Protokoll der Sitzung vom 04.12.2014

vor für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Nur, man muss wissen, was einem an welcher Stelle ein politischer Kompromiss wert ist, bzw. ob man womöglich zugunsten von Betroffenen an der einen oder anderen Stelle Dinge mit querschreibt, die einem nicht zu 100 % passen.

Ich nenne hierzu jetzt ein paar Punkte. Sie wissen, dass die Leistungen für Asylsuchende rechtssicher festgelegt werden und dass endlich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt wird. Das ist Teil des Paketes. Sie wissen, dass betroffenen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zukünftig ab Beginn ihres Aufenthaltes Bildungs- und Teilhabeleistungen gewährt werden sollen. Sie wissen, dass die Anwendungsdauer des Asylbewerberleistungsgesetzes von bisher 48 auf 15 Monate verkürzt wird.

Sie wissen, dass durch die Herausnahme bestimmter Personengruppen mit humanitären Aufenthaltstiteln aus dem Anwendungsbereich zudem die Kommunen und Länder pro Jahr um einen zweistelligen Millionenbetrag entlastet werden. Und Sie wissen, dass wir damit einen – zugegebenermaßen aus meiner Sicht – nicht ausreichenden, aber doch richtigen Schritt in eine vernünftige Richtung gemacht haben.

Auf der anderen Seite frage ich mal: Was haben die Menschen davon, wenn man eine Haltung dazu benutzt, einen Kompromiss scheitern zu lassen? – Ich kann Ihnen sagen, was sie davon haben, nämlich gar nichts. Dann hat man zwar die Fahne der hehren Moral hochgehalten, aber für die betroffenen Menschen nichts erreicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von Frank Herrmann [PIRATEN])

Ich möchte, weil wir da noch verhandeln, über die Verbesserungen im Gesundheitsbereich noch

nichts im Detail ausführen. Das ist mir noch nicht weitgehend genug. Aber auch dort gibt es einen Schritt in die richtige Richtung, auch dort gibt es weitere Verhandlungen.

Ich darf Ihnen zu dem nächsten Bereich, den Sie angesprochen haben – ich lese die Protokollnotiz hierzu jetzt nicht vor, denn das würde mein Zeitkontingent sprengen –, sagen, dass wir natürlich bei unserer Meinung hinsichtlich der Freizügigkeit bleiben, und dass deshalb die Landesregierung die Protokollnotiz abgegeben hat. Das zeigt doch, dass wir nicht von unseren prinzipiellen Grundsätzen abweichen.

Lassen Sie mich jetzt auch noch etwas zur Frage nach dem Geld sagen. Bei der Diskussion ist Ihnen offensichtlich bis jetzt nicht aufgefallen, dass wir die Hälfte der Summe, die in Berlin vereinbart worden ist, über 20 Jahre lang aus Landesmittel zurückfinanzieren. Das soll den Flüchtlingen in unserem

Land zugutekommen. Da laufen wir doch alle sozusagen auf der gleichen Spur.

Als letzte Position darf ich Ihnen noch Folgendes sagen: Wenn Sie jetzt fordern, wir sollten verbindlich festlegen, wie vor Ort was gemacht wird, streifen Sie damit ganz deutlich einen Grundsatz – nein, Sie verletzen ihn sogar –, der diesem Haus immer, gerade wenn es um kommunale Belange ging, wesentlich war: Wenn wir über die Verwendung von Geld vor Ort reden, reden wir zunächst mit den Betroffenen, nämlich den Kommunen, dann unterhalten wir uns mit den kommunalen Spitzenverbänden. Dann wird den Kommunen nicht im Detail vorgeschrieben, was sie mit dem Geld zu machen haben. Denn die kommunale Selbstverwaltung ist ein hohes Gut, das wir beachten wollen. – An dieser Stelle sage ich vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Körfges. – Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Nettelstroth das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am vergangenen Freitag wurde im Rahmen der Bundesratsverhandlungen zu Fragen der Zuwanderung und des Asylrechts auch ein Erfolg bei den Flüchtlingskosten erzielt. Obwohl der Bund keine finanzielle Verantwortung für diese Aufgabe trägt, ist eine immense Unterstützung beschlossen worden: Im Zusammenhang mit den ansteigenden Flüchtlingskosten wurde eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 1 Milliarde € für die kommenden zwei Jahre beschlossen.

Angesichts der steigenden Zahl von Menschen, die in unserem Land Zuflucht suchen, gebührt dem Bund für dieses Engagement und die Mitübernahme der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung großer Dank. Diese Hilfe bedeutet für Nordrhein-Westfalen eine wertvolle Unterstützung.

In den kommenden zwei Jahren erhält das Land Nordrhein-Westfalen jeweils circa 120 Millionen €. Es ist wichtig, die Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern genau zu lesen. Ich zitiere:

„In den Fällen, in denen die Kommunen Kostenträger sind, sagen die Länder eine entsprechende Weitergabe der vom Bund erhaltenen Mittel zu.“

Mit dieser Formulierung ist klargestellt, dass die Gesamtsumme vollständig, also zu 100 %, an die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen weiterzuleiten ist. Die Landesregierung muss die Mittel komplett an die Kommunen weitergeben. Denn hier in Nordrhein-Westfalen tragen die Kommunen die Verantwortung für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen.

In den Kommunen wird die Willkommenskultur mit Leben erfüllt, und damit das vor Ort geschehen kann, ist es wichtig, dass ausreichende finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Eine Willkommenskultur benötigt also auch ausreichende finanzielle Mittel.

Bislang ließ das Land die Kommunen dabei im Stich. Lediglich rund 20 % der Aufwendungen für Asylbewerber wurden vom Land über die Flüchtlingskostenpauschale erstattet. Auch die angekündigten Verbesserungen beim Flüchtlingsgipfel sorgen nicht dafür, dass eine auskömmliche Finanzierung gewährleistet wird.

Die Pauschalen laufen weiter den tatsächlichen Entwicklungen hinterher. Statt für reale 38.000 Flüchtlinge erhalten die Kommunen nur die Erstattung für 28.000 Flüchtlinge, weil immer auf den 1. Januar des Vorjahres zurückgegriffen wird.

Die Bereitschaft der Deutschen, Flüchtlingen zu helfen, ist einer aktuellen Umfrage zufolge sehr groß. Zwei Drittel, also knapp 66 %, können sich demnach vorstellen, Asylbewerber etwa durch Sachspenden oder ehrenamtliche Hilfe persönlich zu unterstützen.

Diese positive Grundüberzeugung bei den Menschen darf nicht durch knappe Ressourcen vor Ort aufs Spiel gesetzt werden. Wenn vor Ort die Kosten der Asylbewerber einzig über Steuererhöhungen abgefangen werden müssen, bedroht dies nicht nur den Konsolidierungskurs eben jener Kommunen, sondern auch die derzeit hohe Akzeptanz der Flüchtlingsunterbringung in Nordrhein-Westfalen.

Daher muss die Hilfe dort ankommen, wo die Aufgabe erledigt wird. Die Kommunen machen dabei einen guten Job. Bilder wie die aus Burbach stammen aus einer Landeseinrichtung. Was die Kommunen dabei nicht brauchen, sind Vorgaben des Landes, so wie sie die Piraten hier in ihrem Antrag fordern.

Die Kommunen tun bereits heute ihr Möglichstes, die Unterbringungs- und Lebenssituation von

Flüchtlingen und Asylbewerbern in NordrheinWestfalen zu verbessern, und das derzeit noch, ohne die notwendigen Mittel zu erhalten. Das werden unsere Städte und Gemeinden auch weiterhin tun, auch wenn sie das nicht mehr aus anderen Mitteln des Haushalts zu erledigen haben.

Daher lehnen wir Ihren Antrag, sehr geehrte Kollegen von den Piraten, ab. In Punkt 1 hat er sich sowieso schon erledigt, weil bereits in der Vereinbarung geklärt ist, dass die Mittel weiterzugeben sind. In Punkt 2 machen Sie Vorgaben, die nach unserer Auffassung im Rahmen einer subsidiären Vorgehensweise nicht angemessen sind. Es ist vielmehr die Aufgabe der Kommunen, dies umsetzen, und das werden sie auch tun. Deshalb haben Sie bitte Verständnis dafür, dass wir Ihrem Antrag nicht folgen können – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Nettelstroth. – Nun spricht Frau Düker für die Fraktion der Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Piraten enthält aus meiner Sicht eine richtige Feststellung. Dort steht, das Asylbewerberleistungsgesetz solle abgeschafft werden. Ja, auch aus Sicht der Grünen ist dieses Gesetz desintegrativ, es diskriminiert die Asylbewerber beim Zugang zu Gesundheit und zu Integration, und es belastet Länder und Kommunen. Zudem beteiligt sich der Bund überhaupt nicht an Unterbringung und Versorgung.

Deswegen steht das folgerichtig im grünen Wahlprogramm sowie im nordrhein-westfälischen Koalitionsvertrag von Rot-Grün. Deswegen hat folgerichtig die Landesregierung im Bundesrat auch eine Abschaffung dieses Gesetzes gefordert.

Herr Herrmann, Sie müssen allerdings zur Kenntnis nehmen, dass man in einer Demokratie für solche Positionen am Ende Mehrheiten braucht. Diese gab es im Bundesrat aber nicht. Dann kann man sich anschließend entweder beleidigt zurückziehen und sagen: „Jetzt machen wir gar nichts mehr“, oder man kann sich fragen, wie man doch noch Verbesserungen herbeiführen kann.

Genau das hat die Landesregierung auch gemacht und dabei in zähen Verhandlungen mit den anderen Ländern zunächst erreicht, dass wir das Ganze abgeschwächt haben. Schließlich gab es dann eine Mehrheit dafür, dass alle Asylbewerber nach einem Jahr in das SGB II überführt werden und es eine gleichberechtigte Krankenversorgung mit Kostenübernahme durch den Bund gibt.

Das war mehrheitsfähig im federführenden Ausschuss, aber dort gilt wohlgemerkt das Ressortprinzip. Deswegen ist so etwas dann unter Umständen im Plenum nicht mehrheitsfähig, was hier auch der Fall war. Beim Freizügigkeitsgesetz ist es eine ähnliche Konstellation.

Solche Lagen, Herr Herrmann, sind im Verhältnis zwischen Bundesrat, Bundesregierung und Bundestag nicht unnormal, da sich hier unterschiedliche politische Konstellationen und unterschiedliche Interessen gegenüberstehen.

Dann, lieber Herr Herrmann, ist es auch normal, dass man sich, wie gesagt, nicht beleidigt in den Schmollwinkel zurückzieht, sondern dass man verhandelt. Das ist nicht unanständig, sondern das bedeutet, Verantwortung für die Menschen zu übernehmen, die wir als Land auch im Bundesrat vertreten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Im Ergebnis kippt dann nicht der ein oder andere um oder – um es mit Ihren Worten zu sagen – man verkauft seine Seele.

(Zuruf von den PIRATEN: Sie haben keine!)

Vielmehr werden am Ende Kompromisse geschlossen. Wenn man den anderen Kompromisse abverlangt, muss man auch selbst welche eingehen, sonst kommt nichts dabei herum. Den Kompromiss kann man unterschiedlich bewerten. Es steht jedem frei, zu sagen: Ihr habt da nicht genug herausgeholt – wie auch immer.

Frau Düker, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte meine Ausführungen zu Ende bringen. – Klar ist: Wenn CDU, CSU, SPD und Grüne um einen Kompromiss ringen – das möchte ich hier noch einmal verdeutlichen, weil Sie immer wieder die Bundesratssachen ins Gespräch bringen –, kann dabei am Ende des Tages keine grüne Parteiprogrammatik herauskommen. Das geht bei solchen Verhandlungsprozessen nicht; Herr Körfges hat darauf hingewiesen, was dabei herausgekommen ist.

(Beifall von der SPD)

Ich finde, auch eine Blockade wäre unverantwortlich gewesen. Denn am Ende haben wir nicht nur das Geld, liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern eine große Gruppe von Menschen mit humanitärem Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz, die dann Ansprüche aus SGB II haben. Das heißt, diese Menschen können morgen zum Jobcenter gehen und sagen: Ich möchte hier Arbeitsmarktförderung bekommen. Ich möchte integriert werden. – Diesen Menschen steht endlich der Weg zu einer fairen Integration offen.

Darüber hinaus haben wir – das war auch nicht blockierbar, wie ich finde, wenn man bereit ist, Verantwortung zu übernehmen – die Anwendungsdauer des Asylbewerberleistungsgesetzes von 48 Monaten auf 15 Monate gesenkt, allerdings als Analogleistung, von der die Kommunen überhaupt nichts haben; das war der Wermutstropfen. Aber auf der anderen Seite bekommt jetzt jeder Asylbewerber schon nach 15 Monaten und nicht erst nach 48 Monaten eine Krankenversicherungskarte, und zwar gleichberechtigt mit den Sozialhilfeempfängerinnen und –empfängern.

Insofern können Sie doch nicht einfach sagen: Das ist uns völlig egal. Das blockieren wir hier. Die Menschen haben hier kein Recht auf Verbesserung, weil wir hier reine Lehre durchsetzen wollen. – Nein, so gehen wir nicht mit der Politik um, die im Bundesrat gemacht wird, und deswegen finde ich es richtig, dass verhandelt wurde.

Vor allen Dingen bekommen jetzt auch Asylbewerber endlich verfassungskonforme Geldleistungen. Auch das war überfällig.

Jetzt zu dem sogenannten Kompromiss. Ich finde, was dabei herausgeholt wurde, ist gut und kann sich sehen lassen: 500 Millionen € für 2015, 500 Millionen € für 2016. Natürlich hätte auch ich gerne mehr gehabt – das ist völlig klar –, aber das war sozusagen das Zugeständnis. Bei der CDU war leider keine Mehrheit zu finden für eine strukturelle, dauerhafte Entlastung der Länder und Kommunen; sie war für eine einmalige Zahlung.

Bemerkenswert ist, dass es einem Land wie Bayern völlig egal ist, wie die Länder und Kommunen entlastet werden. Hauptsache, man macht weiterhin eine restriktive, repressive Politik gegen Asylbewerber!

Großzügig geschätzt heißt das zweimal 120 Millionen € für NRW, und wenn man das kreditierte Geld abzieht – das müssen wir ja irgendwann, in 20 Jahren, zurückzahlen –, bleiben zweimal rund 60 Millionen € übrig.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)