Protokoll der Sitzung vom 05.06.2014

(Zuruf von den PIRATEN: Und sie hat auch sehr viel länger gedauert!)

Wir haben damals immer mit übrig gebliebenen Stoffen, Pappen und anderen Materialien bunte Bilder gebastelt. Das hat mir großen Spaß gemacht. Ich habe das mit großem Eifer, aber mit wenig Talent betrieben. Ich sage ganz ehrlich: Sie haben heute zwar keine unterschiedlichen Materialien zur Verfügung wie Pappen oder Stoffe, heute gibt es Copy and Paste, und so ist Ihr Antrag letztlich aufgebaut.

Er ist ein buntes Sammelsurium von allem, was im Rahmen von Bürokratieabbau auf allen politischen Ebenen irgendwo einmal diskutiert worden ist, ein Sammelsurium aus Ideen, Wünschen und Vorschlägen, aber bedauerlicherweise ohne Plan und ohne Konzept. Ich glaube, man muss dieses Thema Bürokratie, ihre Bedeutung und ihre Wichtigkeit in

einer wehrhaften Demokratie, in einem Rechtsstaat anders beleuchten, als Sie das in Ihrem Antrag getan haben.

Und ich glaube, anders, als Sie es im Antrag formuliert haben, ist Bürokratieabbau da, wo wir glauben, zur Vereinfachung kommen zu können, immer zuallererst die Aufgabe derjenigen politischen Ebene, für die wir selbst Verantwortung tragen. Wir sollten es nicht auf andere Ebenen und andere politische Entscheidungsebenen übertragen wollen.

Herr Bombis, Sie reden in Ihrem Antrag beispielsweise davon, dass jährliche Bürokratiekosten von ca. 50 Milliarden € allein dadurch entstehen, dass es eine Informationspflicht gegenüber dem Bund gibt. – Hand aufs Herz: Bis letztes Jahr hätte Ihre Bundestagsfraktion, wenn es dieses Problem in dieser Dimension tatsächlich gibt, nachhaltig arbeiten können. Aber, Herr Bombis, ich kann Sie beruhigen: Die Bundesregierung hat in diesen Tagen beschlossen, das Programm „Bessere Rechtsetzung 2014“ – das ist der Arbeitstitel für ein Programm zur Reduzierung von Bürokratie – auf den Weg zu bringen. Da haben wir Gutes zu erwarten, weil dort in der Tat einiges neu geregelt werden kann.

Ich will mich jetzt aber ganz gerne auf NordrheinWestfalen konzentrieren. Die Landesregierung hat in den Jahren 2004 und 2005 die Befristung von Gesetzen und Verordnungen angestoßen. Das heutige Befristungsmanagement heißt, liebe Kolleginnen und Kollegen von Piraten und FDP, eben nicht, alles einer Befristung zu unterstellen, sondern zu beurteilen, was befristungswürdig ist und was nicht befristungswürdig zu sein scheint und das abzuarbeiten.

Das tun wir Punkt für Punkt bei jedem Gesetz. Wir evaluieren die Gesetze, schauen, ob sie sich bewährt haben, ob es einen Änderungsbedarf gibt, ob die Notwendigkeit für eine erneute Befristung vorhanden ist oder ob ein Gesetz umfassend weitergelten kann.

Herr Bombis, ich nehme als Beispiel nur einmal das Polizeigesetz. Sie wollen doch nicht ernsthaft die Position vertreten, dass dieses Gesetz einer Befristung zu unterliegen hat. In einem Rechtsstaat, wenn es um Sicherheit und Freiheit geht, muss es, um den Handlungsrahmen der Polizei zu definieren, ein funktionierendes Polizeigesetz geben, das nicht einer möglichen Evaluierung und einer Außerkraftsetzung unterzogen werden darf. Ich glaube, wir sind einig, dass das nicht der Zweck sein kann. Wir schauen, wo Befristungen angezeigt sind. Und wo sich Gesetze bewährt haben, wenn man dies nach einer Evaluierung festgestellt hat, sollen sie auch dauerhaft gelten, meine Damen und Herren.

Zu guter Letzt zum Antrag der FDP: Das, was Sie sich vorstellen in Sachen „Normenkontrollräte“ ist gelinde gesagt verfassungsrechtlich mehr als be

denklich. Einen länderübergreifenden Kontrollrat zu schaffen, hieße, wesentliche Bestandteile des Föderalismus außer Kraft setzen zu wollen und damit die Eigenständigkeit der Länder und der Landesparlamente einzuschränken. Das schießt aus meiner Sicht weit über das Ziel hinaus. Trotzdem freuen wir uns auf eine intensive Beratung im zuständigen Fachausschuss. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind damit am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 16/5755 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk – federführend –, an den Haushalts- und Finanzausschuss sowie an den Innenausschuss; die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt

3 Erneuerbare Energien durch ein Pilotvorha

ben Virtuelles Kraftwerk in Nordrhein

Westfalen voranbringen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/5967

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPDFraktion Herrn Kollegen Schmeltzer das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir alle haben festgestellt: Die Energiewende ist endlich in Bewegung. Neben dem großen Auftrag der Bundesregierung, der nach Jahren des Stillstands aufgenommen wurde, werden die einzelnen Schritte angegangen. Dies ist eine Bundesaufgabe, die – das wissen wir alle – nicht ohne die Bundesländer funktioniert. Wir in Nordrhein-Westfalen sind das Energieland Nummer eins. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass wir uns hier in NRW besonders engagieren.

Insofern greifen wir mit unserem heutigen Antrag eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag aus Berlin auf. So wurde unter anderem im Koalitionsvertrag auf Bundesebene Folgendes verabredet:

„Wir werden prüfen, ob große Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien einen Grundlastanteil ihrer Maximaleinspeisung garantieren müssen, um so einen Beitrag zur Versorgungssicherheit zu leisten. Diese können Sie in eigener Verantwortung vertraglich mit Betreibern von Speichern, von nachfrageabhängig regelbaren erneuerbaren Energien, abschaltbaren Lasten oder von fossilen Kraftwerken absichern. Die virtuelle ‚Grundlastfähigkeit‘ der einzelnen erneuerbaren Energien soll schrittweise geschaffen werden. Hierzu werden wir ein Pilotvorhaben durchführen.“

Unser Antrag drückt aus: Wir wollen in NordrheinWestfalen ein solches Pilotvorhaben haben. Die Fakten in NRW sprechen für sich. Wir wissen und wollen, dass der Anteil der erneuerbaren Energien weiter steigt. Allerdings ist die Stromerzeugung über das Jahr betrachtet nicht stetig, sondern schwankt abhängig vom Wetter über die Jahreszeiten, Tage und Stunden des Jahres.

Die Anforderungen für die Flexibilität werden mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien verständlicherweise erheblich steigen. Die derzeit noch wetterbedingten Schwankungen werden bislang nur durch das Zu- und Abschalten von konventionellen Kraftwerken ausgeglichen. Durch die gewollte Steigerung der regenerativen Energien wird diese Fortschreibung der Energiewende schon bald dazu führen, dass die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien an einzelnen Stunden den gesamten Strombedarf übersteigen wird.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Das Büro für Energiewirtschaft und technische Planung – BET – hat das Ausmaß der maximalen und minimalen residualen Last für die kommenden Jahre ermittelt. Es kommt zu dem Ergebnis, dass die durch Kraftwerke zu erbringende maximale Last nur geringfügig abnehmen wird. Zur Deckung der maximalen Residuallast müssen entsprechende Kapazitäten an konventionellen Kraftwerken in Form von Speichern oder Maßnahmen zum Lastmanagement vorhanden sein.

Wozu brauchen wir nun ein virtuelles Kraftwerk? – Eine Möglichkeit, um die Grundlastfähigkeit herzustellen, besteht darin, die verschiedenen Stromerzeugungsquellen auf dezentralerer Ebene in einem virtuellen Kraftwerk zu integrieren, welches als Ganzes gesicherte Energie zur Verfügung stellen kann, ohne dass jede seiner Komponenten für sich dies können muss, also die Zusammenschaltung kleiner, dezentraler Stromlieferanten zu einem Verbund mit einer gemeinsamen Steuerung. Ein virtuelles Kraftwerk kann durch eine zentrale Steuerung wie ein Großkraftwerk größere Energiemengen bereitstellen.

Ein virtuelles Kraftwerk, das die unterschiedlichen vorhandenen Energieträger nutzt, zusätzliche Wert

schöpfung ermöglicht, zum Beispiel im Bereich der Informationstechnologie oder bei Investitionen in Verteilnetze, sowie Strom- und Wärmeerzeugung verbindet, wäre von besonderer Bedeutung für die energie- und industriepolitische Innovationskraft Nordrhein-Westfalens. Es könnte die Vorteile nutzen, die aus der Vielfalt der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Nordrhein-Westfalen und aus der hohen Dichte an privater und gewerblicher Nachfrage bestehen. Es passt damit auch in das KWK- und Fernwärmekonzept in Nordrhein

Damit bietet unser Land beste Voraussetzungen für die Umsetzung eines virtuellen Kraftwerks. Nordrhein-Westfalen ist prädestiniert für ein solches Pilotprojekt. Lassen Sie uns gemeinsam die Möglichkeit nutzen, die der Koalitionsvertrag der Großen Koalition geebnet hat, und mit dem heutigen Antrag die Grundlagen für ein solches Pilotprojekt Virtuelles Kraftwerk bei uns in Nordrhein-Westfalen schaffen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, die Sitzung kurz zu unterbrechen; denn auf der Besuchertribüne haben soeben Ehrengäste Platz genommen. Ich freue mich sehr, im Namen des Hohen Hauses den Vorsitzenden des Ständigen Ausschusses des Volkskongresses und Ersten Parteisekretär unserer nordrhein

westfälischen Partnerprovinz Sichuan der Volksrepublik China begrüßen zu können, der mit einer Delegation angereist ist. Herzlich willkommen, sehr verehrter Herr Vorsitzender Wang Dongming! Wir freuen uns, dass Sie da sind.

(Allgemeiner Beifall)

Unser Willkommensgruß gilt ebenso einem anderen Freund Nordrhein-Westfalens, dem Botschafter der Volksrepublik China in Deutschland, Herrn Shi Mingde. Herzlich willkommen, Herr Botschafter!

(Allgemeiner Beifall)

Unser Gruß gilt auch allen anderen Mitgliedern der Delegation. Wir wünschen Ihnen eine gute Zeit in unserem Land Nordrhein-Westfalen mit erfolgreichen Gesprächen und möglichst vielen Verabredungen für die Zukunft. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert pflegen wir die Kontakte zwischen Nordrhein-Westfalen und unserer Partnerprovinz Sichuan mit großem Erfolg. Wir freuen uns darauf, diese Zusammenarbeit weiterzuentwickeln und fortzusetzen. Alles Gute! Herzlichen Dank für Ihren Besuch im Landtag Nordrhein-Westfalen!

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, wir schreiten in der Debatte fort. Das heißt, dass ich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Brems

(Wibke Brems [GRÜNE] wartet schon in der Nähe des Redepults.)

wie konnte ich Sie nur einen Moment aus dem Blick verlieren, Frau Kollegin – das Wort erteile. Bitte schön.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ein herzliches „Ni hao!“ an die chinesischen Gäste. – Aus welcher Energiestruktur kommen wir? Ich möchte einen kurzen Blick zurückwerfen, um deutlich zu machen, vor welchen Veränderungen wir stehen und warum ein solches Pilotprojekt eines virtuellen Kraftwerks so wichtig ist – auch für Nordrhein-Westfalen.

Anfang der 90er-Jahre hatten wir in Deutschland noch einen Anteil an erneuerbaren Energien am Strom von 3,4 %. Damals gab es vor allen Dingen die großen Strukturen, die großen Kraftwerke in Gigawattgröße, also mit Millionen Kilowatt. Wir hatten die großen Stromtrassen, die sich zwar immer weiter verzweigten, aber im Grunde genommen Einbahnstraßen waren.

In den letzten 14 Jahren haben sich dagegen enorme Entwicklungen und Veränderungen vollzogen – weg von großen Kraftwerken hin zu kleinen erneuerbaren Einheiten im Kilowattbereich, aber natürlich auch in mittleren Größen, weg von den großen Strukturen, weg von den großen Energieversorgern hin zu den kleinen erneuerbaren Energienanlagen. Von 3,4 % im Jahre 1990 kommend sind wir bei einem Anteil von 24 % erneuerbaren Energien hin zu Anlagen gekommen, die nicht permanent zur Verfügung stehen, hin zu Privatpersonen, denen diese Stromerzeugungsanlagen gehören. Mittlerweile gehören 40 % der erneuerbaren Energienanlagen Privatpersonen. Die großen Energieversorger haben nur noch einen Anteil von 6,5 %. Wir entwickeln uns hin zu Stromleitungen, die auf einmal viel größere Voraussetzungen erfüllen müssen, weil an den Stellen, wo bisher nur Strom verbraucht wurde, auch Strom erzeugt wird.

Diese eben beschriebenen radikalen Veränderungen haben das Geschäft der Versorgungssicherheit zugegebenermaßen erst einmal nicht einfacher gemacht. Aber es gibt schon längst die technischen Ideen und Umsetzungen. Eine dieser Ideen ist das hier beschriebene virtuelle Kraftwerk. Mein Kollege Herr Schmeltzer ist schon tiefer darauf eingegangen. Deswegen möchte ich nur ergänzen, dass wir der Meinung sind, dass Nordrhein-Westfalen ideale Voraussetzungen hat, um genau ein solches virtuelles Kraftwerk in diesem Bundesland tiefer und mehr in die Breite gehend anzuwenden. Zum einen haben wir nämlich große Ausbauziele für die erneuerbaren Energien. Das heißt, auch dort passiert in nächster Zeit noch viel. Wir haben dafür gute Voraussetzungen.

Ein wichtiger weiterer Punkt ist, dass wir die Industrie haben, die den Strom verbraucht. Denn um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, dürfen wir nicht immer nur auf den Bereich der Stromerzeugung schauen. Wir müssen uns auch den anderen Bereich ansehen, wo, wann und wie eigentlich Strom verbraucht wird. Dieses Gegengewicht – das stellt vor allem die Industrie, aber natürlich auch die Ballung der vielen Energieverbraucher im Privaten dar. Da besteht das große Potenzial, den ersten Ausgleich hinzubekommen. Im Zusammenspiel mit Speichern, mit flexibel regelbaren Kraftwerken ist das dann als gesamtes großes virtuelles Kraftwerk zu begreifen und umzusetzen.

Ich bin davon überzeugt, mit diesem Politprojekt können wir praktisch und zusammen mit der Industrie und mit allen, die in Nordrhein-Westfalen innovativ unterwegs sind, zeigen, dass wir das, was wir eigentlich schon lange wissen, auch wirklich hinbekommen: die Vollversorgung mit erneuerbaren Energien und gleichzeitige Versorgungssicherheit. Das wollen wir bei uns in Nordrhein-Westfalen im Industrieland und Energieland Nummer eins zeigen. Daher bitte ich um die Unterstützung für unseren Antrag. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brems. – Für die CDU-Fraktion erteilte ich Herrn Kollegen Kufen das Wort.