Protokoll der Sitzung vom 10.09.2014

Für mich ist ein Grundsatz wichtig: Humanitäre Hilfe gegenüber Menschen darf nicht kriminalisiert werden, ganz egal, welchen Aufenthaltsstatus diese Menschen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/6675 an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Integrationsausschuss. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

5 Gesetz zur Novellierung des Gesetzes über

die Zuweisung und Aufnahme ausländischer Flüchtlinge (Flüchtlingsaufnahmegesetz –

FlüAG)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/6689

erste Lesung

In Verbindung mit:

Verantwortung übernehmen – Zügig mehr irakische Flüchtlinge aufnehmen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/6671

Änderungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/6756

Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst für die Landesregierung wieder Herrn Minister Jäger das Wort.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Asylbewerberzahlen steigen rasant – bundesweit und auch bei uns in

Nordrhein-Westfalen. 2012 waren es noch 15.000 Menschen, die den Weg nach Nordrhein-Westfalen gefunden und hier um Asyl gebeten haben. In diesem Jahr erwarten wir mehr als 37.000 Menschen.

Hinter jedem dieser Menschen steht ein Schicksal, eine lange Flucht, ganz oft ein menschliches Drama. Wir müssen es ehrlich so beurteilen, wie es ist, meine Damen und Herren: Niemand von diesen 37.000 verlässt seine Heimat ohne Grund und ohne Not. Das heißt aber auch für uns in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen: Wir müssen zuallererst diesen Menschen eine menschenwürdige Unterkunft zur Verfügung stellen. Das ist nicht nur unsere rechtliche Pflicht, sondern auch unsere moralische und humanitäre Pflicht.

Diesem Anspruch gerecht zu werden, ist aktuell wirklich harte Arbeit. Diese Arbeit leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium, in den Bezirksregierungen, die dringend Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen suchen, die Stadtverwaltungen in 396 Kommunen, aber auch die vielen Menschen, die sich in den Einrichtungen darum kümmern, dass die, die bei uns Schutz suchen, auch gut betreut werden.

Die Erstaufnahme und die längerfristige Unterbringung der Asylsuchenden ist eine große Aufgabe für unsere Kommunen. Wir wollen ihnen dabei helfen, diese Herausforderung zu bewältigen. Ich habe es gerade schon in der Rede zuvor gesagt: Wir wollen zuallererst eine Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes, damit die Schutzsuchenden in das Sozialgesetzbuch einbezogen werden können. Das ist und das bleibt unser Ziel, meine Damen und Herren.

Aktuell wissen wir nicht, ob und, wenn ja, wann es uns gelingt, dieses Ziel zu erreichen. Das heißt für das Land Nordrhein-Westfalen: Wir müssen jetzt im Rahmen dessen, was wir leisten können, die nötige Entlastung für unser Kommunen schaffen. Diesen Zweck verfolgt die Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes.

Wie im letzten Jahr auch passen wir die Zuweisung gegenüber den Kommunen an. Diese Zuweisung ist aufgrund der allseits bekannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes erforderlich. Sie beträgt für das Jahr 2015 insgesamt 32 Millionen €. Das sind 12 Millionen € mehr als für das laufende Jahr 2014. Insgesamt geben wir unseren Kommunen mit dem FlüAG im kommenden Jahr über 140 Millionen € weiter. Das ist eine Steigerung von mehr als 50 Millionen € im Vergleich zum aktuell laufenden Jahr.

Und wir sorgen für mehr Gerechtigkeit bei der landesweiten Verteilung. Bisher wurden nämlich unbegleitete Flüchtlinge, die jünger als 16 Jahre alt sind, bei der Berechnung außen vor gelassen. Das ändern wir; denn die Kommunen sind nicht nur in der juristischen Pflicht, sondern auch in der moralischen

Pflicht, sich gerade um diesen Personenkreis zu kümmern, zum Beispiel bei der Inobhutnahme durch das Jugendamt. Damit schaffen wir auch dort Entlastung. Ich darf anfügen, dass die kommunalen Spitzenverbände diese Regelung ausdrücklich begrüßen.

Neben der genannten Gesetzesnovelle, meine Damen und Herren, geht es auch um den Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Ich bin den Fraktionen dankbar, dass sie hier ein wichtiges Thema aufgreifen, dass wir als Parlament ein deutliches Zeichen gegen den Terror, gegen die Gewalt und gegen den Hass insbesondere gegenüber ethnischen und religiösen Minderheiten im Nordirak setzen. Das sind vor allem Jesiden, das sind Christen und andere Minderheiten, die in dieser Region zurzeit einem unglaublichen Leid ausgesetzt sind. Wir müssen versuchen, das zu mildern. Wir werden nicht alle Flüchtlingsprobleme des Irak hier lösen können. Aber gerade aufgrund unserer geschichtlichen Verpflichtung und unserer humanitären Verpflichtung geht in Deutschland nichts daran vorbei, dass wir denen, die dringend Aufnahme benötigen, auch eine Aufnahme zukommen lassen.

Herr Stamp, ich habe den Änderungsantrag Ihrer Fraktion gesehen. Ich nehme gerne den Auftrag auf, das Thema mit meinen Kollegen in der Innenministerkonferenz – die Herbstkonferenz ist ja nicht mehr weit; es ist bereits angemeldet, Arbeitsgruppen bereiten es gerade vor – zu erörtern.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Minister, entschuldigen Sie. Würden Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Vogt von der CDU zulassen?

Ja, natürlich.

Bitte, Frau Kollegin.

Herr Minister Jäger, Sie sprachen gerade davon, dass es aus Ihrer Sicht notwendig ist, die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen. Halten Sie eine Unterbringung in einem Zeltlager für menschenwürdig?

Frau Vogt, da wir aus der gleichen Stadt kommen, meinen Sie vermutlich das Zeltlager in Walsum, von dem Sie wissen, dass es nicht belegt ist und als Reserve für einen Ultima-Ratio-Fall dient. Die Stadt Duisburg und das Land arbeiten mit Hochdruck daran, die schwierige Unterbringungssituation in Duisburg so zu regeln, dass ein solches Zeltlager nicht in Anspruch genommen werden muss, anders als in

Bayern, wo Zirndorf überlastet war und Flüchtlinge inzwischen in einem Festzelt untergebracht sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte gerne noch auf den Antrag von Herrn Stamp und seiner FDP zu sprechen kommen.

(Zuruf von Petra Vogt [CDU])

Bitte?

(Petra Vogt [CDU]: Keine Antwort ist auch ei- ne Antwort!)

Das war eine eindeutige Antwort, Entschuldigung. Sie können ja gerne noch eine Zwischenfrage stellen, anstatt einen Zuruf zu machen.

Herr Stamp, ich habe gestern noch mit dem Staatsminister im Auswärtigen Amt gesprochen, was die Realisierung eines Flüchtlingsprogramms für Flüchtlinge aus dem Nordirak angeht.

Herr Minister, entschuldigen Sie die erneute Unterbrechung. Aber Ihrer ausdrücklichen Einladung,

(Minister Ralf Jäger: Die hat gefruchtet!)

Ihnen eine erneute Zwischenfrage zu stellen, ist Frau Kollegin Vogt sofort nachgekommen. Deshalb bin ich mir sicher, Sie werden sie zulassen.

Gerne.

Herzlichen Dank. – Herr Minister Jäger, wir haben Ihre Antwort nicht so genau verstanden. Deswegen fragen wir noch mal nach, damit Sie es präzisieren. Sie sagen also: „Eine Unterbringung im Zeltlager ist nicht menschenwürdig“?

Nein, natürlich nicht, Frau Vogt. Dann will ich das noch mal genau erklären. Ich will Bezug nehmen auf den Geschäftsführer der Diakonie in Duisburg, Herrn Kiepe-Fahrenholz, den ich übrigens sehr schätze.

Er hat in einem offenen Brief sehr deutlich dargelegt: Diejenigen, die von außen jetzt darauf zeigen und das kritisieren, sind genau diejenigen, die nichts zur Lösung dieser Unterbringungsprobleme in der Vergangenheit beigetragen haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Diese Kritik aus der Ferne, die bei der Daraufschau stattfindet, vergisst dabei völlig, dass die Stadt Duisburg in einer extrem angespannten Situation ist und selbst sagt:

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Andere auch!)

Das kann nur die Ultima Ratio sein. Statt Menschen unter Brücken und unter freien Himmel schlafen zu lassen, wird eine vorübergehende Unterbringung in Zeltstädten dann erforderlich, wenn wir es nicht schaffen, in Duisburg ausreichend Kapazitäten gemeinsam mit dem Land Nordrhein-Westfalen und der Bezirksregierung Arnsberg zu akquirieren. – Aber Sie können daran, dass diese Zeltstadt nicht belegt ist, feststellen, dass diese Bemühungen offensichtlich fruchtbar sind.