Protokoll der Sitzung vom 05.06.2014

Der Empfehlung, dass unser Antrag zunächst im federführenden Fachausschuss weiter beraten wird, kann ich ausdrücklich zustimmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kruse. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Stotko das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, Herr Kollege Kruse, über diesen Antrag der CDU. Denn direkt zu Beginn haben Sie in Ihrem Antrag die von mir sehr geschätzte Kollegin Nancy Faeser als Kronzeugin benannt. Sie ist innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im hessischen Landtag. Da ich die Kompetenz meiner Kollegin sehr schätze, kann Ihr Antrag erst einmal gar nicht so falsch sein, um es mal so herum zu formulieren. – Im Übrigen macht mich das ein bisschen stutzig, wenn Sie als Kronzeugin jemanden von der SPD benennen. Aber ein bisschen stolz macht es mich und uns eigentlich auch.

In der Sache selbst kann ich dem Antrag nicht nur aus Gründen des Themas „Gewalt gegen Polizeibeamte“ einiges abgewinnen. Bei einer MiniSchulterkamera geht es nämlich auch um Eigensicherung, um Beweissicherung sowie um Transparenz von staatlichem Handeln im Wege des Gewaltmonopols.

Gerade das Thema „Gewalt gegen Polizeibeamte“ haben wir hier in Nordrhein-Westfalen dank unserer Untersuchung und der kräftigen Mithilfe des Ministeriums in den Fokus gerückt – losgelöst übrigens, Kollege Kruse, von dem reflexhaften Ruf nach höheren Strafen. Ich denke, dass wir schon mit den Ergebnissen dieser Untersuchung auf das Problem aufmerksam gemacht haben.

Zu Recht erwarten die Kolleginnen und Kollegen der Polizei jetzt von der Politik, von uns, auch eine Antwort auf dieses Problem. Und eine Antwort können tatsächlich auch diese Mini-Schulterkameras sein.

Aber zur Wahrheit gehört nach meiner Einschätzung auch, dass eine solche Einführung das in weiten Teilen ja vorhandene Vertrauensverhältnis zwischen Polizei und Bürgerschaft eher belasten als verbessern könnte.

Wie wollen wir verhindern, dass unsere Polizei als einer der Repräsentanten der Staatsmacht unter Berücksichtigung unserer aktuellen Debatten um Datenschutz, Ausspähen und NSA-Unter

suchungsausschuss schnell den Eindruck einer überwachenden Staatsmacht vermittelt?

Wie können wir dafür sorgen, dass wachsame Bürgerinnen und Bürger, die heute gerne im Rahmen eines Einsatzes einem Polizeibeamten oder einer beamtin eine Information übermitteln, das weiter machen können, ohne dass sie dabei gefilmt oder sogar mit Ton aufgezeichnet werden?

Wie lösen wir übrigens das in Hessen vorhandene Problem, dass nach dem Vier-Augen-Prinzip eine Aufnahme gelöscht wird, später aber eine Strafanzeige dazu führt, dass nachgefragt wird: „Gibt es diese Aufnahme?“, worauf man dann sagen muss: „Nein, zwei Polizeibeamte haben das gelöscht“? Wir reden hier ja nicht über Strafvereitelung oder Beweisunterdrückung. Das Vertrauen in den Rechtstaat würde – meine ich zumindest – ein solches Verhalten nicht gerade steigern, wenn die Aufnahme nicht mehr da ist, die ein Strafverteidiger oder eine Bürgerin, ein Bürger unbedingt bräuchte, für was auch immer.

Wir sehen auch die Gefahr, dass es mit einem Pilotprojekt beginnt – in einer bestimmten Region, wie Sie gesagt haben, an einem Kriminalitätsschwerpunkt. Und dann ist es wie sonst auch mit der Salami, die man anschneidet: Dann kommt zum Bild der Ton dazu; dann sind es weitere Regionen; dann nutzen wir es immer einsatzbedingt und nicht nur regionalbedingt; dann ist es landesweit im Einsatz – und am Ende dieses Prozesses, den wir heute beginnen würden, ist es ein generelles und stetiges Beweismittel im Strafverfahren. Diese Gefahr wollen wir hier zumindest auch mal thematisieren.

Die Debatte darüber, dass wir das Vorurteil ständiger – behaupteter – polizeilicher Übergriffe bedienen, ähnelt der Diskussion über die Kennzeichnungspflicht. Das ist mir zu wenig Sachlichkeit in einer solchen Frage. Sachlichkeit gehört bei einer solchen Debatte, wie wir finden, aber dringend dazu.

Bis jetzt ist mir auch nicht klar, wie wir es lösen, dass Tausende von Polizisten mit Schulterkameras unterwegs sind, ob die Bürgerinnen und Bürger das – wie ich derzeit hoffe – genauso positiv bewerten würden.

Solche Fragen sind nicht geklärt.

Weil diese Fragen so unklar sind, Herr Kollege Kruse – das war fast schon eine Steilvorlage, wenn ich das mal sagen darf –, meine ich, man sollte den Versuch in Hessen weiter begleiten und nach dessen ordnungsgemäßer Evaluierung das Thema hier in Nordrhein-Westfalen wieder aufrufen, um zu gucken, ob und, wenn ja, wie man ein solches Projekt hier machen will. Deshalb ist die SPD-Fraktion auch ausdrücklich dankbar dafür, dass jetzt keine direkte Abstimmung vorgesehen ist.

Ich möchte jetzt völlig unabgesprochen mit allen anderen – sogar meiner eigenen Fraktion – ausdrücklich anregen – ich weiß, Sie sind kein Freund von Informationsfahrten –, dass wir im Rahmen der

Beratungen im Ausschuss nach Frankfurt fahren, uns das vor Ort anschauen und sowohl den Einsatz dieser Kameras selber begleiten als auch Gespräche führen. Ich hoffe, dass das besser funktioniert als unsere bisher geplante Fahrt nach RheinlandPfalz zum Thema „polizeiliche Ausbildung“. Ich fände diese Fahrt gut, weil wir dann sehen, ob das eine gute Sache sein könnte.

Deshalb nehmen Sie, geschätzter Kollege Kruse, hier am Ende der Diskussion mit, dass die SPDFraktion sich mit dem Antrag gerne weiter intensiv beschäftigt. Unter Berücksichtigung aller Interessen und Belange kommen wir hoffentlich zu einer sachdienlichen Diskussion. Deshalb stimmen wir natürlich ausdrücklich der Überweisung zu. – Besten Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Stotko. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Kollegen Bolte das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Man muss erst mal anerkennen: Die CDU hat sich mit diesem Antrag beeilt. Sie haben ihn wenige Tage vor der Kommunalwahl vorlegen wollen, damit Sie das Thema „Body-Cams“ noch als knalligen Effekt präsentieren können.

(Theo Kruse [CDU]: So ein Quatsch!)

Nur, für das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, gibt es in Nordrhein-Westfalen keine Grundlage. Es gibt zum einen keine Grundlage im Polizeirecht, im Polizeigesetz. Es gibt zum anderen auch keine Grundlage in der Kultur, mit der Polizeiarbeit in diesem Land gemacht wird.

Die CDU zeigt damit aus unserer Sicht wieder einmal: Sie ist nicht auf dem Stand der innenpolitischen Debatte. Für sie gibt es immer nur „höher, schneller, weiter“. Für sie heißt Innenpolitik – wenn man so will – Aufrüstung, ob das nun die BodyCams sind oder die Taser, mit denen uns der Kollege Golland in gefühlt jeder zweiten Innenausschusssitzung behelligt. Das ist einfach nicht die Art, wie wir Innenpolitik machen, wie wir als rotgrüne Koalition Innenpolitik verstehen. Und das ist gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Polizeikultur in Nordrhein-Westfalen ist eine andere als die, die Sie von der CDU sich wünschen. Ich sage deutlich: Ich habe mich sehr gefreut sowohl über die Ausführungen, die der Kollege Stotko gerade zum Besten gegeben hat, als natürlich auch über die Positionierung des Innenministers, der immer ganz klar nach vorne gestellt hat, dass wir hier im Land Nordrhein-Westfalen eine andere Polizeikultur haben. Denn die nordrhein-westfälische Poli

zei tritt den Bürgerinnen und Bürgern in einer Kultur des Vertrauens gegenüber. Das wollten Sie noch nie anerkennen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Auch heute zeigen Sie wieder einmal, dass Sie diese Kultur eigentlich aktiv hintertreiben wollen. Aber das Vertrauen, das die Polizei in weiten Teilen der Bevölkerung genießt, darf man nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

Sie erklären in Ihrem Antrag, hessische Beamtinnen und Beamte, die mit Body-Cams ausgestattet seien, müssten eine Warnweste mit der Aufschrift „VideoÜberwachung“ tragen. Da muss man sich schon fragen: Glauben Sie ernsthaft, Herr Kollege Kruse, dass sich eine Bürgerin oder ein Bürger mit dem gleichen Vertrauen, mit dem Gefühl der gleichen Augenhöhe an diese Beamtin oder an diesen Beamten wendet? Glauben Sie, dass die sich völlig ohne Vorbehalte an die Polizistin oder den Polizisten wenden?

Wir wollen im Land Nordrhein-Westfalen eine Polizei, auf die die Menschen positiv zugehen können. Wir wollen nicht, dass die Menschen von der Polizei abgeschreckt sind.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Im Übrigen, meine Damen und Herren, muss man die Validität des hessischen Versuchs durchaus kritisch hinterfragen. Man muss auch hinterfragen, ob Body-Cams Beamtinnen und Beamten tatsächlich mehr Schutz bieten. In der Diskussion um die Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sowie gegen Rettungskräfte wird oft mit der Abschreckung argumentiert. Das ist ausdrücklich eine wichtige Diskussion, die wir an verschiedenen Stellen führen. Man muss sich dabei aber auch immer vergegenwärtigen: Übergriffe, auf die man reagieren möchte – das ist durchaus ein legitimes Anliegen –, geschehen oft aus einer Situation heraus, in der sich ein Täter keine Gedanken darüber macht, ob er gerade gefilmt wird oder nicht. Und wenn wir diesen Aspekt berücksichtigen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann müssen wir auch danach fragen, ob die mit dem Einsatz von Body-Cams verbundenen Grundrechtseingriffe tatsächlich gerechtfertigt sind.

Herr Kollege, ich unterbreche Sie, weil zwei Abgeordnetenkollegen Ihnen gerne eine Frage stellen würden, und zwar erstens Herr Kollege Sieveke und zweitens Herr Kollege Kruse. Würden Sie die Fragen zulassen?

Gut, dann fangen wir mit Herrn Kollegen Sieveke an. – Bitte schön.

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Abgesehen davon, dass natürlich nicht jeder Polizeibeamte bzw. jede Polizeibeamtin mit einer Body-Cam und mit einer Schutzweste mit dem Aufdruck „Video-Überwachung“ ausgestattet wird: Sie sprachen eben von dem Vertrauen, das die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land in die Polizei haben. Damit suggerieren Sie, dass die Kultur in Hessen von Misstrauen geprägt ist und Bündnis 90/Die Grünen dort ein Verhalten an den Tag legt, dieses Misstrauen noch zu verschärfen. Darf ich das Ihren Ausführungen entnehmen? Denn Sie stellen jedes Mal einen Vergleich zwischen Hessen und Nordrhein-Westfalen an und sprechen von Vertrauen. Dann müssen Sie auch den Umkehrschluss zulassen, dass Sie in Hessen von einem Misstrauen der Menschen ausgehen, aber auch Misstrauen gegenüber Ihrer eigenen Fraktion in Hessen haben.

(Gregor Golland [CDU]: Genau! Das ist doch Schwarz-Grün, oder?)

Der Kollege Golland weist darauf hin, wie die Koalitionsverhältnisse in Hessen sind. Damit hat er recht. Das hat er richtig erkannt; das ist ja auch schon mal was.

Kollege Sieveke, um Ihre Frage zu beantworten: Bei den Grünen ist es nicht üblich, dass man sich gegenseitig kluge Ratschläge zureicht. Es mag sein, dass das bei der CDU anders ist. Das wissen wir. Bei Ihnen erzählt man sich auch gerne mal, wo man tot über dem Zaun hängen will und wo nicht. Das ist bei uns anders. Wir respektieren unterschiedliche Herangehensweisen, unterschiedliche Entschei

dungen. Man muss ja auch die Situation in Hessen berücksichtigen. Der Modellversuch läuft dort seit Mitte vergangenen Jahres. Welche Dynamik ein solcher Modellversuch entfaltet, das hat Kollege Stotko gerade schon völlig zutreffend ausgeführt.

Es steht Ihnen ja völlig frei, lieber Kollege Sieveke, den Modellversuch in Hessen weiter zu beobachten. Wenn Sie das richtig finden, dann können Sie den natürlich weiter verfolgen.

Die Kultur, mit der die Polizei den Bürgerinnen und Bürgern in Nordrhein-Westfalen begegnet, ist von Offenheit geprägt. Dass diese Offenheit besteht, ist gut so. Die wollen wir unter keinen Umständen riskieren.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Herr Kollege Kruse hat seine Frage inzwischen zurückgezogen. Sie können somit fortfahren, Herr Kollege Bolte.

Na gut. Ich war eigentlich an einer ganz anderen Stelle, Herr Präsident, liebe

Kolleginnen und Kollegen. Ich wollte noch einige Sätze zur Frage der Abschreckung und zur Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sowie gegen Rettungskräfte sagen. Ich habe bereits ausgeführt, dass das eine sehr wichtige und sehr relevante Diskussion ist, dass aber die Eingriffe in die Grundrechte, die mit Body-Cams verbunden sind, nach allem, was wir wissen, offensichtlich nicht gerechtfertigt sind.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Darüber hinaus muss man sich vergegenwärtigen – Herr Kollege Sieveke, Sie haben ja offenbar eben kurzzeitig interessiert zugehört –, dass es sich möglicherweise um eine Scheinsicherheit handelt.

(Zurufe von der CDU)

Das muss man auch immer berücksichtigen.