Protokoll der Sitzung vom 12.09.2012

2020 greift die Schuldenbreme. Wir werden bis dahin durch einen konsequenten, aber verantwortli

chen Konsolidierungspfad die Neuverschuldung auf null bringen. Wir treten auch dafür ein, dass die Schuldenbremse in die Landesverfassung kommt. Aber es bleibt dabei: Wir werden das nur mitmachen, wenn gleichzeitig sichergestellt wird, dass die Kreditaufnahme wirklich gebremst und nicht einfach auf die Kommunen verschoben wird. Auch das bleibt Politik dieser Landesregierung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Ehrliche und wirklich nachhaltige Konsolidierung – das Gegenteil von „rechte Tasche, linke Tasche“ oder „Verschieben auf andere politische Ebenen“ – gelingt allerdings nicht nur durch Kürzen auf der Ausgabenseite. Ein hochentwickeltes Land kann sein Niveau ohne Investitionen in die Zukunft nicht halten. Deshalb bleiben wir dabei: Dauerhaft konsolidierte Landesfinanzen setzen einen Dreiklang voraus, den Dreiklang aus Zukunftsinvestitionen, aus gezieltem Sparen und natürlich aus angemessenen Einnahmen.

In diesem Dreiklang ist das Sparen ein wesentlicher Bestandteil. Wir werden darum Jahr für Jahr aufwachsend bis 2017 dauerhaft 1 Milliarde € jährlich strukturell einsparen. Das Effizienzteam wird die Landesregierung weiter darin unterstützen, dieses Ziel zu erreichen. In einem ersten Schritt wurde bereits ein Einsparpotenzial von rund 150 Millionen € für den Haushalt 2013 identifiziert. Auch erste Einsparungen aus organisationsübergreifenden Untersuchungen sind vorbereitet. Sie konnten diese Woche lesen, dass die Oberfinanzdirektionen Rheinland und Westfalen zusammengelegt werden und dass auch hieraus Einsparpotenziale erwachsen.

Wir werden auch deutlich machen, welche Präventionsrendite dem Landeshaushalt zufließen wird. Auch die werden wir einzeln ausweisen, wie wir das bereits für den nächsten Haushalt vorgesehen haben.

Aber eines ist klar: Steuermehreinnahmen müssen auch weiterhin in die Senkung der Neuverschuldung einfließen. Für Steuergeschenke gibt es in diesen Zeiten keinen Raum! Auch das bleibt Politik dieser Landesregierung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Es wird Sie nicht überraschen, dass auch da gilt: Versprochen – gehalten!

Wir haben schon im Landtagswahlkampf deutlich gemacht: Wir setzen auch darauf, dass starke Schultern in unserem Land einen größeren Beitrag leisten – nicht aus Neid, sondern aus ökonomischer Weitsicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – La- chen von der FDP)

Wenn auch morgen noch die Chance bestehen soll, Vermögen zu bilden und zu sichern, dann müssen wir heute dafür die Voraussetzungen schaffen: durch den Ausbau und den Erhalt der Infrastruktur, durch gute Bildung und öffentliche Sicherheit. Immer mehr Menschen mit großem Vermögen wissen das nicht nur, sie bekennen sich auch zu ihrer Verpflichtung einer stärkeren finanziellen Beteiligung.

Ich nenne hier exemplarisch den Versandunternehmer Michael Otto. Er hat Ende August in einem Interview gesagt – ich zitiere aus der „WAZ“ vom 28. August mit freundlicher Erlaubnis –: „Wer gut verdient, verkraftet am ehesten höhere Steuern.“

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Zusammen mit anderen Ländern werden wir deshalb eine Initiative für eine Steuer auf große Vermögen und Erbschaften in den Bundesrat einbringen. Wir werden dabei darauf achten, dass die Substanz der Unternehmen nicht gefährdet wird. Auch darauf kann sich die Wirtschaft in diesem Land verlassen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Ja, in dieser Frage geht es auch um soziale Gerechtigkeit.

Gerechtigkeit – das ist klar – muss auch bei der Steuerpflicht gelten. Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern Betrug an der Gesellschaft.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wer das hohe Niveau unserer Leistungen tagtäglich in Anspruch nimmt, ob in den Kitas und den Schulen, die die Kinder besuchen, ob die Flughäfen, Autobahnen oder vieles mehr, darf sich nicht selbstgerecht aus dem Staub machen, wenn es darum geht, für die Finanzierung dieser Leistungen geradezustehen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wie weit der Eigennutz Einzelner und wie weit die Verblendung gehen, hat mir ein Beispiel gezeigt, das mir zugetragen wurde: Da hat doch tatsächlich ein Steuerhinterzieher eine gemeinnützige Einrichtung, an die er eine Geldbuße leisten musste, angerufen und gefragt, ob er dafür eine Spendenquittung bekommen könne.

(Heiterkeit)

Das zeigt die Dimension dessen, womit wir es hier zu tun haben.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Wir werden Steuerflucht entschieden bekämpfen, am besten durch europaweite wirksame Vereinbarungen, aber wo nötig auch durch unsere schlagkräftige Steuerfahndung, die hervorragende Arbeit für unser Gemeinwesen leistet. Ich danke an dieser

Stelle ausdrücklich den tüchtigen Steuerfahnderinnen und Steuerfahndern für ihren verantwortungsvollen Dienst zum Wohle unseres Landes.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Eines vergessen die meisten, nämlich dass Steuermindereinnahmen durch Steuerhinterziehung am Ende immer von den Steuerehrlichen ausgeglichen werden müssen.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang bereiten wir eine Bundesratsinitiative für ein Unternehmensstrafrecht vor. Deutschland ist eines der wenigen Länder ohne ein solches Strafrecht. Hätten wir es, würde ein Vorgehen zum Beispiel gegen Banken leichter, die ihren Kunden bei der Hinterziehung von Steuern helfen.

(Christian Lindner [FDP]: Wie bei der frühe- ren WestLB!)

Jede Bank ist zu verfolgen, die Steuerhinterziehung begünstigt, damit das hier völlig klar ist.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Generell gilt für uns: Über die Steuerhinterziehung hinaus werden wir auch die Abschöpfung von illegalem, das heißt durch Kriminalität erworbenem Vermögen weiter ausbauen. Dieses wirksame Instrument allein hat dem Landeshaushalt im Jahr 2011 230 Millionen € eingebracht. So trocknen wir kriminelle Strukturen aus. Wichtig ist auch, dass allein 19 Millionen € direkt an die Geschädigten ausgezahlt werden konnten. Das ist eine gute, eine gerechte Politik für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, für diese Landesregierung ist klar: Wenn wir von Langfristigkeit, von Vorbeugung, von guter Zukunft sprechen, dann meinen wir nicht eine gute Zukunft für wenige, die es sich leisten können, sondern für alle Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, also auch für diejenigen, denen es zum Beispiel finanziell nicht so gut geht, und selbstverständlich auch für die Menschen, die mit einer Behinderung leben.

Ich war in den letzten Tagen bei den Paralympics, und ich muss Ihnen sagen: Es war ein fantastisches Erlebnis, festzustellen, wie Inklusion aussehen kann, wenn wir dieses Projekt am Ende erfolgreich umgesetzt haben. Ich sage uns allen: Es lohnt sich, sich diese Vision, die wir vor Augen haben, einmal in der Praxis anzuschauen. Das, was dort gelebt wurde zwischen Behinderten und Nichtbehinderten, übrigens auch mit fantastischen Projekten, die wir unterstützt haben, wo deutlich wird, was zusammenwachsen kann und wie alle daraus für sich neue Impulse ziehen und neue Entwicklungen mög

lich machen, das ist ein Ziel, das wir gemeinsam und in voller Verantwortung angehen werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist gut, dass wir den Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ in Gang setzen wollen. Denn Inklusion geht eben über Schule hinaus. Es trifft aber Schulen in besonderer Weise. Gemeinsamen Unterricht gibt es in unserem Land seit Jahren. Aber er soll vom Ausnahmefall zum Normalfall werden. Das „Ob“ der Inklusion steht ja nicht mehr infrage. Darüber sind wir uns ja hier im Parlament einig. Aber das „Wie“ entscheidet darüber, ob Inklusion gelingt.

Wir werden einen Gesetzentwurf vorlegen, der dieses „Wie“ im Einzelnen erkennbar machen wird. Wir gehen dabei ganz bewusst schrittweise vor, um in dem Prozess möglichst alle mitzunehmen und niemanden zu überfordern. Zu den Kernelementen gehört, dass bei der Einschulung und beim Wechsel auf die weiterführenden Schulen allen Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine geeignete allgemeine Schule in zumutbarer Entfernung angeboten werden kann. Die Zahl geeigneter Schulen soll kontinuierlich steigen. Kinder haben ein Recht auf inklusives Lernen, übrigens auch die Kinder, die nicht behindert sind.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn aber der Bedarf besteht, können Eltern selbstverständlich weiterhin die Förderschule wählen.

Zu dem Prozess gehört natürlich auch eine gute, zielgerichtete Aus- und Fortbildung, durch die Lehrerinnen und Lehrer auf die Herausforderungen der Inklusion praktisch vorbereitet werden. Inklusion braucht Teamgeist. Darum sollen Sonderpädagogen und Sonderpädagoginnen schrittweise Teil des Kollegiums der allgemeinen Schulen werden.

Meine Damen und Herren, andere Länder zeigen uns, dass dieser Weg erfolgreich beschritten werden kann. Auch wir müssen viel öfter den Mut finden, einmal längere Wege einzuschlagen. Wir haben den Mut, über Wahlperioden hinaus zu denken. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger völlig zu Recht von uns: beim Schutz unserer Umwelt, bei dem Erhalt der Infrastruktur, bei der Bildung und ganz besonders dann, wenn es um junge Menschen geht.

Deshalb möchte ich das Beispiel eines Jugendlichen bringen, der hier in Nordrhein-Westfalen lebt. Ich nenne ihn mal Max. Bereits mit 13 Jahren ist er wegen mehrerer Anzeigen polizeibekannt: Schule schwänzen, Diebstähle, Handyklau, Bedrohung eines Mitschülers, Verprügeln anderer Kinder, erst mit Fäusten, dann mit Fußtritten, und zuletzt war auch noch ein Messer im Spiel. Es schien, als käme Max vom Weg des Intensivtäters nicht mehr herunter.

Durch unsere Initiative „Kurve kriegen“ hat Max diesen Weg verlassen können. Nach dem Motto „frühe Hilfe statt späte Härte“ haben Max und seine alleinerziehende Mutter Unterstützung bekommen, die sich an den Ursachen orientierte. Alle haben an einem Strang gezogen. Jetzt geht Max wieder zur Schule, hat die Versetzung geschafft und bislang keine weiteren Straftaten begangen.

Das Beispiel zeigt exemplarisch, wie sehr es sich lohnt, früh zu intervenieren – in erster Linie für die Betroffenen, aber auch für die Gesellschaft insgesamt, auch unter finanziellen Aspekten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb gehen wir den Weg konsequent weiter, früh in Vorbeugung zu investieren. Diesen Weg wollen wir systematisch und konsequent weiter gehen, im Interesse der Betroffenen, im Interesse unserer Gesellschaft, im Interesse unserer Wirtschaft und auch im Interesse der öffentlichen Haushalte, in denen wir erhebliche Präventionsrenditen gewinnen können.

In unserem Modellprojekt „Kein Kind zurücklassen“ mit der Bertelsmann-Stiftung erproben wir gerade in 18 Kommunen, wie wir Präventionspolitik am besten vor Ort umsetzen, welche Strukturveränderungen wir in Gang setzen müssen, wie effizient welche Maßnahmen sind, die wir dort in Gang setzen, und was das am Ende auch für die Finanzen der Kommunen, des Landes, des Bundes und der Sozialversicherung bedeutet.