Protokoll der Sitzung vom 05.12.2014

vorne? Ehrlich gesagt, hätte ich erwartet, dass Sie, ähnlich wie ein japanischer Politiker, der Fehler gemacht hat, hier vors Auditorium getreten wären und sich für das, was Sie in den letzten zehn bis 15 Jahren alles veranstaltet haben, drei Mal verneigt hätten.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Wer hat denn über zehn Jahre lang den großen Konzernen die Signale gegeben, dass das Geschäftsmodell so weitergehen kann? Wer war das denn? Wer hat denn politisch dafür geworben und es letztlich umgesetzt, dass der Atomausstieg rückgängig gemacht wird? – Das war doch die CDU.

Ihre Bundeskanzlerin und auch Sie selber haben dafür gestritten, dass das Rad im Herbst 2010 komplett zurückgedreht wurde. Darauf konnten sich die Unternehmen zehn Jahre lang kaprizieren, und sie haben ihr Geschäftsmodell eben nicht verändert, was sie längst hätten tun sollen.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Insofern ist es eine richtige Entscheidung, die schon viel früher hätte fallen können und müssen; denn die zentrale Frage, dass wir mit neuen Energien nicht ein altes System betreiben können, steht im Mittelpunkt der unternehmerischen Entscheidung.

Ich darf aus der Pressekonferenz, die E.ON gegeben hat, zitieren. Johannes Teyssen hat sich dort geäußert, indem er die neue Energiewelt beschreibt und explizit davon spricht, dass sich nun von allen Seiten die Erneuerbaren entwickelt hätten. Jetzt flössen in keine andere Energieart so viele Investitionen. Die Kosten für Onshore-Wind seien unter die Kosten für konventionelle Stromerzeugung gesunken. Der Fotovoltaik-Eigenverbrauch erlaube Kunden, unabhängiger zu werden. Kunden wollten saubere Energie. Der Trend zur Vernetzung von allem und jedem ginge auch am Energiesektor nicht vorbei. Die Rolle der Verteilnetze ändere sich, sie würden intelligenter. Energiedrehscheiben seien zukünftig von zentraler Bedeutung usw.

Da spricht ein Interessenvertreter des neuen Systems, und es ist zu begrüßen, dass jetzt eine solche Interessenlage am Markt aktiv ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Erfahrung aus den letzten Jahren ist doch: Wir haben Interessenvertreter für zentrale Produktionsstätten, für fossile Kraftwerke und für neue Kraftwerke. Aber es fehlen – auch in der politischen Agenda – Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter für das erneuerbare System, für intelligente Netze, für Speicher, für alles, was zum Equipment gehört. Dass hier ein großer Player entsteht, der genau das zu seinem Geschäftsmodell macht, ist doch ausgesprochen zu begrüßen. Da entsteht auch eine Marktmacht, die die Entwicklung in das neue System befördert.

Ich denke, in der Strukturierung des Marktes wird es ähnlich sein wie im Bankenbereich. Wir haben große Banken mit weltweitem Ausgriff. Ich glaube, das neue Unternehmen E.ON wird das auch weiterhin sein. Mit 40.000 Beschäftigten ist es ein bedeutender Player. Wir haben die Stadtwerke, ähnlich wie die Sparkassen, die die lokalen und regionalen Netze betreiben. Und wir haben die Genossenschaften und die Bürgerinnen und Bürger.

Das beschreibt dieses System, das an Dezentralität orientiert ist. Unsere Aufgabe ist es, das Ganze politisch zu flankieren, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Deshalb brauchen wir die Debatte über ein neues Energie- und Strommarktdesign, um diese Strukturen zu fördern und zu unterstützen. Deshalb brauchen wir als nächsten Schritt auf Bundesebene ein Kraft-Wärme-KopplungsGesetz, um die Zwischenstrukturen im System entsprechend zu beschreiben.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle noch ein, zwei Worte zu der DIW-Studie und dem, was Sie hier vorgetragen haben; Herr Fehring war ja erfrischend differenziert. Ich will es in einem Bild beschreiben – im Übrigen sind das Zahlen von 2012, sie beschreiben nicht die Wirklichkeit von 2014 –:

(Zuruf von Thomas Kufen [CDU])

Beschäftigen Sie sich mit den absoluten Zahlen. 2010 hatten wir gut 10 TW Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Wir haben heute 15 TW, also eine Steigerung um 50 %. Eine solche Steigerung ist in keinem anderen Bundesland vonstattengegangen. Das zeigt die Dynamik. Wir haben zu wenig und brauchen mehr, gar keine Frage. Aber – um im Bild zu bleiben –: Wenn an anderer Stelle Zwerge entstehen und in Nordrhein-Westfalen sozusagen der Riese ein Kind gebiert, dann kann man das nicht miteinander vergleichen. Hier werden absolute Zahlen mit Prozentzahlen und Rankings in Verbindung gebracht.

Ich mache es an einem anderen Beispiel deutlich: Wir haben in dem Bereich weit mehr Patentanmeldungen als alle anderen Bundesländer. Wir haben hier weit mehr wissenschaftliche Einrichtungen und Studiengänge. Wenn man das ins Verhältnis zu unserem sonstigen wirtschaftlichen Equipment setzt, dann erscheint das natürlich als relativ klein. In der Tat ist es aber ein wachsender Riese. Dieser Entwicklung gilt unsere Unterstützung. Wir würden uns wünschen, Sie würden dem beitreten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ja, wir brauchen mehr Tempo. Wir brauchen mehr Ausbau, vor allem von Erzeugungskapazitäten, aber eben auch bei dem, was dazwischen entsteht: in der europäischen Vernetzung, beim Ausbau von Grenzkuppelstellen, im Wirken von Verteilnetzen, die nicht mehr darauf ausgelegt sind, von einer Zentrale aus in Richtung Verbraucherinnen und

Verbrauchern zu wirken, sondern dezentral in beide Richtungen funktionieren müssen.

Das ist die neue Gestaltungs- und Marktaufgabe. Dass sich ein Unternehmen genau dahin orientiert – jenseits der Fragen, die in Bezug auf die Rückstellungen für den Atomausstieg zu betrachten sind –, ist zu begrüßen. Im Übrigen haben die Landesregierung und alle anderen Bundesländer die Bundesregierung im Bundesrat aufgefordert, die entsprechende Sicherung tatsächlich zu beschreiben. Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung in Kürze berichten wird, wie sie die Anforderung umzusetzen gedenkt, dass die Lasten eben nicht bei der öffentlichen Hand und bei den Bürgerinnen und Bürgern verbleiben. Da bin ich guter Hoffnung. – Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Die Landesregierung hat ihre Redezeit um eine Minute und sechs Sekunden überschritten. – Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Kollegen Kufen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Remmel, dass Sie noch nicht einmal eine ordentliche Entschuldigung an Herrn Brockes hinbekommen, das nenne ich jämmerlich; das sage ich Ihnen ganz ehrlich.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Hätten Sie einfach mal zur Kenntnis genommen, was Ihnen die Präsidentin hinter den Spiegel gesteckt hat, das wäre allemal besser gewesen. – Das ist das Erste.

Das Zweite, Herr Minister Remmel: Können Sie sich nicht wenigstens annähernd vorstellen – Sie haben von den 40.000 Arbeitsplätzen gesprochen –, was aktuell bei 40.000 Familien in Deutschland los ist, die sich überlegen: Wo sind wir eigentlich im nächsten Jahr? Was heißt das für meinen Arbeitsplatz?

(Zuruf von Wibke Brems [GRÜNE])

Diese Familien erleben hier einen breitbeinig auftretenden Umweltminister, der null zu diesen Arbeitsplätzen sagt. Das finde ich schäbig, das muss ich ganz ehrlich sagen – schäbig, schäbig, schäbig.

(Beifall von der CDU und der FDP – Minister Johannes Remmel: Das ist eine Unver- schämtheit! Die wirtschaftliche Zukunft ist das! – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Weitere Zurufe)

Dann haben Sie nach unserer Antwort gefragt. Die ist ganz klar:

Wenn wir die Energiewende so gestalten, dass sie die Wirtschaft abwürgt, werden wir keinen Erfolg haben. Deshalb brauchen wir die Energiewirtschaft dergestalt angelegt, dass sie auch Raum zur Gestaltung für Investition und Innovation lässt.

Ich will Ihnen sechs Punkte nennen, die mir wichtig sind.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Sechs Stück!)

Erstens. Wir brauchen eine ganzheitliche Betrachtung des Energiemarkts im europäischen Kontext. Für die Industrie ist die Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt entscheidend. Deshalb sind Insellösungen so, wie Sie sie immer favorisieren, der falsche Weg.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist der einzige Unterschied zwischen Ihnen und mir. Ihre Insellösungen haben erstens klimapolitisch einen Wert von null, zweitens gefährden sie Arbeitsplätze. Das ist die Wahrheit. Deshalb unterscheidet das uns beide.

Zweitens. Wenn wir industrielle Arbeitsplätze halten wollen, müssen wir auch den Strom sicher, sauber und bezahlbar halten. Diese Austarierung ist eine Aufgabe gerade für Nordrhein-Westfalen, gerade auch für einen NRW-Umweltminister.

Drittens. Wir brauchen weiter zeitnahe und umfassende Markt- und Systemintegration der Erneuerbaren in den Energiemarkt.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Dann hel- fen Sie doch mal!)

Viertens. Wir brauchen einen Strommarkt nach dem Grundsatz: So viel Markt wie möglich und nur so viele Eingriffe wie nötig. Darum geht es.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ihr regiert seit 2005!)

Deshalb brauchen wir einen dezentralen Leistungsmarkt mit guten Ansätzen, die wir jetzt diskutieren und in der Großen Koalition auf den Weg bringen wollen.

Fünftens – das unterscheidet uns eben auch –: Wir brauchen keine technologische Diskriminierung zugunsten bestimmter Energiearten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Technologieoffenheit ist wichtig. Nur so erhalten wir auch die Versorgungssicherheit.

Sechstens. Wir brauchen einen Netzausbau – Klammer auf: auch in Bayern; Klammer zu –, nämlich in ganz Deutschland und in Europa, um das Ganze in einer einheitlichen Preiszone aufrechtzuerhalten. Die Verfügbarkeit gesicherter Leistungen – insbesondere bei den regionalen Ungleichgewichten – ist nur durch einen konsequenten Netzausbau darzustellen.

Das ist unser Programm, und das muss letztlich auch die Antwort sein. Ihr Beitrag war breitbeinig, aber nicht an der Sache orientiert. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Kufen. – Werte Kolleginnen und Kollegen! Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor, und ich schließe damit die Aktuelle Stunde.

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