus:

„Zentraler Punkt eines Gesetzes zur Regelung von Fragen im Zusammenhang mit Kindertageseinrichtungen muss das Wohl des Kindes sein. Wie dem mit einem im Regierungsentwurf angelegten deutlich steigenden Trägerrisiko und erheblichem Mehraufwand durch weitere … Verwendungsnachweise Rechnung getragen werden soll, erscheint nicht nachvollziehbar.“

Meine Damen und Herren, das ist ein vernichtendes Urteil. An dieser Stelle müssten Sie eigentlich den Gesetzentwurf zurückziehen. Tun Sie es!

(Beifall von der CDU)