Der Bund muss seiner Verantwortung für die Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen nachkommen – Anstatt der Pkw-Maut ist ein rechtssicheres und gerechtes Finanzierungskonzept für NRW notwendig
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 7. Juli 2014 hat der Bundesverkehrsminister sein Konzept für eine PkwMaut vorgestellt – keinen Gesetzentwurf, sondern einige Konzeptideen, die die Diskussion anregen sollten und die als erste Vorüberlegungen zur Umsetzung des Koalitionsvertrages geschrieben wurden.
Das, was da vorgelegt wurde, hat in NordrheinWestfalen bei vielen Menschen Sorgen ausgelöst, weil plötzlich nicht mehr davon die Rede war, dass eine Maut auf Autobahnen, wie sie im Koalitionsvertrag verankert ist, unter strengen Bedingungen verabredet war, sondern davon, dass jede einzelne Stadtstraße, Kreisstraße und Landstraße – alles das, was in grenzübergreifenden Räumen bei uns entstanden ist – plötzlich bemautet werden sollte.
Erinnern wir uns zurück: Vor 30 Jahren hat Helmut Kohl bei seinem Treffen mit François Mitterrand auf Schloss Rambouillet, bevor alle Verträge verabschiedet wurden, gesagt: Wir schaffen die Grenzkontrollen ab. – Mit einer grünen Plakette, die man
Seit dieser Zeit ist über das Schengen-Abkommen und die Europäischen Verträge erreicht worden, dass Grenzregionen zusammenwachsen können. In Nordrhein-Westfalen gibt es besonders viele Grenzregionen zu Belgien und den Niederlanden. Dort wurden ganze Straßen plötzlich gemeinschaftlich errichtet und unterhalten. In Herzogenrath existiert eine Straße, bei der auf der einen Seite Niederländer und auf der anderen Seite Belgier leben. Die Feuerwehren arbeiten zusammen.
Wir haben gesagt: Wenn diese Maut kommt und jedes Land künftig wieder einzelne Gebühren als Eintrittsgeld ins Land hinein erhebt, ist das etwas anderes als das, was in Berlin verabredet wurde.
Deshalb haben unsere Grenzregionsabgeordneten mit den Menschen vor Ort gesprochen. Sie haben das auf den Punkt gebracht und gesagt: Das war nicht verabredet. Wir erinnern an Koalitionstreue. – Wir selbst haben dann gesagt: Wir führen ein Gespräch mit Industrie- und Handelskammern aus Nordrhein-Westfalen, mit dem Einzelhandel, mit Tourismus NRW sowie mit den Flughäfen Weeze, Köln/Bonn und Düsseldorf, um die Auswirkungen einmal von den Betroffenen geschildert zu bekommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man so vorgeht, wenn man sich um das Land kümmert, wenn man die Betroffenen anhört, dann ist es ein eigenartiger Vorgang – ich formuliere es mal vorsichtig –, wenn einem der SPD-Fraktionsvorsitzende in den Rücken fällt, dieses Vorgehen populistisch nennt und sagt, er sei erst bereit, sich mit dem Thema zu beschäftigen, wenn der Gesetzentwurf vorliege. – Nein, das ist nicht die Wahrung der Interessen von Nordrhein-Westfalen.
Das gilt auch Ihnen, Frau Ministerpräsidentin. Sie saßen mit dabei, als der Text in der letzten Nacht formuliert wurde. Es hätte ein gewichtiges Wort bedeutet, wenn Sie gesagt hätten: Wir sind koalitionsvertragstreu, aber die Idee, die jetzt kommt, war nicht verabredet. Es hat nie jemand darüber geredet, jede Stadtstraße und jede Kreisstraße zu bemauten. – Stattdessen dröhnendes Schweigen, kein Einsatz für das Land von Ihnen in dieser Phase.
Ja. Herr Römer hat uns ermahnt, doch den Mund zu halten. Wir sollten erst reden, wenn das Gesetz vorliegt. Sie haben der „Rheinischen Post“ in der Tat ein Interview gegeben und das in einem Nebensatz gesagt.
Okay, es war ein Hauptsatz. Grammatikalisch war es ein Hauptsatz, aber in Wirklichkeit war es ein windelweicher Satz. Sie wollen Ihre Rolle in Berlin als stellvertretende Parteivorsitzende nicht mehr wahrnehmen. Sie sind ja nicht mehr dort, um für die Interessen des Landes zu kämpfen.
nämlich mit den Betroffenen in Nordrhein-Westfalen geredet, als Landtagsfraktion ein Konzept beschlossen und am nächsten Tag mit den 63 Bundestagsabgeordneten, die am Ende zustimmen müssen, eine Position markiert. Nachdem die nordrheinwestfälische Landesgruppe das gemacht hatte, gab es Bewegung.
Der bayerische Ministerpräsident setzt sich anders für sein Land ein als unsere Ministerpräsidentin. Manchmal würden sich die Leute in NordrheinWestfalen wünschen, Sie würden mal so für ihre Interessen kämpfen wie Herr Seehofer.
Wenn Sie das nicht machen, wenn Sie dazu keine Lust mehr haben – wir sind bereit. Unsere Landesgruppe hat das signalisiert. Deshalb sind wir heute an dem Punkt...
(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Wie die im Bundestag abstimmen, darauf sind wir sehr gespannt!)
Frau Kraft, Sie haben Herrn Mostofizadeh übersetzt; jetzt habe ich es verstanden. Diese 63 Abgeordneten...
... haben gesagt: Dem Modell werden wir nicht zustimmen. – Das ist ein klares Signal. Unsere Sorge ist im Moment – das können Sie heute in der „Frankfurter Rundschau“ und in der „Berliner Zeitung“ lesen –: Herr Schäuble meldet Bedenken an. Er sagt: Kommt überhaupt das Geld auf, das wir brauchen? – Herr de Maizière äußert verfassungsrechtliche Bedenken. Und Herr Gabriel sagt: Ich kann mit diesem Konzept leben. – Herr Gabriel hat doch auch dabeigesessen.
Es war nicht die Rede von Stadt- und Kreisstraßen. Deshalb ist heute noch die Chance, dass der Landtag gemeinschaftlich der FDP-Initiative folgt und nicht allgemein über Geld und Lkw-Maut redet. Das Anliegen ist auch berechtigt, darüber können wir un
ter einem anderen Punkt diskutieren. Aber heute muss das Signal an Herrn Gabriel gehen, an die Bundesregierung: Der gesamte Landtag will keine Maut auf Stadt-, Kreis- und Landstraßen. – Da können Sie heute Farbe bekennen.
Herr Stegner ist ja ein wilder Twitterer. Er hat diese Woche getwittert: „Schäuble und Laschet schießen quer / Die Dobrindtmaut wird gar nix mehr.“ – Das ist die Dichtkunst von Herrn Stegner. Ich sage dazu: Er hat nicht geahnt, dass uns Herr Gabriel am gestrigen Tag in den Rücken gefallen ist und gesagt hat: Das Modell ist gar nicht so schlecht. -Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns heute das gemeinsame Signal senden.
In Koalitionen muss man Kompromisse machen. Die CSU hat ihre Idee der Maut in den Koalitionsvertrag eingebracht. Man muss sie nicht toll finden, aber sie ist verabredet. Dann muss man aber auch Vertragstreue anmahnen. Denn eine Maut auf Stadt-, Land- und Kreisstraßen war zu keiner Sekunde verabredet. Das schädigt den Einzelhandel in unserem Land. Das schädigt den Tourismus. Das beschädigt den letzten mautfreien Raum in ganz Europa. Belgien, Niederlande, Luxemburg, Nordrhein-Westfalen – wir sind hier im Westen zusammengewachsen, und wir wollen dieses Signal heute nach Berlin senden. Ich lade Sie ein: Machen Sie mit, und unterstützen Sie die Menschen in diesem Land.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es hat begonnen mit einem Sommertheater zum Wegezoll für unsere ausländischen Gäste. Dieses Sommertheater ist inzwischen in eine Spielzeitverlängerung gegangen.
Es gibt Einblicke in das Innenleben der Großen Koalition, wenn der bayerische Ministerpräsident den Fortbestand der Regierung an dieses Vorhaben knüpft, dem Bundesfinanzminister Sabotage vorwirft und der stolze stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU an die SPD-Ministerpräsidentin appelliert, doch bitte schön ein CSU-Vorhaben in Berlin zu verhindern. Das alles, meine sehr verehrten Damen, meine Herren, trägt zur Banalisierung der Politik bei, als hätten wir in der deutschen Innenpolitik nicht andere und größere Herausforderungen, als die Trophäe für die CSU zu diskutieren.
Klar ist: Die Verkehrsinfrastruktur benötigt dringend zusätzliche Investitionen. Aber für ihren Zustand kann man doch jetzt nicht unsere ausländischen Gäste verantwortlich machen.
Der Zustand der Infrastruktur – da darf man keine Fraktion hier im Hause ausnehmen – hängt mit einem jahrzehntelangen Versäumnis der Politik zusammen, hinreichend zu investieren in das Wegenetz.
Nach Angaben der Bodewig-Groschek-Kommission geht es um Größenordnungen von 7 Milliarden € im Jahr. Und nun wird der Eindruck erweckt, dass die Dobrindt-Maut auch nur einen minimalen Beitrag dazu leisten könnte, diesen Investitionsbedarf zu decken. Dann müssen wir Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren auf der Tribüne, auch einmal sagen, um welche finanzielle Größenordnung es geht und wie hoch das Aufkommen aus den Mautvorschlägen von Herrn Dobrindt wäre. Das wären 200 bis 250 Millionen € im Jahr bei 7 Milliarden € Kapitalbedarf jährlich. Die Maut hat 30 % Erhebungskosten. Es gibt keine andere Steuer oder Abgabe in Deutschland, die ähnlich bürokratisch ist. Die Idee von Herrn Dobrindt ist der bürokratischste Einfall seit der Einführung des Dosenpfands in Deutschland und bringt auch nichts in der Sache. Die Maut leistet also keinen Beitrag.