Protokoll der Sitzung vom 18.12.2014

Was bedeutet diese 30%ige Steuererhöhung in der Praxis? Dieses zweifelhafte Weihnachtsgeschenk von Ihnen sollten wir noch einmal etwas näher beleuchten.

Es ist, wenn man sich einmal die aktuellen Steuereinnahmen anschaut, für die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in Mülheim vielleicht nicht ganz so gewichtig. Da kostet das ab nächstem Jahr eben „nur“ 5 Millionen mehr. Auch für Oberhausen, also bei Herrn Stefan Zimkeit, der sich eben mit einem Zuruf betätigt hat, sind es „nur“ 5 Millionen. Aber wie sieht es zum Beispiel in der Stadt Köln aus? – Da darf Kollege Börschel dann erklären, dass ab

1. Januar 2015 Ihr beabsichtigtes Abstimmungsverhalten die Kölner Steuerzahler mal eben zusätzlich 65 Millionen € kostet. – Wo ist er eigentlich, der Herr Börschel?

(Zurufe: Wo ist der Börschel?)

Wie sieht es in der Landeshauptstadt Düsseldorf aus? Da darf Markus Weske dann erklären, dass das die Düsseldorfer Bürger jedes Jahr mit 60 Millionen € mehr belastet. Wie das eigentlich in Bonn, Frau Hendricks oder Herr von Grünberg? Dort gibt es 20 Millionen € jährliche Mehrbelastung. Meine Essener Kollegen Britta Altenkamp, Thomas

Kutschaty, Dieter Hilser und Peter Weckmann dürfen auch erklären, dass es 20 Millionen € Mehrbelastung geben wird. Das gilt ebenso für Nadja Lüders in Dortmund und für Svenja Schulze in Münster: Bei Zugrundelegung der aktuellen Steuereinnahmen ist das für die Großstädte unseres Landes überall die zusätzlich sich ergebende Belastung. In Aachen hat es Herr Schultheis etwas leichter. Da sind es dann 17 Millionen € Mehrbelastung, die er verkaufen muss. Ich könnte das beliebig so fortsetzen.

Deshalb sagen wir Ihnen: Dieser zweite Schritt einer De-Facto-Verdoppelung der Grunderwerbsteuer ist falsch. Er belastet insbesondere junge Familien, Selbstständige sowie kleinere und mittlere Unternehmen. Diese Grunderwerbsteuererhöhung ist eine Modernisierungsbremse für den Wohnungsbau. Sie ist schädlich für die städtebauliche Entwicklung.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Sie ist schädlich für das Ziel, das Sozialdemokraten ansonsten häufig haben, nämlich auch Arbeitnehmerhaushalten Vermögensbildung zu ermöglichen.

Wir als FDP-Landtagsfraktion lehnen Ihren Gesetzentwurf ab. Die schönste Bescherung in den Weihnachtstagen für die Menschen in NordrheinWestfalen ist, dass Sie nun gegen diesen Gesetzentwurf stimmen und ihn ablehnen. Er ist falsch, bleibt falsch und gehört deshalb abgelehnt. – Frohe Weihnachten!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Schulz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal! Die Bürgerinnen und Bürger werden möglicherweise heute oder in nächster Zukunft – vielleicht aber auch später; ich sehe Schülerinnen und Schüler dort oben sitzen – von dieser erhöhten Grunderwerbsteuer, die heute hier beschlossen wird – unsozial, wie sie ist –, nicht profitieren, sondern belastet.

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

Die Landesregierung wird von den sie tragenden Fraktionen – ich möchte es mal so sagen – vorgeführt. Klar, 400 Millionen € Mehreinnahmen, prognostiziert für 2015 und die folgenden Jahre, helfen. Sie sind ein Tropfen auf den heißen Stein, gleichen aber letztendlich die Verluste aus, die es insbesondere auch durch dieses Desaster um die Beamtenbesoldung gab. Und sie tragen dem hehren Ziel des Herrn Finanzministers Rechnung, der eigentlich 700 Millionen € einsparen wollte. Es sind am Ende nur um die 220 Millionen € pro Jahr geworden. Da muss natürlich eine Steuererhöhung her. Etwas anderes fällt den Regierungsfraktionen von Rot-Grün offenbar nicht mehr ein.

(Beifall von den PIRATEN und der CDU)

Es fällt ihnen – trotz des Votums von 21 von 23 Sachverständigen – insbesondere nicht ein, in sich zu gehen und dieses Gesetz gemeinsam mit ihrem ehemaligen haushalts- und finanzpolitischen Sprecher in die Tonne zu kloppen zurückzuziehen.

(Beifall von den PIRATEN)

Sie hätten über Wochen und Monate die Gelegenheit dazu gehabt. Offensichtlich gibt es in den Reihen der SPD noch einige Kolleginnen und Kollegen, von deren namentlicher Erwähnung wir ja wahrscheinlich gleich, im Rahmen einer Protokollnotiz oder was auch immer es sein mag, überrascht werden, die sagen: Das, was wir hier machen, ist nicht mehr Sozialdemokratie; es entspricht nicht dem Finanzkonzept, welches die Sozialdemokratie im Lande Nordrhein-Westfalen tragen möchte.

Ich habe allerdings noch nicht von Übertritten zur CDU, zur FDP oder zu den Piraten gehört. Dazu wird es wahrscheinlich auch nicht kommen. Zu wenig Gewicht scheint dieser Gesetzentwurf zu haben. Und er hat es auch – wie ich eben sagte, ist es ein Tropfen auf den heißen Stein.

Gleichzeitig stellt sich der Finanzminister immer wieder gerne vor jedes Mikrofon und verdammt die Steuervermeidungsstrategien von großen Unternehmen bzw. Konzernen. Im eigenen Land, vor der eigenen Tür kehrt er aber nicht. Er lässt es, obwohl im Aufsichtsrat von Portigon sitzend, zu, dass Portigon die Herzogterrassen – sprich: die ehemaligen WestLB-Gebäude – an einen amerikanischen Investor, einen der größten, wenn nicht gar den größten Investor weltweit, verkauft mit der Folge, dass dieser in Nordrhein-Westfalen aufgrund der nach dem Grunderwerbsteuergesetz möglichen sogenannten Sharedeals keine Grunderwerbsteuer bezahlen muss.

(Zuruf von der FDP: Nicht nur dort!)

Nicht nur dort! Auch andere landeseigene Betriebe haben diese durchaus legalen Steuerschlupflöcher genutzt. Allerdings muss man sich fragen, ob

man dann, wenn die Landesregierung an Aufsichtsgremien dieser Unternehmungen beteiligt ist, dem, was hier oftmals gesagt wird, noch Glauben schenken kann. Ich sage: Nein, denn bisher ist im Hinblick auf das Stopfen von Steuerschlupflöchern in der Bundesrepublik Deutschland auf Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen nicht viel bis gar nichts passiert.

(Beifall von den PIRATEN)

Auch die im Beratungsverfahren angeklungene, durch die Landesregierung oder durch Rot-Grün nach vorne gebrachte Eliminierung von RETTBlockern hat eben nicht dazu geführt. Zwar wurde das Grunderwerbsteuergesetz 2013 geändert. Allerdings wurde dann eine andere Variante gewählt, die im Prinzip den gleichen steuerlichen Effekt hat, von dem ich eben berichtet habe.

Die Position der Piratenfraktion in NordrheinWestfalen ist eindeutig. Wir lehnen diese Grunderwerbsteuererhöhung ab.

(Beifall von den PIRATEN)

Solange Steuerumgehungsmöglichkeiten nach dem Grunderwerbsteuergesetz – insbesondere nach § 1 Abs. 2a und 6a des Grunderwerbsteuergesetzes – nicht eliminiert worden sind, lehnen wir sie weiterhin ab, und zwar so lange, wie wir nur von Lippenbekenntnissen hören.

Der Entschließungsantrag von Rot-Grün ist insofern bezeichnend, als er in seiner Ziffer 2 immerhin die Eliminierung der sogenannten Sharedeals von der Landesregierung fordert. Diesem Teil des Antrags stimmen wir gerne zu. Insofern hatte ich bereits gestern gesplittete Abstimmung beantragt.

Bei dem anderen Teil werden wir uns enthalten.

Dem heute vorliegenden Entschließungsantrag der FDP werden wir selbstverständlich zustimmen, da er unserem außerordentlich ähnlich ist.

Im Übrigen empfehle ich meiner Fraktion, wie gesagt, die Grunderwerbsteuererhöhung für das Land Nordrhein-Westfalen abzulehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Walter Borjans.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Optendrenk, wenn Sie sagen, die Ausreden sind immer billiger geworden, wie das Ernst Ferstl festgestellt hat, kann ich nur sagen: Zu diesen Ausreden gehören auch Dinge, die man verschweigt, nämlich, dass Sie anstelle der Erhöhung der Grunderwerbsteuer in derselben Größenordnung Mehrbelastungen für

Studierende und für Eltern mit Kindern gebracht hätten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Mit Ihnen wäre es also nicht billiger, nur anders teuer geworden.

Ich lasse mich – das ist meine zweite Bemerkung – nicht diskreditieren – Herr Schulz und andere haben darauf hingewiesen, Herr Witzel tut das gerne –, dass ich mich nicht für die Schließung von Steuerschlupflöchern einsetze. Sie reden über eine Regelung, eingeführt von Schwarz-Gelb, die für Unternehmen galt, die zu 99 % verkauft werden konnten, um immer noch die Grunderwerbsteuer zu sparen. 1999 ist diese Regelung verschärft worden, dass es nur noch 95 % sein dürfen.

Ich habe gestern schon gesagt, wenn wir sehen, dass hier Missbrauch mit legalen Mitteln betrieben wird, machen wir weitere Vorstöße. Ich gehe davon aus, dass ich dann Ihre Zustimmung habe; das nehme ich von hier aus mit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund begrüße ich, dass die beiden Regierungsfraktionen diesen Weg der Einnahmenverbessrung wählen und nicht den, den Sie beschritten hätten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Minister, es gab noch eine Zwischenfrage des Kollegen Abruszat. – Bitte schön, Herr Kollege Abruszat.

Herzlichen Dank, Herr Minister, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Da die Kollegen Marc Herter und Mehrdad Mostofizadeh nicht oder nur ganz kurz versucht haben, ihren Entschließungsantrag zum eigenen Gesetz zu begründen,

(Marc Herter [SPD]: Gestern!)

habe ich eine Verständnisfrage zum Entschließungsantrag von Rot-Grün. Herr Minister, vielleicht können Sie erhellen, was die Sozialdemokraten und die Grünen fordern. Im Entschließungsantrag heißt es, dass eine Bundesratsinitiative ergriffen werden soll – das sollen Sie machen –, „um im Wege einer insgesamt aufkommensneutralen bundeseinheitlichen Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes … den Grunderwerb“ – jetzt kommt es – „nach Zweck und Region durch Zu- und Abschläge gestaffelt zu besteuern.“

Verstehe ich das richtig, dass demnächst in einer Stadt wie Düsseldorf weniger Grunderwerbsteuer zu zahlen ist als in einer Stadt wie Porta Westfalica oder in der Gemeinde Rosendahl? Habe ich das richtig verstanden, dass das die Intention ist, die Sie

im Bundesrat mit einer entsprechenden Initiative auf den Weg bringen sollen?

Bitte schön, Herr Minister.