Protokoll der Sitzung vom 05.06.2014

Vielen Dank, Herr Minister Remmel. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit sind wir am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen erstens über den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/5969 ab. Die antragstellenden Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt. Wir stimmen also direkt ab. Wer ist für diesen Antrag? –

(Zuruf von den GRÜNEN: Ich! – Vereinzelt Heiterkeit)

SPD-Fraktion, grüne Fraktion, Piratenfraktion. Wer ist gegen diesen Antrag? – CDU und FDP sowie Herr Stein, fraktionslos. Gibt es Enthaltungen im Hohen Hause? – Es gibt keine Enthaltungen. Damit ist der Antrag Drucksache 16/5969 mit den Stimmen von SPD, Grünen und Piratenfraktion angenommen.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 16/6039. Wer stimmt dieser Entschließung zu? – CDU und FDP sowie Herr Stein, fraktionslos. Wer stimmt gegen diese Entschließung? – Die SPD-Fraktion, die Grünen und die Piratenfraktion. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Entschließung Drucksache 16/6039 mit den Stimmen der SPD, der Grünen und der Piratenfraktion abgelehnt.

Wir kommen zu:

6 Sicheren Aufenthalt für Edward Snowden in

Deutschland!

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/4439

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Europa und Eine Welt Drucksache 16/5979

Der Antrag der Fraktion der Piraten wurde gemäß § 82 Abs. 2 Ziffer b unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Europa und Eine Welt überwiesen mit der Maßgabe, dass eine Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Piratenfraktion Herrn Kollegen Schwerd das Wort.

Herr Präsident! Liebe ausspionierte Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge

ehrte total überwachte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Wir feiern heute ein trauriges Jubiläum. Vor genau einem Jahr wurden die ersten Enthüllungen Edward Snowdens bekannt. Seitdem wird er von der US-Regierung verfolgt, der Snowden mehrfachen Verfassungsbruch nachgewiesen hat. Die USA haben seinen Pass eingezogen und üben massiven Druck auf alle Regierungen aus, die ihm sicheren Aufenthalt gewähren wollen. Menschen, Journalisten und Abgeordnete werden bedroht, nur, weil sie mit ihm sprechen wollen.

Ausgerechnet in Russland – wahrlich kein Hort von Demokratie und Freiheit – hat Snowden befristetes Asyl gefunden. Und warum? Weil alle anderen Staaten inklusive Deutschland sich vor den Wildwestmethoden der USA wegducken. Das ist armselig.

(Beifall von den PIRATEN)

Dabei haben wir Snowden unendlich viel zu verdanken. Durch ihn wissen wir, dass Deutschland und gerade NRW im Fokus der Five-EyesSpionageallianz steht. Dank Snowden wissen wir, dass die Überwachung durch westliche Geheimdienste totalitär ist. Dank Snowden wissen wir, dass US-amerikanische und britische Geheimdienste die Kommunikation unserer Verfassungsorgane ausspionieren bis hin zum Handy der Kanzlerin und anderer Regierungsmitglieder, auch auf Landesebene.

Keiner hier im Saal sollte glauben, er wäre davon ausgenommen.

Wir sollten Edward Snowden aus mehreren Gründen nach Deutschland holen. Zuallererst, weil wir unsere Verfassung ernst nehmen,

(Beifall von den PIRATEN)

und zweitens, um Snowden zu schützen. Drittens: weil wir ihn als Kronzeugen brauchen. Er kann uns detailliert Auskunft darüber geben, welche Verbrechen westliche Geheimdienste in Deutschland begangen haben und fortwährend begehen.

Snowden war ausgebildeter Geheimagent mit einer Tarnidentität und mit der Überwachung Deutschlands selbst befasst. Er wird persönlich noch sehr viel mehr Informationen haben, als bislang bekannt geworden ist. Snowden muss Gelegenheit haben, vor einer deutschen Staatsanwaltschaft und vor deutschen Untersuchungsausschüssen frei, ohne Angst vor Abhörung oder Nachteilen auszusagen. Dies müsste Staatsraison sein.

(Beifall von den PIRATEN)

Viertens: schlicht und ergreifend als Zeichen unseres Dankes.

Schließlich: Wie wollen wir zukünftig mit Whistleblowern umgehen? Niemand hier im Saal spricht Snowdens Enthüllungen ihre Bedeutung ab. Wie sollen zukünftig Menschen den Mut finden, Skanda

le aufzudecken, wenn wir so schäbig mit Snowden umgehen? Das ist eine Schande!

(Beifall von den PIRATEN)

Unsere Regierung ist zu feige, Snowden aufzunehmen oder anzuhören. Wichtiger als Demokratie und Freiheit ist ein sogenanntes Staatswohl. Doch wo steht denn dieses Staatswohl im Grundgesetz? Was ist denn diese transatlantische Freundschaft? Greift man Bürgerrechte von Freunden an? Hört man die Kommunikation befreundeter Regierungen ab? Wird Deutschland von der NSA als lohnendes Angriffsziel bezeichnet, weil wir so gut befreundet sind? Eine Regierung, die die Totalüberwachung der deutschen Gesellschaft so ungerührt hinnimmt, ohne die Verantwortlichen in den USA und England in die Schranken zu weisen, die leidet an einem akuten Minderwertigkeitskomplex.

(Beifall von den PIRATEN)

Wer im Namen der Freundschaft bereit ist, alles hinzunehmen, der verwechselt Freundschaft mit Unterwürfigkeit und Kriecherei.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich finde das widerwärtig.

Edward Snowden hat alles aufgegeben, was er besaß, damit wir in Freiheit leben können. Er war nie auf seinen persönlichen Vorteil bedacht. Er verkörpert Werte, die manchen Politikern offensichtlich fehlen: Aufrichtigkeit, Mut und staatsbürgerliche Verantwortung.

Es gibt nur einen Grund, warum Edward Snowden nicht nach Deutschland kommt: Feigheit vor der Realität und ein jämmerliches Versagen im Amt. Ein Verrat am Amtseid. Das ist beschämend!

(Beifall von den PIRATEN)

Ersparen Sie sich und uns allen, weiterhin ein derartiges Resümee ziehen zu müssen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Schwerd. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Münchow.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schwerd, ich muss sagen, dass ich vor dem Landtag von Nordrhein-Westfalen stehe. Ich hatte aber gerade fast den Eindruck, ich stände eigentlich vor dem Bundestag. Die Rede, die Sie gerade gehalten haben, haben Sie am völlig falschen Ort gehalten.

Wenn Sie sich schon mit der Verfassung beschäftigen, sollten Sie sich einmal mit den verfassungsgebenden Organen insgesamt beschäftigen. Dann werden Sie feststellen, dass der Landtag von Nord

rhein-Westfalen weder für die Sicherheit von Herrn Snowden sorgen noch ihn irgendwie anders schützen kann. Dazu ist das Land Nordrhein-Westfalen nicht in der Lage. Ich gehe auch sicher davon aus, dass auch alle anderen Redner, die gleich reden werden, dasselbe zu diesem Thema sagen werden.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Schwerd?

Natürlich gestatte ich eine Zwischenfrage.

Herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Wer ist denn zuständig dafür, die 18 Millionen Einwohner Nordrhein-Westfalens vor der Verletzung ihrer Privatsphäre und die 760.000 kleinen und mittelständischen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen vor Wirtschaftsspionage zu schützen, wenn nicht das Land Nordrhein-Westfalen, wenn es sonst niemand tut? Ist dafür niemand zuständig?

Vielen Dank, Herr Schwerd. – Doch, natürlich. Wir haben doch gerade festgestellt, dass es eine freiheitlich-demokratische Ordnung gibt. Dafür ist die Bundesregierung zuständig und nicht das Land Nordrhein-Westfalen.

(Lachen von den PIRATEN)

Sie werden im Verlauf meiner weiteren Rede vielleicht sogar zum selben Schluss kommen. Ich bin gespannt darauf. Sie können ja zuhören.

Im Kampf gegen den Terrorismus müssen wir eben alle Opfer bringen. Wer wird denn da so empfindlich sein? – Ich finde, das darf man eben nicht machen. Natürlich sind wir nicht im Kampf gegen den Terrorismus und müssen nicht diese Opfer bringen, auf die Sie gerade hingewiesen haben, Herr Schwerd. Nein, natürlich nicht. Natürlich ist es nicht hinnehmbar, dass das Handy der Kanzlerin abgehört wird. Aber natürlich ist es auch nicht hinnehmbar, dass wir als Abgeordnete, Sie, liebe Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne, und alle anderen, die zuhören, von einem amerikanischen oder britischen Geheimdienst abgehört werden. Das ist in der Tat nicht das, was wir uns vorstellen. Wir wünschen nicht, dass das mit uns gemacht wird. Darauf werde ich ganz klar eingehen. Das wollen auch wir nicht.

Dass Edward Snowden einen großen Teil dazu beigetragen hat, dass wir überhaupt wissen, dass das passiert, ist ganz klar. Dafür gebührt ihm unser Dank.

Aber ihn, einen Spion des amerikanischen Geheimdienstes, der uns vorher ausgespäht hat – genau das hat er nämlich getan, sonst hätte er diese Informationen nicht –, hier als Helden hinzustellen,

dazu sage ich ganz offen: Ihn in diesen Status zu heben, das ist nicht meine Welt. Ich werde auch nicht einen Kronzeugen plötzlich zu einem Helden machen, der er nie war. Natürlich hat er Dinge getan, die uns in der Tat weiterhelfen.