Protokoll der Sitzung vom 10.09.2014

(Beifall von der FDP und Dietmar Schulz [PIRATEN])

Notwendig wäre es, dass die Investitionsquoten in den Haushalten von Bund und Ländern erhöht werden. Alles andere wird keinen echten Beitrag leisten.

Wir nehmen mit Sorge wahr, dass sowohl hier im Land Nordrhein-Westfalen als auch bei der Großen Koalition in Berlin die Investitionsquoten bis 2017 sinken. Auch die Bundesregierung hat ihr ursprüngliches Ziel von 5 Milliarden € on top in der gegenwärtigen Haushaltsplanung des Bundes noch einmal relativiert. Selbst wenn es die 5 Milliarden € gäbe, würden die Investitionsleistungen des Bundes trotzdem noch sinken. Also, kein echter Problemlösungsbeitrag!

Im Gegenteil: Die Maut richtet Schaden an. Nordrhein-Westfalen ist ein weltoffenes Land. Europa ist ein Raum der Freiheit. Wir sollten nicht erlauben, dass wegen einer fixen Idee der CSU dieser Raum der Freiheit, dieser weltoffene Charakter unseres Landes eingeschränkt wird.

(Beifall von der FDP, Dietmar Schulz [PIRATEN] und Oliver Bayer [PIRATEN])

Dafür ist das zu wertvoll, zumal wir davon ja auch erheblich profitieren. Wir profitieren davon, dass beispielsweise im Sauerland Feriengäste als Konsumenten auftreten und übernachten. Wir profitieren davon, dass unsere Flughäfen genutzt werden,

auch aus dem nahen europäischen Nachbarschaftskreis. Wir haben den kleinen Grenzverkehr am Niederrhein, weil aus dem nahen Ausland Gäste hier einkaufen.

All das könnte wegfallen bei einer Vignettenpflicht, beim Pickerl. Allein schon die psychologische Wirkung – denken wir da an die Flugverkehrsabgabe –, sich etwas Neues an die Windschutzscheibe kleben zu müssen, kann erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten. Diesen Schaden müssen wir von Nordrhein-Westfalen abwenden, meine sehr verehrten Damen, meine Herren.

(Beifall von der FDP)

Deshalb danke ich der CDU, dass sie unserer Initiative beigetreten ist. Ich weiß, das ist nicht ganz einfach, aber es zeigt, dass Sensibilität für das Problem bei den Kolleginnen und Kollegen der Union vorhanden ist.

(Beifall von der FDP)

Eines verstehe ich aber nicht – und das bitte ich mir noch einmal zu erklären –: Warum hört diese großartige Idee der Freizügigkeit für die NRW-CDU bei den Autobahnen auf? Denn auch auf Autobahnen, auch auf der A3 nach Arnheim will ich keine Maut zahlen müssen.

(Beifall von der FDP und Jochen Ott [SPD])

Auch das brauchen wir nicht. Auch das schränkt ein. Es reicht nicht, nur gegen das Vorhaben nach dem Entwurf von Herrn Dobrindt zu sein, sondern im Koalitionsvertrag der Großen Koalition liegen das Problem und die Gefahr für Nordrhein-Westfalen. Deshalb müssen wir einen Beitrag dazu leisten, dass das verhindert wird.

(Beifall von der FDP – Zurufe von der CDU: Wir mussten ja auch die Hotelsteuer ma- chen!)

Bitte, wer hat das zugerufen?

(Zuruf von der CDU: Wir mussten ja auch die Hotelsteuer machen!)

Ja, das könntet Ihr jetzt jederzeit verändern. Die SPD kann ja dazu einmal einen Vorschlag machen in der Großen Koalition. Davon hat man nichts gehört. Deshalb ist das jetzt die Hotelsteuer der SPD, weil sie nicht gewünscht hat, das zu verändern.

(Beifall von der FDP – Allgemeine Heiterkeit)

Verehrte Kollegen, wir haben das gerade hier beim vorangegangenen Tagesordnungspunkt

„Hochschulfreiheitsgesetz“ gesehen. Das haben Sie ja, weil es Ihnen nicht gepasst hat, zu verändern begonnen. Gerade eben haben wir das erlebt. Wenn Ihnen die Hotelsteuer nicht passt – Sie haben die Mehrheit im Deutschen Bundestag und im Bundesrat –, ändern Sie das Gesetz! Also hören Sie auf mit dieser Polemik und ändern Sie es!

(Beifall von der FDP)

Doch es kommt nichts. Und das zeigt den Damen und Herren auf der Tribüne: Das war die vier Jahre lang vorgetragene Polemik von Sozialdemokraten, eine Flanke gegen die frühere Bundesregierung zu haben. Jetzt, wo Sie es könnten, machen Sie nichts.

(Beifall von der FDP)

Das zeigt, wie heuchlerisch manchmal Politik ist.

Zurück zum Thema! Ich hätte mir gewünscht, dass auch die Fraktionen von SPD und Grünen unserer Initiative beigetreten wären. Das wäre ein ganz klares Signal an den Bund gewesen. Sie haben es nicht getan, und deshalb darf man spekulieren, was dahinter die Absicht, was dahinter das Motiv ist.

Das entnehme ich Ihrem Entschließungsantrag, in dem ich lese, dass Sie die Lkw-Maut auf Fahrzeuge ab 3,5 t ausweiten wollen, und zwar auf allen Straßen.

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Wenn Sie mir die Polemik gestatten: Was für die CSU der Ausländer ist, sind für Sie Handwerk und Mittelstand mit ihren Fahrzeugen. Die sind für Sie schuld.

(Beifall von der FDP – Arndt Klocke [GRÜNE]: Oh Gott!)

Im Übrigen ist das, Kollege Klocke, auch kein Beitrag zur Deckung des Finanzierungsbedarfs;

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE]: Doch!)

denn Ihr Vorschlag beinhaltet 2,3 Milliarden. Das sind auch noch keine 7 Milliarden €. Es ist aber eine erhebliche Belastung für Handwerk und Mittelstand in diesem Land.

Wir haben vor wenigen Monaten hier ein Mittelstandsgesetz verabschiedet, bei dem Sie heilige Eide geschworen haben, dass Sie bei all Ihren Vorhaben den Mittelstand und das Handwerk fragen, ob sie damit einverstanden sind. Ich frage Sie: Was sagen die zu Ihrer Lkw-Maut ab 3,5 t? Haben Sie sie gefragt, oder war Ihr Mittelstandsgesetz genauso heuchlerisch wie die Kritik an der Hotelsteuer?

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Ott.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Lindner, offen gesagt: Wir hätten Sie mit Ihrer Rede zur Unterfinanzierung gar nicht gebraucht, denn seit Herbst 2010 erzähle ich das hier immer. Insofern war dieser Teil überflüssig.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Wir wissen das schon, und wir haben das in Nordrhein-Westfalen schon mehrfach festgehalten. Aber es ist schön, dass Sie das nachvollzogen haben.

(Beifall von der SPD)

Die Verkehrsinfrastruktur ist Bestandteil der zentralen Daseinsvorsorge; das ist klar. In NordrheinWestfalen haben wir besondere Besorgnisse; denn unsere Straßen, Brücken und Bahnlinien sowie die Binnenschifffahrt sind besonders betroffen. Die plastischen Beispiele dafür sind alle Brücken im Rheinland, von Düsseldorf bis Bonn, mit dem Symbol der A1 – wir haben hier zigmal darüber diskutiert – sowie die Brücken auf der Sauerlandlinie, der A45.

Nordrhein-Westfalen trifft die andauernde Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur seit vielen Jahren besonders hart, weil es die Wirtschafts- und Logistikdrehscheibe ist und gerade der Zustand der Bundesverkehrswege die Grundlage unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit, aber auch der Attraktivität für die Menschen, die in NordrheinWestfalen leben, ist. Deshalb ist es für die Wirtschaft und für die Menschen von besonderer Bedeutung, dass wir die Mobilität über eine vernünftige Infrastruktur sichern.

Eines ist klar: 2010, als ich hier angefangen habe, gab es nicht sehr viele Reden zu diesem Thema, jedenfalls nicht in dieser Form. Da wurde über einzelne Landes- und Bundesstraßen gesprochen. Erst in den letzten Jahren haben die Leute die Dramatik erkannt, und erst mit dem Minister Groschek, der das als Trommler in die Welt getragen hat, haben wir es erreicht, dass es bundesweit zu einem Thema geworden ist. Das ist nicht von nichts gekommen, sondern es wurde in den letzten drei Jahren in Nordrhein-Westfalen systematisch angelegt.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der FDP)

Die Konferenz der Landesverkehrsminister hatte zwei Expertenkommissionen. Ich mag den Minister sehr, aber ich will Ihnen nur sagen, Herr Lindner: Die Kommissionen hießen „Daehre-Kommission“ und „Bodewig-Kommission“. Diese beiden Kommissionen haben Vorschläge gemacht, 7,2 Milliarden € zusätzlich in den nächsten 15 Jahren zur Verfügung zu stellen. Das haben Sie zu Recht gesagt. Es ist völlig klar, dass der Koalitionsvertrag in Berlin weit dahinter zurückbleibt. Lediglich 5 Milliarden € wurden zur Verfügung gestellt.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Wenn ich das hier zitieren darf: Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Oppermann, hat gestern ganz eindeutig gesagt: Da fehlten zwei Milliarden €, da muss zusätzliches Geld hinein. Wir müssen dafür sorgen, dass das noch besser wird. – Das ist die Aufgabe, die wir gemeinsam haben.

(Christof Rasche [FDP]: Das ist eine Milch- mädchenrechnung!)

Die Finanzmittel sind aber nicht nur – Kollege Rasche – vom Volumen her falsch, sondern man muss einfach sehen, dass Nordrhein-Westfalen systematisch benachteiligt wird. Wir erhalten von den Regionalisierungsmitteln eben nur 15,7 %, obwohl uns mindestens 21 % zustehen. Nordrhein-Westfalen hat auch hier ein strukturelles Defizit von über 400 Millionen € im Jahr. Es ist einfach ungerecht, wenn den anderen Ländern mehr Geld zur Verfügung gestellt wird als uns.

Das ist historisch gewachsen. Auch in diesem Bereich wurde über viele Jahre hinweg Solidarität geübt. Aber jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, das zu ändern. Wir setzen darauf, dass in der Großen Koalition genau dies im Bündnis mit den Ländern geschieht.

Wir fordern also eine strukturell gerechtere Verteilung der Bundesmittel sowie eine gerechtere Finanzierung der Infrastruktur und – das ist das Entscheidende – ein überjähriges, verkehrsträgerübergreifendes Agieren, weil nur dann Planungssicherheit und Flexibilität ermöglicht werden.