Protokoll der Sitzung vom 03.07.2014

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der CDU)

Daher denke ich, dass das kein zielführender Beitrag zur Debatte über die Transparenz von Nebentätigkeiten ist. Wir haben andere Methoden, um uns miteinander auszutauschen. Das scheint eine relativ hilflose Reaktion darauf zu sein, dass wir hier gemeinsam einen Gesetzentwurf vorgelegt haben.

Ja, es hat uns ein bisschen Geduld abverlangt, bis dieses Papier vorlag und der Gesetzentwurf eingebracht werden konnte. Allerdings hat sich dieser Prozess aus Sicht der grünen Fraktion gelohnt. Denn wir sind hier anders verfahren als im Deutschen Bundestag. Dort haben sich die regierungstragenden Fraktionen etwas überlegt, und das bekam die Opposition dann übergestülpt.

So sind wir hier nicht verfahren. Vielmehr haben wir uns diesem intensiven Prozess, der sehr viele Detailfragen beinhaltet, gemeinsam gestellt, und das macht die Qualität dieses Gesetzentwurfs jetzt auch aus. Denn die meisten Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses erachten es als ihre Pflicht, sich so zu verhalten. Das ist das Votum der Kolleginnen und Kollegen, und das ist meiner Meinung nach ein wichtiges Signal für die Bürgerinnen und Bürger, wie viel uns an Transparenz liegt, wie differenziert wir dieses Thema behandelt haben und dass wir diesen Auftrag verstanden haben, das Thema „Nebentätigkeiten“ offenzulegen.

Dabei haben wir auch die Besonderheiten des Landtags Nordrhein-Westfalen beachtet. Denn unser Parlament – auch das ist in der Anhörung sehr deutlich geworden – ist anders konstituiert. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass die Kolleginnen und Kollegen in der Regel zehn Jahre Mandatsträger und Mandatsträgerinnen sind. Das heißt, es gibt ein Leben vor dem Parlament, und es gibt ein Leben nach dem Parlament. Insofern muss es möglich sein, eine Berufstätigkeit wieder aufzunehmen, und für einige Berufe ist es sogar notwendig, diese während der Abgeordnetentätigkeit zu praktizieren.

Auch der von den Piraten eingeladene Sachverständige Hans Herbert von Arnim hat noch einmal betont, dass es verfassungsmäßig geboten sei, auch Nebentätigkeiten zuzulassen, und dass es unverfassungsmäßig wäre, sie komplett zu untersagen.

Dabei ist ganz klar, dass das Mandat im Zentrum der Tätigkeiten steht und dass für alle Bürgerinnen und Bürger abzulesen sein muss, dass vor allen Dingen keine interessengeleiteten Aktivitäten über Nebentätigkeiten verbunden werden können. Deswegen haben wir zwei Säulen eingezogen.

Wir von der grünen Fraktion machen das schon seit zehn Jahren, seit dem wir das neue Abgeordnetengesetz in Nordrhein-Westfalen auf den Weg gebracht haben, und veröffentlichen jedes Jahr in Euro und Cent unsere Jahreseinkommen und wo Nebentätigkeiten sind und wie diese ausgewiesen werden.

Wir haben hier ein Stufenmodell gewählt, das sehr große Transparenz schafft und sich für alle Bürgerinnen und Bürger einordnen lässt. Denn wir haben alleine sieben Stufen bis zur Summe von 30.000 €, die den Jahresbetrag oder Monatsbetrag deutlich machen. Darüber hinaus geht es in 30.000er-Stufen immer weiter.

Das ist der große Unterschied zu der Bundestagsregelung. Da gibt es irgendwo die Grenze bei 250.000 € Einnahmen an Nebenverdiensten, und dann ist das nach oben offen, und keiner weiß mehr, welcher Betrag es denn ist: 250.000 plus 1 €, oder kommen da noch einmal 250.000 € hinzu. Nein, wir veröffentlichen konsequent immer in 30.000er-Schritten.

Bei den besonders interessanten Dingen – da, wo Gutachten angefertigt werden, da wo es um Vorträge geht, das, was Aufsehen erregt hat; wir erinnern uns im Vorfeld der Bundestagswahl an solche Vortragstätigkeiten – sind alle Abgeordneten in Zukunft verpflichtet und nehmen es selbst als ihre Pflicht wahr, auf Euro und Cent zu veröffentlichen. Das ist eine gute Variante, die wir hier miteinander gefunden haben. Es ist wichtig, dass das von allen so getragen wird.

Wir gehen gemeinsam in eine Anhörung hinein. Dabei wird man noch einmal sehr deutlich machen, dass diese Regelung kein zahnloser Tiger ist, weil,

wenn Abgeordnete dieser Pflicht nachkommen und die Pflichtverletzung nachgewiesen wird, die Präsidentin die Möglichkeit hat, ein Ordnungsgeld in Höhe bis zu einer halben Jahresdiät zu verhängen. Das wird natürlich im Einzelfall sehr intensiv geprüft.

Ich entnehme der heutigen Debatte und dem, was hier im „Kasperle Theater“ vorgeführt wird, dass wir uns in der Anhörung auch über Verhaltensregeln für Abgeordnete in diesem Haus unterhalten sollten, damit wir uns dann über die Würde des Hauses, das Umgehen miteinander und gezielte Provokationen unterhalten. Das nehme ich als Aufgabe mit in die Anhörung.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der CDU – Zuruf von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Freimuth.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Beer, auf der einen Seite muss man natürlich sagen, dass diese transparenten Westen nur nach außen hin eine gewisse Transparenz andeuten, tatsächlich aber – ich füge hinzu: nach meinem persönlichen Geschmack auch Gott sei Dank – wesentliche Dinge dann doch eben nicht transparent sind. Aber das nur als Vorbemerkung an der Stelle!

(Heiterkeit und Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Das wäre definitiv mit der Würde des Hauses auch bei großzügigster Auslegung sicherlich nicht mehr vereinbar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, ich möchte auf die eher technischen Regelungen zum Versorgungswerk und zur Mitarbeiterpauschale nicht weiter eingehen, sondern erlaube mir lediglich einige Anmerkungen zu den Regelungen zu Nebentätigkeiten der Landtagsabgeordneten.

Das Leitbild der parlamentarischen Tätigkeit, auch im Landtag Nordrhein-Westfalen, ist das eines Vollzeitparlamentariers, der seine Arbeitskraft der parlamentarischen Tätigkeit widmet. Die Abgeordnetenentschädigung – landläufig auch „Diät“ genannt – legt den Grund für eine unabhängige Mandatsausübung.

Die parlamentarische Tätigkeit ist, wie wir alle sicherlich bestätigen können, eine interessante und spannende. Ziel von uns Demokraten muss es sein, Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft immer wieder auch für eine aktive Tätigkeit, für die Wahrnehmung eines Mandates zu gewinnen, und das zu jeder Wahl neu. Diese Wahlen finden bei uns in der Tat alle fünf Jahre statt. Gemessen an einem gesamten Berufsleben sind fünf Jahre ein

sehr kurzer Zeitraum, und eine Wiederwahl ist weder ein Automatismus noch von irgendjemandem zu garantieren.

Damit stellt sich zwangsläufig – mehr oder weniger auch eingestanden – für jeden Abgeordneten immer wieder die Frage: Was wäre denn, wenn ich nicht wiedergewählt werde? Wie gelingt mir die Rückkehr in meinen Beruf oder der Einstieg in einen anderen im Falle des Falles?

Die Berufswelt entwickelt sich weiter, Globalisierung und Innovation geben neue Impulse, weshalb der Wieder- oder Einstieg in einen außerparlamentarischen Beruf nach einer Mandatstätigkeit auch eine Herausforderung darstellt. Viele scheuen im Übrigen genau deshalb auch die Bewerbung um ein Parlamentsmandat. Wieder andere sind möglicherweise aus Sorge, dass ihnen der Wiedereinstieg in den zivilen Beruf, in die zivile Existenz nicht gelingt, in ihrer Mandatsausübung nicht wirklich frei, weil der Mandatserhalt für sie auch die ökonomische Existenzsicherung darstellt.

Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten wollen aber Menschen aus allen Berufsgruppen und Qualifikationen – Freiberufler, Selbstständige, Arbeitnehmer – auch den Zugang zum Parlament ermöglichen und wollen auch, dass Abgeordnete ihr Mandat unabhängig und nur ihrem Gewissen und dem Volk verpflichtet wahrnehmen können. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass es auch Abgeordneten notwendigerweise erlaubt sein muss – so keine Aufhebung der Gewaltenteilung einhergeht –, ihre berufliche Existenz aufrechtzuerhalten und damit eine Rückkehr nach dem Ende des Mandats zu ermöglichen.

Auch ist für uns die Nutzung der im Mandat erworbenen weiteren Qualifikation für eine nebenberufliche oder gegebenenfalls spätere Anschlusstätigkeit legitim.

Nebentätigkeitsregelungen für Abgeordnete müssen deshalb so ausgestaltet sein, dass sie einerseits den Anforderungen eines Vollzeitparlaments entsprechen, andererseits aber auch berufliche Existenzen außerhalb des Parlaments nicht zerstören. Gleichwohl gibt es in diesem Spannungsfeld gegebenenfalls Interessenkonflikte, wenn beruflich verfolgte Partikularinteressen mit dem Gemeinwohlinteresse, dem der Abgeordnete verpflichtet ist, in Konflikt stehen.

Dem soll mit einer höheren Anforderung an Transparenz oder einer höheren Anforderung zur Transparenz dann auch Rechnung getragen werden. Wir haben deshalb seit vielen Jahren hier im nordrheinwestfälischen Landtag bereits Regelungen zur Transparenz von Nebentätigkeiten, die jetzt mit den vorliegenden Gesetzentwürfen erweitert werden sollen.

Wir werden sicherlich die eine oder andere Detailfrage in einer Sachverständigenanhörung dazu

noch prüfen. Ich bin zuversichtlich, dass wir den gemeinsam gefundenen Weg der Modernisierung und Weiterentwicklung auch weiterhin erfolgreich gemeinsam gehen. Ich freue mich auf die Beratungen und darf mich auch für den Weg dahin bei allen Teilnehmern in den Fraktionen, die daran mitgewirkt haben, herzlich bedanken. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP, der CDU und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Für die Piratenfraktion spricht der Kollege Marsching.

Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Meine Damen und Herren hier und zuhause! Danke, dass wir heute noch einmal über unseren Gesetzentwurf reden dürfen. Transparenz ist ein wichtiges Thema. Es ist super, dass wir hier so häufig darüber reden. Ach nein, das ist ja gar nicht unser Gesetzentwurf, sondern nur die billige Kopie.

(Beifall von den PIRATEN)

Frau Beer, die Westen – so sagten Sie gerade – seien ein hilfloses Signal. Das mag sogar so sein. Der vorliegende Gesetzentwurf wurde von allen hier im Hause vertretenen Parteien eingebracht, nur nicht von uns. Es wird immer wieder gesagt, wir wären nicht kompromissbereit. Tatsache ist doch, dass mit uns überhaupt nicht über diesen Entwurf geredet wurde und darüber, ob wir Ihnen in diesem Bereich entgegenkommen könnten trotz aller Signale, die wir vorher in diese Richtung gesendet haben.

(Beifall von den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, die Fraktionen von SPD, Grünen, CDU und FDP haben sich im Hinterzimmer dieses Landtags abgesprochen und präsentieren uns jetzt hier Gesetzentwürfe zum Thema „Vetternwirtschaft“ – darüber haben wir schon geredet – und zum Thema „Offenlegung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten“. Damit schreiben Sie sich Transparenz auf Ihre Fahne, streifen sich eine weiße Weste über

(Marc Herter [SPD]: Die Westen haben Sie an!)

und verkaufen das dem Bürger als Erfolg.

Aber was steht denn tatsächlich in den Gesetzentwürfen? – Sie bauen da ein schwammiges Stufenmodell für Nebeneinkünfte. Stufenmodelle, meine Damen und Herren, sind nicht transparent, sondern sind der Inbegriff von getrübter Wahrheit. Obwohl Stufenmodelle als Lösung bereits seit Peer Steinbrück und seiner Kanzlerkandidatur immer wieder durchgefallen sind, verkaufen Sie das hier als vermeintlichen Fortschritt.

Sie können das auch in unserem Gesetzentwurf nachlesen, aber ich erzähle es Ihnen gerne noch einmal: Ihr Gesetzentwurf geht einfach nicht weit genug. In dem Gesetzentwurf ist zum Beispiel – ich wiederhole mich da – keine Spur zur Angabe des Zeitaufwands der ausgeübten Nebentätigkeit zu finden.

Ein fiktives Beispiel: In Ihrem Gesetzentwurf fehlen uns die Angaben, wie viele Stunden ein Abgeordneter beispielsweise als Anwalt für ein Unternehmen in der Fracking-Branche arbeiten könnte.

Es fehlt die Angabe, dass ein Abgeordneter den größten Teil seiner Zeit lieber in Versicherungen macht, als sich um die Belange der Bürger zu kümmern. Es fehlen Angaben über ehrenamtliche Tätigkeiten, obwohl auch diese einen Interessenskonflikt auslösen können.

Interessenskonflikte wird es in der Politik immer geben; das ist auch überhaupt nicht schlimm. Aber gerade deshalb müssen wir sie dem Bürger transparent machen. Der Bürger muss die Grundlage der Entscheidung seines Volksvertreters kennen, um ihm vertrauen zu können. Das alles spielt in Ihren Entwürfen keine Rolle. Ihre Entwürfe sind kein Fortschritt in der Debatte, sie sind Stillstand und zementieren diesen. Das ist keine Transparenz!

(Beifall von den PIRATEN)

Durchsichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist höchstens die politische Taktik dahinter. Denn seit dem Jahr 2012 fordern wir Piraten hier immer wieder die Offenlegung der Nebentätigkeiten im Landtag.

Herr Kollege Marsching, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schulz von den Piraten zulassen?

Sehr gerne.

Vielen Dank, lieber Michele Marsching, dass du die Zwischenfrage zulässt. Gibt es möglicherweise eine Erklärung dafür, dass, wie Frau Kollegin Beer eben erklärte, die Grünen schon seit Jahr und Tag die Nebeneinkünfte auf den Cent genau vom ersten Cent an veröffentlichen – wir im Übrigen auch –, dieser Gesetzentwurf, an dem die Grünen mitwirken, das aber im Gegenteil nicht gewährleistet?

Die Grünen – das ist die einzige Erklärung, die ich habe – kennen das Modell der parlamentarischen Zwänge. Das hier scheint ein solcher Zwang zu sein, einen faulen Kompromiss eingehen zu müssen, obwohl man immer wieder und bis vor Kurzen gesagt hat: Unter dieser Forderung geht nichts. – Aber okay…